Eishockeystürmer Thomas Oppenheimer von den Hamburg Freezers hat eine beeindruckende Wandlung vollzogen. Er erinnert mich an den jungen Laporte“, sagt der gereifte Laporte und grinst.

Hamburg. Lob ist etwas, das Benoît Laporte sparsam verwendet. Es soll für die Eishockeyprofis der Hamburg Freezers nicht zur Gewohnheit werden, dass ihr Trainer ihnen öffentlich Honig um den Bart schmiert, sie müssen schon Außergewöhnliches leisten, um ihm besonders zu gefallen. Umso erstaunlicher klingt das, was der 53-Jährige über den Mann sagt, der sich in dieser Saison im Sog der Erfolgswelle zu einem der wichtigsten Führungsspieler gemausert hat. „Er hat genau den Charakter, den ich mir von einem Eishockeyprofi wünsche. Er lässt sich nichts gefallen, arbeitet immer hart und sagt offen, was er denkt. Er erinnert mich an den jungen Laporte“, sagt der gereifte Laporte und grinst.

Thomas Oppenheimer kannte den jungen Laporte nicht, deshalb weiß er nicht so genau, ob er sich freuen soll über dieses Lob oder ob es ihm eher unangenehm sein sollte. Aber eigentlich ist das immer so, wenn man sich mit dem 25 Jahre alten Nationalstürmer unterhält; dass man das Gefühl hat, dass ihm Lob unangenehm ist. Er verschränkt die Arme vor der Brust, das Gesicht verzieht sich, als hätte er in eine extrasaure Zitrone gebissen. Oppenheimer, immerhin eine Kante von 185 Zentimeter Länge und rund 90 Kilogramm Kampfgewicht, wirkt dann wie eine Schnecke, die sich am liebsten in ihr Haus verkriecht, um die warmen und gut gemeinten Worte daran abprallen zu lassen.

Bescheidenheit sei ihm sehr wichtig, sagt Oppenheimer. „Das ist eine Tugend, die leider immer öfter verloren geht.“ Überhaupt nicht wichtig ist ihm, seine Taten durch viele Worte noch größer erscheinen zu lassen. „Ich fühle mich besser, wenn ich mich zurückhalte.“ Dabei gäbe es in dieser Saison, in der die Freezers als Tabellenführer der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) glänzen und an diesem Sonntag (14.30 Uhr/O2 World) gegen die Adler Mannheim den 20. Heimsieg in Folge schaffen und damit einen neuen DEL-Rekord aufstellen könnten, kaum jemanden größer hervorzuheben als Oppenheimer.

Nicht nur, weil er als erst zweiter deutscher Freezers-Profi nach Jerome Flaake die magische Marke von 20 Saisontoren erreicht hat. Sondern vor allem, weil er in seiner Entwicklung den größten Sprung gemacht hat. Der gebürtige Bayer ist – sozusagen auf leisen Sohlen – zur Führungskraft gereift und gilt unter Experten nicht umsonst als der vielleicht kompletteste deutsche Angreifer der DEL.

Führungsspieler zu sein, das bedeutet für Oppenheimer, dass man sich stets in den Dienst der Mannschaft stellt, dass man bereit ist, in jedem Training hart zu arbeiten und sich der Verantwortung auch zu stellen, wenn es nicht gut läuft. All das hat er in dieser Saison unter Beweis gestellt, er war in der Phase, als die Hamburger im Oktober Tabellenschlusslicht waren, beständig in seiner Leistung. Er übernahm, als Christoph Schubert wochenlang mit Gehirnerschütterung fehlte, gemeinsam mit Duvie Westcott dessen Kapitänsamt. Und er hat sich zu einem Spieler entwickelt, dem man in der Kabine zuhört.

„Den Oppi zeichnet aus, dass er sehr ehrlich und direkt ist und seine Meinung klar ausspricht“, sagt David Wolf. Der bullige Torjäger, der sich den Status als Platzhirsch erarbeitet hat, spricht aus Erfahrung, im Training geriet er mehrfach mit Oppenheimer aneinander. Es gibt nicht viele, die sich trauen würden, Wolf körperlich und verbal Kontra zu geben. Oppenheimer tut es, so etwas verschafft ihm Respekt. Wolf schätzt ihn dafür sehr. In der Kabine sitzen beide nebeneinander.

Dass Wolf und auch Flaake an seiner Wandlung einen wichtigen Anteil haben, wird deutlich, wenn Oppenheimer über seine Neigung spricht, sich selbst zu sehr unter Druck zu setzen. Als er in der Spielzeit 2006/07 als 17-Jähriger für die Frankfurt Lions seine ersten DEL-Spiele machte, galt er als neues deutsches Supertalent. Solche Wertungen können sensiblen Menschen mehr zu schaffen machen, als sie sich zunächst eingestehen.

„Ich habe früher viel zu viel gegrübelt, habe schlechten Leistungen zu lange nachgehangen. Jetzt versuche ich bewusst, mich über Kleinigkeiten zu freuen“, sagt er. Sein Fernstudium in Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftspsychologie helfe ihm, den Kopf von den ständigen Gedanken an seinen Beruf zu befreien. Auch die Gespräche mit Freundin Susanne, mit der er in Stellingen lebt und die er im Mai heiraten will, tun ihm gut.

Im Schatten eines extrovertierten Aufmischers wie Wolf oder eines hochbegabten Torjägers wie Flaake aufblühen zu können, ist deshalb ein Segen für einen kopfgesteuerten Spieler wie Oppenheimer, der kein Problem damit hat, nicht immer im Mittelpunkt zu stehen. Dass die Fans auch ihn lieben, weiß er ja, die „Oppenheimer, Oppenheimer, hey, hey“-Gesänge sind in der Arena ein Ohrwurm geworden, und natürlich freut er sich darüber. „Aber ich denke, dass in dieser Saison kein Spieler hervorgehoben werden sollte, weil wir als Team überragend funktionieren.“

Erklärungen dafür zu finden, warum ihm in dieser Saison der Sprung vom Leistungsträger zum Führungsspieler gelungen ist, hält Oppenheimer für verschenkte Zeit. Er fühle sich sehr wohl in seiner Sturmreihe mit Phil Dupuis und Nico Krämmer, und natürlich steige das Selbstvertrauen proportional zum Erfolg der Mannschaft an. Aber weil ihm nur dieser Teamerfolg wichtig ist und nicht die persönlichen Statistiken, will er das nicht überbewerten, sondern weiter Gas geben. Er träumt vom Finaleinzug mit den Freezers und davon, anschließend seine erste WM für Deutschland spielen zu dürfen. Thomas Oppenheimer will kein Lob. Er will einfach nur immer gewinnen.