Bochum. Die europäische Fußball-Union Uefa steht unter Schock: Der größte Wett- und Manipulationsskandal in der Geschichte stellt eine ganze Branche auf den Kopf. Nach Angaben der leitenden Staatsanwaltschaft in Bochum stehen rund 200 Spiele in insgesamt neun Ländern unter Manipulationsverdacht, darunter sogar zwölf Spiele aus der laufenden Saison in der Europa-League und drei Spiele der Champions League. In Deutschland sind vier Begegnungen der Zweiten Liga, drei Spiele der Dritten Liga, 18 Spiele in der Regionalliga, fünf Spiele in der Oberliga sowie zwei U19-Spiele (Nachwuchsbereich) in das Visier der Ermittler geraten. Seit Mitte dieses Jahres wurde versucht, mithilfe von Sportlern Spielergebnisse zu beeinflussen.

"Das ist zweifellos der größte Betrugsskandal, den es im europäischen Fußball jemals gegeben hat", sagte Peter Limacher, Leiter der Disziplinarkommission der Uefa. Europaweit wird gegen 200 Tatverdächtige ermittelt. In den vergangenen Tagen wurden in Deutschland 15 Personen festgenommen, in der Schweiz zwei weitere Verdächtige. In den beiden Ländern sowie in Großbritannien fanden über 50 Durchsuchungen statt. Dabei wurde "umfangreiches Beweismaterial sowie Bargeld" sichergestellt, sagte Andreas Bachmann von der Bochumer Staatsanwaltschaft. Die Schwerpunkte der Polizeiaktion, an der länderübergreifend mehr als 300 Beamte im Einsatz waren, liegen in Berlin, in Nürnberg und im Ruhrgebiet.

Unter den Festgenommenen sollen sich auch die Hauptverdächtigen befinden, gegen die wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs ermittelt wird. "Es handelt sich um eine zusammenhängende Personengruppe", erläuterte Friedhelm Althans von der Bochumer Polizei: "Aber es gibt einen Kopf, der das steuert." Der Polizei seien durch Telefonüberwachungen im Zuge der Ermittlung erste Verdachtsmomente zu Ohren gekommen. Untersuchungen ergaben dann, dass "hohe Bargeldbeträge auf verschiedene Wettausgänge bei Wettbüros in Europa und Asien gesetzt worden seien", so Althans. Den bisher bekannten Schaden schätzt Althans auf etwa zehn Millionen Euro. Dies sei jedoch nur die Spitze des Eisbergs. Es werde dauern, bis das Beweismaterial vollständig ausgewertet worden sei.

Zu den Drahtziehern gehören offenbar die Brüder Ante und Milan S., bereits Drahtzieher im Hoyzer-Skandal. 2005 hatte der deutsche Schiedsrichter Robert Hoyzer mehrere Spiele manipuliert. Ante und Milan S. wurden am Donnerstag festgenommen. Die Uefa wollte sich am Freitag zu möglichen Sanktionen gegenüber den betroffenen Vereinen noch nicht äußern. In Deutschland sind offenbar die beiden Auswärtsspiele des VfL Osnabrück beim FC Augsburg (0:3) und beim FC Nürnberg (0:2) in der Endphase der vergangenen Saison betroffen. Besonders brisant: Osnabrück stieg ab. Fünf Jahre nach der Hoyzer-Affäre wirft der neue Fall ein schlechtes Licht auf die Frühwarnsysteme, die eigens eingeführt wurden, um des Betrugs Herr zu werden.