Die Tränen um den verstorbenen Robert Enke sind kaum getrocknet, doch die Fußballer müssen den Weg zurück in den Alltag finden.

Düsseldorf/Hannover. Bei der Nationalmannschaft bat Joachim Löw sein Personal erstmals nach der Tragödie um den Torwart wieder zur Übungseinheit auf den grünen Rasen und richtete den Blick am Montag auf das letzte Länderspiel des Jahres. „Man muss auch wieder positiv nach vorn denken, das habe ich auch der Mannschaft gesagt“, erklärte der Bundestrainer vor der Spiel am Mittwoch in Gelsenkirchen gegen die Elfenbeinküste. In Hannover bereiten sich die Profis langsam auf das nächste Bundesliga-Spiel am Samstag bei Schalke 04 vor. „Es muss ganz ernste Argumente geben, dass wir einen Antrag auf Verlegung stellen“, sagte Clubchef Martin Kind.

Vor allem die Spieler im Dress von 96 als auch im Nationaltrikot müssen in den nächsten Stunden und Tagen einen schmerzhaften Spagat schaffen. Auf der einen Seite schlägt den Profis noch immer die Fassungslosigkeit über den sinnlos erscheinenden Tod des beliebten Kollegen Enke entgegen. Anderseits müssen sie es schaffen, „durch Trainingseinheiten den normalen Rhythmus aufzunehmen“, formulierte Löw. Auch die 96-Profis kehrten am Montag mit dem Wissen ins Training zurück, bald wieder an ihren Leistungen gemessen zu werden.

Bei der DFB-Auswahl steht Psychologe Hans-Dieter Hermann für weitere Gespräche bereit, die bei der Verarbeitung des schrecklichen Geschehens helfen könnten. Hannover hat einen „Seelsorger mit psychologischer Ausbildung“ gefunden. „Wir haben den Spielern Beratungsgespräche angeboten“, berichtet Kind. „Einzelne Spieler haben das auch angenommen.“ Der Seelsorger hat Trainer Andreas Bergmann auch bei der ersten Mannschaftsbesprechung unterstützt. Als Patentrezept aber sieht Löw die Arbeit mit einem psychologischen Experten nicht. „Das sollte jeder Club für sich entscheiden. Wir haben uns noch mit Jürgen Klinsmann 2004 entschieden, einen Sportpsychologen mit an Bord zu nehmen. Wir sind damals ein Stück weit dafür belächelt worden“, sagte Löw.

DFB-Chef Theo Zwanziger indes intensivierte die Überlegungen des Verbandes, auf die Tragödie um Enke auch zu reagieren. „Wir müssen klare Zeichen setzen. Wir können dabei helfen, ein gesellschaftliches Klima zu verändern, damit eine Tabuisierung der Depression, aber auch der Homosexualität unmöglich gemacht wird.“ Der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) entwickelte in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Montag) die Idee eines speziellen Benefiz- Spiels. „Wenn das gelingt, werden wir mit dem Geld dazu beitragen, einen ganz klaren Schwerpunkt beim Thema Depression zu setzen“, sagte der 64-Jährige. „Wenn der sinnlose Tod von Robert Enke einen kleinen Funken Sinn haben soll, dann müssen wir jetzt versuchen, zu verhindern, dass zu viele Menschen in ähnlichen Lagen zurückbleiben“, betonte Zwanziger.

Unter der Leitung von Co-Trainer Dirk Bremser standen die Spieler von Hannover 96 sechs Tage nach Enkes Tod wieder gemeinsam auf dem Trainingsplatz. Chefcoach Andreas Bergmann fehlte wegen einer Grippe. Am Samstag soll in Gelsenkirchen gegen Schalke 04 gespielt werden. Kind sagte allerdings noch: „Wir müssen abwarten, wie die Mannschaft reagiert.“ Die Mannschaft benötige einen Zielpunkt, begründete 96- Manager Jörg Schmadtke die Tendenz.

Entscheidend könnte sein, wie Florian Fromlowitz reagiert. Denn der 23 Jahre alte Torwart wird den schwierigsten Job haben – er muss anstelle von Enke im Tor stehen. „Er war besonders betroffen“, berichtete Andreas Kuhnt, der Sprecher des Vereins. Fromlowitz war in der vorigen Woche nach Hause zu seiner Familie nach Kaiserslautern gefahren, um dort Schutz und Trost zu finden.

Löw forderte als Konsequenz aus Enkes Selbstmord, künftig auch im beinharten Fußball-Geschäft sensibler mit bisherigen Tabuthemen umzugehen, „eine Schwäche zu tolerieren“ und in einer Gemeinschaft wie der Nationalmannschaft „Mut zur Menschlichkeit zu zeigen und zu leben“. Aber er bekannte sich auch ehrlich zur Nationalelf als Leistungsgesellschaft: „Wir müssen absolute Leistung bringen und absolute Spitzenleistung verlangen. Der Konkurrenzkampf um die Plätze ist auch wichtig. Das wird so sein und muss auch so sein. Darüber gibt es keine Diskussionen“, formulierte der Bundestrainer.

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