Hamburg. Ex-HSVer soll neuer FCB-Trainer werden. Ist ausgerechnet die neunte Wahl die beste Lösung? Erinnerungen an ein Treffen in Manchester.

Anhänger des HSV, die in den vergangenen Tagen an der Vorstandssuche des Aufsichtsrats verzweifelten, hatten einen zuverlässigen Rettungsanker: den FC Bayern. Denn auch wenn die HSV-Suche mit öffentlich gewordenen Gesprächen mit Felix Magath und Jörg Schmadtke und dem Interesse an Oliver Bierhoff und Ralf Rangnick zumindest skurril wirkte, lieferten Bayerns Verantwortliche das deutlich unterhaltsameres Popcornkino. Es hagelte Absagen: von Xabi Alonso, Julian Nagelsmann, Ralf Rangnick, Oliver Glasner und vom eigentlich längst entlassenen Thomas Tuchel. Auch die ins Spiel gebrachten Roger Schmidt, Roberto De Zerbi und Unai Emery sollen keine Lust gehabt haben. Und nun also Vincent Kompany.

Kompany? Genau! Der frühere HSV-Profi, der als Trainer in Anderlecht scheiterte und mit dem FC Burnsley gerade in die Zweite Liga in England abgestiegen ist. Dieser Kompany soll nun tatsächlich als Wahl Nummer neun den Rekordmeister wieder auf Trab bringen. In Bayern müsste man wohl sagen: Seids ein bissl deppert?

Früher HSV, jetzt Bayern? Kompany spricht vier Sprachen

Doch Fußball wäre nicht Fußball, wenn ausgerechnet die Seids-ein-bissl-deppert-Wahl genau die richtige Lösung für die strauchelnden Bayern sein könnte. Vincent Kompany also. Geboren im belgischen Ukkel, wo man zweisprachig (Niederländisch und Französisch) aufwächst. Doch Kompany ist nicht „man“ – und so konnte er bereits als Teenager auch fließend Englisch und Deutsch. Unvergessen sein erster Auftritt als 20-Jähriger im edlen Nadelstreifenanzug beim HSV, als er auf Deutsch von seinen Träumen und Zielen berichtete.

Der 1,90 Meter große Belgier war schon immer ein wenig anders. Als Jungprofi sprach er von der Börse, Philosophie, Afrika-Hilfe, dem neusten Buch von Paulo Coelho und von seinem Studium zum Wirtschafts-Ingenieur. Als Fußballer war Kompany edler Techniker, kompromissloser Verteidiger und Anführer auf dem Platz zugleich.

Bei Manchester City war Kompany die rechte Hand von Guardiola

Wie er als Mensch tickt, konnte man bei einem Besuch in Manchester erfahren. Dort spielte Kompany elf Jahre lang, war Kapitän, die rechte Hand von Pep Guardiola. Vor dem Duell gegen seinen Ex-Club gab es ein Interviewtermin in einem kleinen, unpersönlichen Besprechungszimmer auf dem Trainingsgelände. Mittags gegen 12 Uhr. Alles war vorbereitet – nur Kompany kam nicht. Nicht um 12 Uhr, nicht um 13 Uhr, nicht um 14 Uhr.

Irgendwann kam eine aufgeregte Mitarbeiterin der Presseabteilung, entschuldigte sich und sagte, man habe Kompany den falschen Tag gesagt. Und nun? Extra aus Hamburg angereist, der Flieger ging am nächsten Tag wieder zurück – und der Interviewpartner war schon längst in den eigenen vier Wänden. Die Lösung: ein kurzes Telefonat.

Mehr zum Thema

Der Fußballer, der gar nichts für den Fauxpas konnte, entschuldigte sich vielmals und bat darum, ob er es abends in der Stadt mit einem Abendessen wiedergutmachen könne. Aus dem vom Verein genehmigten 20-Minuten-Interview wurde ein Dreistundentermin – in einem der besten Restaurants der Stadt. Als Journalist darf man sich nicht einladen lassen – aber in diesem einen Fall konnte man auch einmal eine Ausnahme machen. Schließlich bestand Kompany darauf, den Fehler (von der Presseabteilung) glatt zu bügeln. Er sprach über sein neues Leben in England, über den Fußball auf der Insel und den Bombenanschlag in Manchester 1996.

Doch kann der außergewöhnliche Fußballer Kompany und der besondere Mensch Vincent auch Trainer?

Einer, der diese Frage mit einem überzeugenden „Yes, he can“ beantwortet, ist Pep Guardiola. Der spanische Erfolgstrainer ist so eine Art Trainerziehvater von Kompany. Der Belgier soll sich in den gemeinsamen Jahren in Manchester viel von Guardiola abgeschaut haben. Bayern-like steht auch er auf totalen Ballbesitz-Fußball, lässt das Spiel von hinten mit ganz viel Pep-Dominanz aufbauen, die Außenverteidiger rücken ein, im Mittelfeld wird verschoben, der Torwart soll mitspielen.

Eine wilde These: Ausgerechnet Notnagel Kompany wird den Bayern wieder Erfolg einhämmern. Und den einen oder anderen HSV-Anhänger wird das mit einem schmachtenden „Hach“ auf den Lippen sogar freuen. Natürlich nur heimlich. In diesem Sinne: Oiss Guade und vui Glück, Vincent Kompany.