Mit seinem Sieg in Montreal schreibt Lewis Hamilton Formel-1-Geschichte. Sebastian Vettel wird Vierter, Schumacher scheidet aus.

Montreal. Lewis Hamilton hat die verrückte Geschichte der Formel-1-Saison 2012 fortgeschrieben. Der Weltmeister von 2008 gewann am Sonntag in seinem McLaren-Mercedes auf der Île Notre Dame in Montreal den Großen Preis von Kanada und war damit der siebte Sieger im siebten Saisonrennen. Ein Rekord, den es seit 1950 noch nicht gegeben hat.

Mit dem Union Jack in der Hand fuhr der Sieger jubelnd durch die Boxengasse - es war sein erster Sieg seit dem 13. November 2011 in Abu Dhabi. Hamilton hatte an diesem Tag das schnellste Auto und sein Team die beste Strategie. Der Engländer ging zweimal an die Boxen, um neue Reifen zu fassen - der Spanier Fernando Alonso im Ferrari nur einmal. In der Schlussphase flog Hamilton mit frischen Reifen förmlich an Alonso und dem zu dem Zeitpunkt noch drittplatzierten Sebastian Vettel im Red Bull vorbei. Hamilton hatte den ersten Sieg längst verdient, er war in den meisten Rennen des Jahres vorn dabei, hatte aber am Ende immer Pech. Jetzt übernahm er mit seinem Erfolg auch die Führung in der Weltmeisterschaft mit 88 Punkten vor Alonso (86) und Vettel (85). Das Rennen ist offen. "Hamilton und McLaren haben an diesem Tag alles richtig gemacht", sagte Altmeister Niki Lauda. "Ein perfektes Rennen." McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh sagte: "Wir haben etwas riskiert und am Ende auch das nötige Glück gehabt."

+++ Großer Preis von Kanada +++

Vettel selbst traute seinen Reifen am Ende nicht mehr und leistete sich im Reifen-Poker doch noch einen Stopp. In der 67. Runde berührte er die Betonmauer "Wall of Champions" auf der Zielgeraden und fuhr dennoch die schnellste Rennrunde in diesem Umlauf. Im Ziel reichte es für den Weltmeister noch zum vierten Platz. Lauda monierte, dass Vettel mit anderer Strategie mehr hätte erreichen können. Vettel kann in Montreal einfach nicht gewinnen. Auch im vierten Anlauf reichte es für den Champion trotz seiner Poleposition nicht zum Sieg. "Der Reifen ist schleichend eingebrochen", sagte Vettel. "Man hat es lange nicht gemerkt. Hätten wir das früher gewusst, hätte ich es anders gemacht." Trotzdem wertete er das Rennen positiv: "Es war ein gutes Wochenende für uns, wir haben wichtige Punkte geholt und viel gelernt."

Dabei hatte Vettel beste Vorarbeit geleistet und ungeachtet des Verbots des löchrigen Unterbodens an seinem Wagen die Konkurrenz im Qualifying dominiert. Als dann am Sonntag bei fast 30 Grad und herrlichem Sonnenschein über der Île Notre Dame die roten Ampeln ausgingen, verteidigte Vettel souverän seine Position. Allerdings verlor er die Führung beim ersten Boxenstopp.

Hamilton überholte zunächst Alonso und hielt dann seine Verfolger auf Distanz - bis zum zweiten Reifenwechsel in der 50. Runde. Der Stopp verlief nicht optimal. Alonso und Vettel blieben zunächst auf der Strecke, Hamilton reihte sich hinter ihnen ein. Doch mit den frischen Reifen fuhr der Brite eine schnellste Runde nach der anderen.

Während der Spanier und der Deutsche sich scheinbar mit nur einem Boxen-Stopp ins Ziel retten wollten, holte Hamilton Sekunde für Sekunde auf.

Alonsos Poker mit den Reifen ging schief. Am Ende musste sich der Spanier mit stark nachlassenden Reifen dem Franzosen Romain Grosjean im Lotus, dem Mexikaner Sergio Perez im Sauber und auch Vettel geschlagen geben.

Michael Schumacher wäre gern der siebte Sieger des Jahres gewesen. Doch erneut streikte in der 46. Runde sein Mercedes-Silberpfeil. Diesmal war es das DRS-System am verstellbaren Heckflügel, das sich nicht mehr regulieren ließ. Es war bereits der fünfte Ausfall im siebten Saisonrennen.

Schumacher rätselte an der Box: "Ich gehe davon aus, dass eines der Kabel sich verklemmt hat." Sarkastisch meinte der siebenmalige Weltmeister: "Zum Glück ist es mein Auto, dann kann Nico wenigstens die volle Punktzahl einfahren." Aber er nahm das Team in Schutz: "Man kann niemandem einen Vorwurf machen. Unsere Autos sind Prototypen, da können solche Dinge immer passieren. Die Jungs haben mein hundertprozentiges Vertrauen." Schumacher erlebt bei Mercedes derzeit das, was seine Teampartner in Glanzzeiten bei Ferrari erleben mussten - wenn etwas am Auto passierte, geschah es fast immer bei seinen Teamkollegen, zum Beispiel Rubens Barrichello.

Nico Rosberg landete allerdings nach einem unauffälligen Rennen nur auf dem sechsten Platz und verlor in der WM-Wertung weiter an Boden. "Ich habe in den ersten Runden keinen Rhythmus gefunden", sagte Rosberg, der sich zwar über gute Kämpfe mit Felipe Massa im Ferrari und Sauber-Mann Perez freute, aber nie mit der Spitze mithalten konnte. Warum der Mercedes zwischenzeitlich gut genug für schnellste Runden war, müssen die Techniker klären. Das Auto galt vor dem Rennen als Sieganwärter.

Nico Hülkenberg belegte im Force India den zwölfen Rang. Timo Glock kam im technisch unterlegenen Marussia nicht ins Ziel.

Könnte es einen Weltmeister mit nur einem einzigen Sieg geben? "Das glaube ich nicht", sagte Vettel.