Der Kapitän des Eishockeyteams Freezers über die Folgen seiner Gehirnerschütterung und die Unterstellung, er sei selbst schuld daran.

Hamburg. Als der Druck in seinem Kopf so stark war, dass er es nicht ohne Schwindelanfälle schaffte, zwischen Sofa und Bett zu pendeln, da waren sie plötzlich da, diese Gedanken. Was wäre, wenn ich nie wieder Eishockey spielen kann? Christoph Schubert hat sie weggeschoben wie Gegenspieler auf dem Eis. Bloß nicht zu lange damit beschäftigen! „Es waren auf einmal so viele Fragen in meinem Kopf, dass ich mich gar nicht damit belasten wollte“, sagt der Kapitän der Hamburg Freezers.

Am 27. September hatte der 31-Jährige im Heimspiel gegen die Iserlohn Roosters bei einem Check des Tschechen Richard Jares eine Gehirnerschütterung erlitten. Seitdem hat Schubert kein Spiel mehr bestritten, er hat fünf Wochen Leidenszeit hinter sich, „die ich niemandem wünschen würde“. Lange hat er darüber geschwiegen, teils um sich selbst zu schützen, weil bei Gehirnerschütterungen Ruhe erste Krankenpflicht ist, aber auch weil er einfach nicht in der Verfassung war, um Gespräche zu führen. Aber am Mittwochvormittag brach der Bayer sein Schweigen. 35 Minuten lang hatte er mit dem ebenfalls verletzten Johan Ejdepalm (Innenbandriss im Knie) und dem rekonvaleszenten Torhüter Dimitrij Kotschnew (Kreuzbandriss) sein erstes Eistraining absolviert. Im Anschluss stellte er sich in kleiner Runde, und was er zu sagen hatte, war eindrucksvoll.

Vor allem der Umgang mit seiner Verletzung hat den langjährigen Nationalspieler ins Grübeln gebracht. Dass Jares sich nicht bei ihm entschuldigt hat, macht ihn traurig, viel schlimmer findet er jedoch, dass es für den Übeltäter nachträglich keine Sperre gab, obwohl die Verletzungsfolge eindeutig nachgewiesen werden konnte. Mehr noch: Von einigen Experten wurde Schubert unterstellt, er sei selbst schuld an seiner Verletzung, weil er sich in den Check hineingedreht habe. „Da frage ich mich schon, ob das alles noch normal ist“, sagt er. Besonders bedenklich ist Schuberts Anschuldigung, Schiedsrichter Alfred Hascher habe ihm nach dem Foul gesagt, er solle sich nicht so anstellen und kein Weichei sein.

Schubert verzichtet auf Schmerzmittel

Bei der Deutschen Eishockey-Liga ist der Vorwurf bekannt. Der Schiedsrichter-Beauftragte Holger Gerstberger sagte, Hascher habe seine Worte aufmunternd gemeint. „Die Kommunikation auf dem Eis ist manchmal rau, aber der Schiedsrichter hat mir versichert, dass er Schubert in keiner Weise verhöhnen wollte. Jeder weiß, dass Schubert alles andere ist als ein Weichei.“

Fürwahr: Obwohl die Begleiterscheinungen schlimmer waren als bei den zwei vorangegangenen Gehirnerschütterungen, die Schubert bereits erlitten hatte, verzichtete er komplett auf die Einnahme von Schmerzmitteln. Gerade weil das Thema Gehirnerschütterungen in der DEL spätestens nach dem erzwungenen Rücktritt des Berliners Stefan Ustorf im März besondere Aufmerksamkeit erlangt hatte, hätte sich Schubert ein anderes Vorgehen gewünscht. „Aber ich fürchte, man wird das nie in den Griff bekommen, weil einigen Spielern der Respekt fehlt.“ Schubert darf das sagen, denn auch wenn er selbst oft genug austeilt, hat er doch die Größe, sich wenigstens zu entschuldigen, wenn er andere verletzt hat.

Dieser Mittwoch soll, das hoffen sie bei den Freezers alle, einen Wendepunkt markieren. Von nun an will Schubert nur nach vorn schauen. Er ist seiner Verlobten Janina, die sich rund um die Uhr nicht nur um den im Juni geborenen Sohn Lenni, sondern auch um ihn gekümmert habe, ebenso dankbar wie der medizinischen Abteilung um Teamarzt Jan Schilling, die alles gibt, um die Genesung voranzutreiben. Allerdings, sagt Schilling, könne man eventuelle bleibende Schäden derzeit noch nicht absehen. „Wir dürfen nichts überstürzen. Erst wenn Christoph nach allen Belastungen, die wir täglich steigern, komplett symptomfrei bleibt, kann er wieder spielen.“

Ende November, hofft Schubert, soll seine Rückkehr Realität werden. Was wäre, wenn es nicht klappt? Bloß nicht drüber nachdenken!