Bahrain sagt wegen der Unruhen im Königreich den Saisonstart am 13. März ab. Bernie Ecclestones Geschäftspolitik steht auf dem Prüfstand.

Hamburg/Manama. Bernie Ecclestone führte gestern in seinem Büro am Princes Gate in London noch ein letztes Telefonat mit dem Kronprinzen von Bahrain, Scheich Salman bin Hamad al-Chalifa. Dann überließ es der 80-jährige Formel-1-Manager seinem Vertragspartner am Persischen Golf, eine Nachricht von historischem Wert zu verkünden. "Zum jetzigen Zeitpunkt gilt die gesamte Aufmerksamkeit unseres Landes dem Aufbau eines neuen Dialogs für Bahrain", verlautete aus dem Königreich.

+++KOMMENTAR: WO AUTORENNEN SINNLOS SIND+++

Zum ersten Mal in der 62-jährigen Geschichte der Formel 1 wurde damit ein Rennen aus politischen Gründen abgesagt. Die Saison 2011 wird nicht am 13. März im Unruhestaat Bahrain beginnen, sondern zwei Wochen später am anderen Ende der Welt, in Melbourne.

Die gewalttätigen Auseinandersetzungen um die Freiheits- und Demokratiebewegung in Bahrain haben "Business as usual" im kleinen arabischen Königreich unmöglich gemacht. Ein mondänes Formel-1-Wochenende im gewohnt entspannten Luxusambiente der Vollgasbranche ist undenkbar, wenn auf den Straßen Menschen sterben. Als das britische Außenministerium am Sonntag in einer Reisewarnung bat, von "allen nicht notwendigen Fahrten" nach Bahrain abzusehen, hatte Formel-1-Chef Ecclestone keine Chance mehr, das Rennen zu halten.

Unklar war gestern, ob das Rennen in Bahrain komplett aus dem Kalender gestrichen oder nachgeholt wird. Im Gespräch ist ein Termin im November, unmittelbar vor dem Großen Preis im benachbarten Abu Dhabi. Nur so könnten die Scheichs ihr Antrittsgeld von 35 Millionen Dollar retten.

"Das Wichtigste ist im Moment, dass Bahrain wieder unter Kontrolle kommt", sagte der WM-Dritte Mark Webber. "Die Formel 1 ist dort gerade jetzt nicht wichtig. Wenn man hört, dass Menschen ihr Leben verlieren, ist das eine Tragödie." Auch Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug setzte andere Prioritäten als schnelle Rundenzeiten: "Die Sicherheit unserer Angestellten ist das wichtigste. Wir begrüßen die Entscheidung, den Grand Prix abzusagen."

Schon einmal, gleich bei seiner Premiere, war vor dem Rennen in Bahrain Sand ins Getriebe der Formel 1 geraten. Als Michael Schumacher am 4. April 2004 in der Sakhir-Wüste den ersten Formel-1-Grand-Prix im arabischen Raum gewann, war es ein lässlicher Nebeneffekt, dass er nach dem Rennen aus religiösen Gründen auf die gewohnte Champagnerdusche verzichten musste. Wochenlang war zuvor über Sinn und Unsinn gerade dieses Rennens drei Wochen nach den verheerenden Terroranschlägen in Madrid diskutiert worden. Schwer bewaffnete Soldaten schützten den International Circuit Bahrain.

Moralische Bedenken gehörten bisher nicht zu einer Sportart, die auch nach tödlichen Unfällen weitermachte, als wäre nichts geschehen. Eine Militärjunta in Argentinien, die ihr Land rücksichtslos regierte? Kein Problem: Zwischen 1971 und 1983 fuhren die Rennwagen in Buenos Aires im Kreis. Die Apartheid in Südafrika, die das Mehrheitsvolk am Kap brutal unterdrückte? Auch hier keine Skrupel. Zwischen 1962 und 1993 trat die Formel 1 in Südafrika auf. Die früheren Diktaturen in Spanien und Portugal störten die Vollgasbranche ebenfalls nicht.

Im neuen Jahrtausend drehen sich die Räder schneller. Bernie Ecclestone suchte neue Absatzmärkte und Geldquellen für sein Zwei-Milliarden-Euro-Geschäft im nahen und fernen Osten. In China und Bahrain wird seit 2004 gefahren, in Abu Dhabi seit 2009. Die Formel 1 läuft wie geschmiert. Ecclestone mag Gesprächspartner, die sein Geschäftsmodell nicht hinterfragen und Kritiker im eigenen Land klein halten. So fand er es auch "traurig, dass Bahrain das Rennen zurückziehen musste".

Wer selbst autokratisch herrscht, mag Sympathien für Diktatoren hegen. Gegenüber britischen Medien meinte Ecclestone einmal, Hitler sei in der Lage gewesen, "Dinge zu erledigen". Und nur ein Mann wie Saddam Hussein habe den Irak kontrollieren können "und zu einem stabileren Land gemacht". Es müsse eben Leute geben, "die das Licht ein- und ausschalten".

Am Circuit de Catalunya in Barcelona erloschen die Lichter gestern am späten Nachmittag. Die Formel-1-Teams, die ihre vorerst letzten Testfahrten mit einer Bestzeit von Felipe Massa im Ferrari beendeten, werden aber bald zurückkehren. Die ursprünglich Anfang März in Bahrain geplanten Trainingsrunden wurden nach Barcelona verlegt. Ins alte Europa.