Der Manager gilt als zentrale Figur des Zerwürfnisses zwischen der Führung des DFB und der Spitze der Nationalmannschaft.

Berlin. Letztendlich fällt alles zurück auf das eine Datum, den 30. Juni 1996. Auf den magischen Moment, an dem Oliver Bierhoff abhob zu einem sagenhaften Höhenflug, von dem er bis heute nicht gelandet ist.

95. Minute, Verlängerung im Finale der Europameisterschaft zwischen Deutschland und Tschechien: Bierhoff bekommt eine Flanke von Jürgen Klinsmann zugespielt. Er stoppt den Ball, dreht sich und schießt. Tschechiens Torwart Petr Kouba kann bis heute nicht erklären, warum er den unpräzisen Schuss durch die Finger gleiten ließ. Es war das erste und vorerst auch letzte "Golden Goal" bei einer Europameisterschaft. Die 1995 eingeführte Regel wurde 2004 wieder gestrichen. Auch das passt in die Geschichte des Mannes, der wie kaum ein zweiter zur rechten Zeit am rechten Ort war.

Wer sich mit Oliver Bierhoff beschäftigt, kommt um das "Goldene Tor" nicht herum. Es begleitete ihn bis zum heutigen Tag, an dem er kritisiert wird, weil er als zentrale Figur des Zerwürfnisses zwischen der Führung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) und der Spitze der Nationalmannschaft gilt. Mit überzogenen Forderungen, unter anderem nach einem hohen Bonus für die Unterschrift und einem Vetorecht bei der Neubesetzung des Bundestrainerpostens, soll der Manager der DFB-Auswahl in die Verhandlungen um die Vertragsverlängerungen für sich und Bundestrainer Joachim Löw gegangen sein. Seither haben sich die wichtigsten Personen im deutschen Fußball vier Monate vor der Weltmeisterschaft verkracht.

Im Streit zwischen DFB-Präsident Theo Zwanziger und dem Duo Bierhoff/Löw geht es weniger um Geld als um Macht. Das eingeforderte Vetorecht für Bierhoff war ein Affront für die DFB-Funktionäre. Weil die Forderung an den Kernkompetenzen von Zwanziger und Generalsekretär Wolfgang Niersbach rüttelt. Und weil sie von Bierhoff kommt.

Neid ist eine starke Triebkraft im Fußballgeschäft, in dem das Auto die Visitenkarte und die Armbanduhr der Personalausweis der Profis sind. Oliver Bierhoff bestritt im EM-Finale sein achtes Länderspiel. Er wurde in der 69. Minute eingewechselt und köpfte vier Minuten später den Ausgleich. Es war sein erstes Tor bei der EM. Sein zweites machte ihn unsterblich - ein echter Schuss ins Glück. Er wechselte zwei Jahre später zum AC Mailand. Vor allem aber wurde eine gigantische Werbemaschine angeworfen. Bierhoff ließ eine Profilanalyse erstellen und ermitteln, für welche Werte er stehe. "Daraus wurde dann eine regelrechte Unternehmenspräsentation, also eine kleine Broschüre mitsamt Videofilm erstellt", berichtete Bierhoff. Allein 1998 hatte er acht Werbeverträge, unter anderem für Joghurt, Finanzfonds und Shampoo.

Die konsequente Selbstvermarktung schürte Neid. "Es gab gerade am Anfang viel Kritik, meistens von den Jungs, die dann heimlich Briefe an die Firmen geschrieben haben, um vielleicht selber Vermarktung zu machen", sagte Bierhoff. Einem Kumpeltyp wären das Hochglanzleben vielleicht verziehen worden. Aber Bierhoff war nie ein Kumpel. Genau genommen war er ja nicht einmal ein Fußballspieler im klassischen Sinne. Kein Ehrgeizling wie Lothar Matthäus, kein Kämpfer wie Matthias Sammer. Ursprünglich wollte Bierhoff ja nicht einmal Profi werden: "Das war nie mein Traum. Mir war immer klar, dass ich studieren wollte."

In der rauen Welt des Profifußballs fiel er auf, wenn er im Mannschaftsbus für sein Fernstudium Fachbücher über Betriebswirtschaftslehre las. Und wenn das perfekt gestylte Haupthaar des Mädchenschwarms, der in seiner Jugend bei den Essener Domsingknaben gesungen hatte, nach dem Spiel immer noch so saß wie beim Anpfiff, ärgerten sich die Grätscher und Malocher.

Durch seine Sonderrolle als Quasi-Intellektueller und Italien-Profi fehlte Bierhoff die Lobby unter den Kollegen. Das könnte für ihn heute zum Fallstrick werden. Denn gerade im DFB ist ein Netzwerk überlebenswichtig. Doch in der Frankfurter Fußballzentrale ist Bierhoff im Erfolgsfall wohlgelitten; in der Krise wird er traditionell hart attackiert. Sein größter Gegenspieler ist Sportdirektor Matthias Sammer - mit dem er 1996 Europameister wurde.

Im Verband steht Bierhoff für die Klinsmannisierung des deutschen Fußballs, für die autarke Nationalmannschaft, in der für Funktionäre kein Platz mehr ist im Mannschaftshotel. Alteingesessene knurrten, dass zum Buchen der Trainingslager ja wohl kein hochbezahlter BWLer nötig sei. Bayern Münchens Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge bezeichnete ihn als "Ich-AG vom Starnberger See", Leverkusens Sportdirektor Rudi Völler riet Bierhoff zum Arztbesuch, weil "das permanente Sich-selbst-auf-die-Schulter-Klopfen" doch Schädigungen nach sich ziehen müsse.

Bislang sind die Attacken an Oliver Bierhoff abgeprallt. Doch diesmal hat er sich mit seinem mächtigen Arbeitgeber angelegt.