Nach einer starken Vorbereitung hoffen die Freezers mit Teamgeist, System und vielen Neuzugängen auf eine erfolgreiche Saison.

Hamburg. Christoph Wulf ist einer von zwei Pressesprechern der Hamburg Freezers. Er ist es gewohnt, dass sich die Anfragen der Medienvertreter in den Tagen vor dem Saisonstart, der den Hamburgern an diesem Freitag (19.30 Uhr, O2 World) ein Eröffnungsspiel gegen die Adler Mannheim beschert, häufen. Dass ihn allerdings Trainer Benoît Laporte auf Trab hielt, damit hatte Wulf weniger gerechnet. „Sind die Anzüge schon da?“, fragte der 50-Jährige mehrfach. Wulf konnte den Chefcoach irgendwann beruhigen: Mit dem Start der Saison 2011/12 in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) kann Laporte neben einem wieder einmal runderneuerten Team einen neuen Dress-Code präsentieren.

Zu Heimspielen müssen alle Spieler Ausgehanzug und Krawatte tragen. „Wenn man ins Theater geht, ist es etwas Besonderes, und jeder zieht sich dementsprechend an. Ich will, dass für uns jedes Heimspiel etwas ganz Besonderes ist. Wir wollen etwas hermachen, auf und neben der Eisfläche“, sagt der Coach, der mit dieser Aktion seine Detailverliebtheit unterstreicht.

Dass die neue Saison in vielerlei Hinsicht eine ganz besondere ist, daraus machen die Verantwortlichen keinen Hehl. Nach zwei Jahren ohne Play-off-Teilnahme sind die Freezers den Fans gegenüber in der Bringschuld. Zudem steht immer noch der Verkauf des Klubs durch den bisherigen Eigner Anschutz Entertainment Group (AEG) im Raum. Nur mit sportlichem Erfolg schürt man Interesse bei Investoren und sorgt für eine gut gefüllte Arena. Damit das gelingt, wurde der Etat in Höhe von 6,8 Millionen Euro beibehalten. Nimmt man die fünfwöchige Vorbereitung als Maßstab, besteht Hoffnung, dass sich tatsächlich alles zum Guten wendet.

Zum ersten Mal seit langem erkennt man wieder ein Spielsystem. Wurden in den vergangenen zwei, drei Jahren die Pucks oft sinnlos ins Angriffsdrittel gedroschen, gibt es jetzt ein durchdachtes, kreatives Aufbauspiel zu bestaunen. Großen Anteil daran haben die neuverpflichteten Mittelstürmer Rob Collins, Serge Aubin und Jesper Jensen. „Das war unsere Achillesferse im letzten Jahr. Wir haben deutlich mehr Kreativität und Qualität auf der Center-Position. Aber ich finde, dass wir uns insgesamt auf allen Positionen verstärkt haben“, sagt Sportdirektor Stéphane Richer, der erfreut zur Kenntnis nimmt, dass sich die zwölf Neuzugänge nahtlos ins Team einfügt haben.

„Es geht letztlich nur über den Teamgeist. Wir spielen die schnellste Mannschaftssportart der Welt. Wenn der eine hüh und der andere hott denkt, funktioniert es nicht“, sagt Rückkehrer Patrick Köppchen, der wie der neue Kapitän Christoph Schubert dafür sorgt, dass jeder im Team mit einbezogen wird. Auch ein erfahrener Stürmer wie Brett Engelhardt trägt zum neuen Wir-Gefühl bei. Weil er festgestellt hat, dass die jungen Spieler in ihren Single-Haushalten morgens nicht frühstücken, hat er Toaster gekauft und sorgt für Brot und Aufstrich, damit vor dem Training gemeinsam gegessen werden kann. Auch auf dem Eis herrscht deutlich mehr Kommunikation untereinander. Es wird aufgemuntert, abgeklatscht und angefeuert. Wie gefestigt dieses Konstrukt letztlich wirklich ist, wird sich erst im Misserfolgsfall zeigen. Die Ansätze jedenfalls sind zu erkennen.

Und diese schlugen sich auch in den Testspielen nieder. Von acht Partien verloren die Freezers nur eine nach 60 Minuten. Auffällig: In sieben Vorbereitungspartien verschliefen Laportes Männer die Anfangsphase und gerieten in Rückstand. Zudem hatte das Team in vielen Spielen noch Defizite in der Rückwärtsbewegung, die aber häufig vom neuen Torhüter John Curry ausgebügelt wurden. Allerdings, und das machte die Vorbereitung deutlich, fanden sich die Spieler nicht mit Rückschlägen ab, sondern kämpften sich zurück. „Das ist die positive Sichtweise. Wir haben die richtige Einstellung. Aber dennoch: An der Lethargie in der Anfangsphase müssen wir arbeiten. In der DEL kann dir so etwas das Genick brechen. Aber ich mache mir keine Sorgen“, sagt Laporte selbstbewusst.

Ohnehin wirkt der kanadische Übungsleiter motiviert wie selten. Bei den Trainingseinheiten präsentierte er sich ähnlich laufstark wie seine Spieler. Wie ein Irrwisch fegte der Frankokanadier beim Erklären seiner Übungen über das Eis. Man spürt seine Vorfreude auf die Saison mit dem Team, das er maßgeblich zusammengestellt hat. „Wir sind auf einem guten Weg. Ich bin hier, um Erfolg zu haben. Die Jungs haben fünf Wochen richtig gut mitgezogen und haben verinnerlicht, was ich erwarte. Wir sind bereit für den Saisonstart“, sagt der Coach, der Ende Dezember 2010 das Ruder von Richer übernahm, der mit der Doppelfunktion Trainer/Sportdirektor überfordert gewesen war.

Was jetzt noch fehlt, ist der taktische Feinschliff. Aufgrund von Verletzungen einiger Akteure war es kaum möglich, Über-und Unterzahl zu trainieren. Um die Spieler an die neue Heimat zu gewöhnen, absolvierten die Freezers ihre letzten drei Einheiten vor dem Mannheim-Spiel in der O2 World. In der vergangenen Saison verzichtete der damalige Trainer Richer darauf. Die Folge: Die Spieler fühlten sich nicht heimisch und von der Atmosphäre erdrückt, was dazu führte, dass der Heimauftakt mit 0:3 gegen Köln verloren ging. „Diesmal sind wir besser vorbereitet. Wir haben alle Mann an Bord und wollen versuchen, unseren Fans einen tollen Start zu bieten“, sagt Laporte.

Auf ihre Anhänger scheinen sich die Freezers auch in dieser Saison verlassen zu können. 2300 Dauerkarten setzte der Klub ab, einen Schnitt von 8000 peilen die Verantwortlichen an. Für die Partie gegen die Adler sind bereits mehr als 9000 Tickets verkauft. Beim Anhang ist die Vorfreude also groß. Die neue, attraktive Spielweise wurde bei den Testspielen in Hamburg mit viel Applaus gewürdigt. In den Fan-Foren im Internet ist die Erwartungshaltung groß. Während ein Großteil sich mit der direkten Play-off-Teilnahme zufrieden gibt, träumen andere sogar vom Titel.

Bei derartigen Gedankenspielen muss Trainer Laporte schmunzeln. „Wir wollen besser sein als vergangene Saison. Die DEL wird erneut sehr ausgeglichen sein. Da wird es auf Details ankommen“, sagt Laporte. Aber mit Details kennt er sich ja aus.