Bundestrainer will bis zum Sommer keine Vertragsgespräche führen - Bierhoff fühlt sich als Buhmann. EM-Auslosung brachte keine Versöhnung.

Berlin/Warschau. Im Warschauer Kulturpalast kam es gestern zu einer grotesken Situation. Bundestrainer Joachim Löw musste sich nach der Auslosung der Qualifikationsgegner für die Europameisterschaft 2012 in Polen und der Ukraine zu Kontrahenten (siehe unten) äußern, obwohl er ab Juli gar nichts mehr zu sagen haben könnte. "Ob ich dann noch Bundestrainer sein werde, wird man sehen. Mal gucken, was die Zeit bringt", sagte Löw und ging.

Nach den vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) abgebrochenen Verhandlungen über eine Verlängerung des nach der WM in Südafrika im Sommer auslaufenden Vertrages hat er seine Zukunft sogar selbst infrage gestellt. Er könne noch nicht sagen, ob er nach der WM weitermachen wolle. "Das muss man mal sehen, ob wir zu Gesprächen bereit sind. Wir hatten uns alles schon anders vorgestellt", sagte Löw. Allen Friedensbekundungen zum Trotz ging das Säbelrasseln weiter.

Zur Auslosung gestern erschien Löw mit Teammanager Oliver Bierhoff, Zwanziger kam erst später. Mittlerweile wird der Disput zwischen dem Löw-Lager und Zwanzigers DFB so offen ausgetragen, wie die Vertragsinhalte durch Indiskretionen an die Öffentlichkeit gelangten. Vor der WM, das stellt Löw klar, werde es "auf keinen Fall" ein weiteres Vertragsgespräch geben. Das habe er Zwanziger verdeutlicht.

Löw sagte: "Was mich persönlich irritiert, ist, dass manche Dinge an die Öffentlichkeit gekommen sind, die intern am Tisch besprochen wurden. Ich fühlte mich wie vor den Kopf gestoßen." Er meint das Vetorecht, das Teammanager Oliver Bierhoff für sich bei der Bestellung eines neuen Bundestrainers eingefordert hatte. Bierhoff hatte von Löw Prokura für die Verhandlungen bekommen. Er soll unter anderem auch einen millionenteuren Unterschriftenbonus für die neuen Verträge gefordert haben.

Für den DFB ist der unbequeme Bierhoff anscheinend die Wurzel des Übels. Zwanziger skizziert, es habe beim ersten Gespräch mit Löw Mitte Dezember keine Anzeichen für gravierende Unterschiede gegeben. "Die gab es erst, als Oliver Bierhoff in einem Gespräch Mitte Januar neue Fakten geschaffen hat, indem er uns Entwürfe für neue Verträge präsentiert hat. Wir wollten verlängern, doch wir wollten keinen neuen Vertrag machen", sagte er.

Was gefordert wurde, wäre einer nahezu autonomen Einheit innerhalb des DFB gleichgekommen, mit Löw und Bierhoff an der Spitze. Zwanziger stellt klar, dass so eine Machtkonzentration außerhalb des Präsidiums nicht infrage kommt: "Eine Nationalteam-GmbH mit dem DFB als Aufsichtsrat - das geht nicht."

Auch deswegen hatte er wohl zum Gegenschlag ausgeholt. Löw, dessen Trainerteam und Bierhoff bekamen einen Vertrag mit dem Ultimatum vorgesetzt, sich innerhalb von 48 Stunden dafür oder dagegen zu entscheiden. Löw reagierte darauf allergisch. "Ich lasse mir kein Ultimatum stellen", sagte er. Auch stellte er klar, dass es ihn beim DFB nur mit Bierhoff an seiner Seite geben werde: "Oliver gehört zu unserem Team."

Das aber stößt auf Unverständnis, denn Bierhoff hat nach Ansicht der Fußballbranche deutlich überzogen. So sagte DFB-Präsidiumsmitglied Franz Beckenbauer in "Bild": "Auch in Zukunft darf nur das DFB-Präsidium über den Bundestrainer entscheiden und nicht der Nationalelf-Manager." Falls die Situation eskalieren sollte, hält Beckenbauer sogar eine vorzeitige Trennung von Löw für möglich. Und Günter Netzer sagte trocken: "Oliver Bierhoff hat sich maßlos überschätzt."

Bierhoff selbst verteidigte sich gestern: "Es wird immer so getan, als ob ich allein vorgegangen wäre. Das stimmt nicht. Wir haben als Team agiert." Eine vernünftige Vorbereitung auf die WM sei durch den Eklat aber nicht gefährdet, behauptet Bierhoff. "Wir müssen alles so belassen und planen, als ob wir nach der WM weitermachen."

Zweifel seien gestattet, ob das tatsächlich geht. Der Rahmen bis zur WM ist gesteckt. Welche Rahmenbedingungen es danach gibt, ist für Löw jedoch von elementarer Bedeutung. Ob er selbst nach der Weltmeisterschaft in Südafrika dann noch mit von der Partie sein wird, ist nach diesem Wochenende allerdings mehr als fraglich.