Der Altmeister träumt beim Großen Preis von Kanada vom Comebacksieg in der Formel 1. Ferrari heizt Wechselgerüchte um Vettel an.

Montreal. Fernando Alonso und Sebastian Vettel waren einer Meinung: Der nächste Rennfahrer, der nach einem Formel-1-Rennen ganz oben auf dem Podest stehen könnte, ist Michael Schumacher. "Er kann auf jeden Fall in diesem Jahr noch gewinnen", werden die beiden Platzhirsche der Vollgasbranche zitiert. Der Altmeister weiß, dass er an diesem Wochenende beim Großen Preis von Kanada (Sonntag, 20 Uhr, RTL und Sky) die bislang größte Chance dazu hat. Er wäre der siebte Sieger im siebten Saisonrennen. "Die Sieben", sagt Schumacher, "ist so ein bisschen der Magnet an diesem Wochenende." Man darf ja mal träumen.

Der 4361 Meter lange Circuit Gilles Villeneuve auf der Ile Notre Dame im Sankt-Lorenz-Strom ist für Schumacher, der hier schon siebenmal gewann, und für den Mercedes-Silberpfeil maßgeschneidert. Langsame Kurven und lange Geraden wie auf diesem Stadtkurs haben sich in dieser Saison als Stärken des Modells W03 erwiesen. "Auf diesem Typ Strecke, wie auch in Monte Carlo, können wir schnell sein", sagte Schumacher. Die einzige Einschränkung: Wenn etwas in dieser Formel-1-Saison gilt, dann ist es die Unwägbarkeit.

Schumacher, 43, selbst trat in Montreal entspannt wie selten in seiner zweiten Karriere auf. Warum, warf er in den Raum, sollte er nicht gewinnen? "Wenn man die Zeit des Comebacks bis heute nimmt, sind wir so nah dran wie noch nie, ein gutes Resultat zu erzielen", sagte der siebenmalige Weltmeister. Dieser Sieg, auch wenn es nur einer wäre, ist die tiefere Motivation hinter seiner Rückkehr auf die Rennstrecken der Welt. Es der Konkurrenz einmal noch gezeigt zu haben, dafür hätte sich die Arbeit der vergangenen drei Jahre gelohnt. Auch Niki Lauda, der zehn Jahre vor Schumachers erstem WM-Titel zuletzt Champion war, glaubt: "Michael wird gewinnen, wenn alles passt." Im Oktober 2006 hatte Schumacher in Shanghai seinen 91. und bis dato letzten Triumph herausgefahren - damals noch für Ferrari. Zwei Rennen später ging er in den Ruhestand.

Bislang musste Schumacher in diesem Jahr alle Meriten des neuen Silberpfeils seinem 17 Jahre jüngeren Teampartner Nico Rosberg überlassen. Rosberg kommt beständig ins Ziel, ist in der WM-Tabelle 17 Punkte hinter dem führenden Ferrari-Piloten Fernando Alonso noch im Titelrennen und feierte in Shanghai den ersten Mercedes-Erfolg in der Formel 1 seit 1955. Der Silberpfeil ist im dritten Jahr des deutschen Formel-1-Projekts endlich ein potenzielles Siegerauto. "Zumindest für Nico ist sogar noch die WM möglich", räumte Schumacher ein. Für ihn selbst blieben bislang nur Krümel übrig. Ganze zwei Punkte stehen nach sechs Rennen auf seinem Konto. Auf dem Podium stand er seit seinem Comeback noch nie.

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Und doch ist sich die Szene einig. Schumacher ist bisher unter Wert geschlagen worden. Beim Klassiker in Monte Carlo zauberte er im Qualifikationstraining die Bestzeit auf die Piste. Nur eine Panne an seinem Mercedes verhinderte, dass er die Früchte ernten konnte. Wenn er jedesmal problemlos ins Ziel gekommen wäre, haben Schumacher-Fans ausgerechnet, "könnte ich sogar die WM anführen", behauptete er in Kanada. Mit Ausnahme des Rennens in China habe er immer Rosbergs Tempo halten können. Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug verteidigte seinen Fahrer: "Michael war mehrfach von technischen Problemen verfolgt. Es muss jetzt unsere Priorität sein, ihm ein problemfreies Wochenende zu ermöglichen. Er hat in Monte Carlo gezeigt, dass er vorne dabei sein kann."

Weltmeister Sebastian Vettel geht mit dem Handicap eines veränderten Unterbodens in den Kanada-Grand-Prix, nachdem die Regelhüter des Weltverbandes einen Techniktrick seines Teams als illegal eingestuft hatten. "Das ist ein bisschen Zirkus", ärgerte er sich, machte sich aber sogleich wieder Mut. "Es wird bestimmt keinen großen Einfluss haben."

Derweil hat Ferrari die Wechselgerüchte um Vettel weiter angeheizt. "Er ist ein Weltmeister, an dem Ferrari in der Zukunft Interesse hat", sagte Teamchef Stefano Domenicali. Und fügte hinzu: "Sag niemals nie." Wann diese Zukunft sein werde, sagte der Italiener nicht. Vettels Vertrag bei Red Bull läuft bis 2014. Es gibt allerdings eine Ausstiegsklausel für 2013. Der letzte Deutsche bei Ferrari war Michael Schumacher. Und der hat nach seiner Unterschrift fünfmal den Titel gewonnen.

Eine Fahrerpaarung mit zwei Alphatieren hat in der Geschichte der Formel 1 immer wieder zu Konflikten geführt. Alain Prost und Ayrton Senna bekämpften sich bei McLaren ähnlich gnadenlos wie Nigel Mansell und Nelson Piquet bei Williams. Und bei Ferrari würde nun Fernando Alonso auf Vettel treffen. Der Spanier hat einen Vertrag bis 2016 und wegen seiner überragenden Leistungen mit unterlegenem Material das gesamte Team hinter sich gebracht. Zurückstecken wird er niemals. Vettel aber auch nicht.