München. Wiederbelebte Münchner feiern einen vielleicht richtungweisenden Sieg. Der Interimscoach empfiehlt sich als längere Lösung.

Uli Hoeneß nickte auf der Tribüne zufrieden, auf dem Rasen hüpften die Profis des FC Bayern vor den ausgelassen feiernden Fans auf und ab: Interimstrainer Hansi Flick hat den Rekordmeister in Rekordzeit wiederbelebt und zu einem großen Clásico-Sieg gegen Borussia Dortmund geführt. Im zweiten Spiel unter dem Nachfolger von Niko Kovac sorgten Robert Lewandowski mit seinen Saisontoren 15 und 16 (17./76. Minute), Serge Gnabry (47.) und Mats Hummels mit einem Eigentor (80.) beim 4:0 (1:0) für einen dominanten Erfolg des deutschen Fußballmeisters.

Flick, der nach dem Abpfiff schnell und ohne allzu große Gefühlsregung im Kabinentrakt verschwand, empfahl sich mit der Gala gegen den BVB und zwei Zu-null-Siegen eindrucksvoll für eine längerfristige Trainerlösung in München. „Es geht nicht um meine Person. Es geht um den FC Bayern München. Für den Verein ist das eine schwierige Situation. Der Verein hat Zeit, sich Gedanken zu machen, nicht mehr und nicht weniger“, sagte Flick zur Trainerfrage. Mit seiner Frau wolle er am Abend bei einer Flasche Rotwein den Sieg feiern.

Bayern-Boss Rummenigge: Flick bleibt Trainer

Doch Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge bestätigte nach dem Spiel, dass Flick bis auf Weiteres Chefcoach bleibt: „Er hat das jetzt gut gemacht, und er hat unser Vertrauen.“ Flicks Engagement als Nachfolger von Niko Kovac war zunächst nur für die Spiele gegen Olympiakos Piräus (2:0) und Dortmund vorgesehen. „Hansi hat vor dem Spiel gesagt, die zwei Spiele sind jetzt erst mal die Ziellinie", sagte Rummenigge: "Die Ziellinie hat er heute bravourös überschritten.“ Jetzt mache man in aller Ruhe mit Flick weiter. Man müsse dem Coach ein „großes Kompliment“ aussprechen.

Auch Thomas Müller brach eine Lanze für Flick: „Kompliment an die Mannschaft. Wir haben das, was der Hansi in der kurzen Zeit einzuschleifen versucht hat, echt gut umgesetzt", sagte der Bayern-Angreifer dem Sender Sky, der große Probleme mit der Übertragung des Bundesliga-Topspiels hatte. "Wir waren mutig. Die Spieler waren durch den Trainerwechsel noch mehr gefordert, die Alibis waren weg.“

Flick gab das Lob an seine Spieler zurück: „Sie haben heute gezeigt, dass sie Fußball auch wirklich zelebrieren können. Die Mannschaft hat gewusst, dass sie in der Pflicht ist, und das hat sie gut umgesetzt.“ Lewandowski bezeichnete er als „besten Stürmer der Welt“. BVB-Trainer Lucien Favre räumte ein: „Bayern war viel besser als wir. Tempo, Ballannahme, Technik. Wir waren nicht gut. Es war eine große Enttäuschung.“

Lewandowskis Serie geht weiter

Eine Woche nach der 1:5-Demütigung bei Eintracht Frankfurt erlebten die 75.000 Zuschauer im rasanten 101. Liga-Klassiker einen FC Bayern, der sehr dominant, bestens geordnet und mit hoher Passsicherheit zu Werke ging. Angetrieben von Rekordmann Lewandowski, der als erster Bundesligaakteur an elf Spieltagen nacheinander traf, ließen die Münchner in einem intensiven Spiel den Gäste keinen Raum zur Entfaltung. Defensiv gingen die schon in der Champions League gegen Piräus ohne Gegentor gebliebenen Bayern im Vergleich zur Niko-Kovac-Zeit wie verwandelt zu Werke. „Oh wie ist das schön“, riefen die Bayern-Fans – die BVB-Anhänger verstummten.

Die von Beginn an aggressiven Bayern hätten beinahe einen Blitzstart hingelegt. Nach 40 Sekunden rettete der aufmerksame Gäste-Torhüter Roman Bürki gegen den heranstürmenden Lewandowski. Zwar hatte der BVB angekündigt, nach der von Manager Michael Zorc als „Horrorbilanz“ eingestuften Niederlagenserie mit 3:22 Toren dagegenzuhalten. Doch früh setzten die Bayern-Stars Zeichen – nur sie spielten den im Vorfeld von beiden Seiten propagierten „Männerfußball“.

Das 1:0 durch Lewandowski hinterließ Wirkung bei der Borussia. Nach einem Ballverlust von Achraf Hakimi an Kingsley Coman erzwangen die Bayern das Führungstor, in dem sie energisch nachsetzten. Letztlich fand eine Flanke von Benjamin Pavard den Torgaranten Lewandowski. Der Pole war allen entwischt und köpfte freistehend ein.

Offensiv geht beim BVB nichts

Dass es zur Pause nur 1:0 stand, war vor allem Hummels zu verdanken. Vor den Augen von Bundestrainer Joachim Löw rettete der Kapitän mehrfach in höchster Not. Hummels klopfte sich nach einer Klärungstat kräftig auf die Brust und forderte mehr Mut von den Kollegen.

Von seinem Team kam offensiv nichts. Ein Freistoß von Raphael Guerreiro, der nach 36 Minuten für Jadon Sancho kam und Löcher im Mittelfeld stopfen sollte, war die einzige Möglichkeit. Eingreifen musste Nationaltorwart Manuel Neuer aber auch hier nicht (45.).

„Die erste Halbzeit ging klar an Bayern“, sagte Löw im TV-Sender Sky in der Pause. „Die Bayern haben mehr Druck auf das Tor ausgeübt. Dortmund wirkt in der ersten Halbzeit ängstlich.“ Sein früherer Assistent Flick könne zu einer Dauerlösung werden, befand Löw.

Dortmunds Horrorbilanz in München hält an

Für Flick und sein Team ging es perfekt weiter. Einen überragenden Pass von Joshua Kimmich trieb der starke Thomas Müller nach vorne. Die Hereingabe verpasste der hart attackierte Lewandowski, doch Gnabry war zur Stelle. Bis die Bayern-Bosse auf der Tribüne aber wirklich jubeln durfte, dauerte es. Denn der Videoassistent musste erst aufklären, dass Müller nicht im Abseits gestanden hatte.

Viel fehlte nicht, und Gnabry hätte nach Zuspiel von Coman auf 3:0 erhöht. Lewandowski zielte zu genau und verpasste die Entscheidung. Erst nach Doppelpass mit Müller besorgte sie Lewandowski. Dortmund fand offensiv erst spät statt, was vor allem an der mannschaftlich geschlossenen und energischen Münchner Defensivarbeit lag.

Der nach einer Stunde zusammen mit Marco Reus eingewechselte Paco Alcácer hatte plötzlich die Chance zum 2:1 (69.). Doch dem Spanier versprang der Ball. Die Liga-Schreckensbilanz für Schwarz-Gelb in München hält an: Sechs Niederlagen und 3:26 Tore.