Ranchi/Hamburg. Die deutschen Hockeyfrauen spielen in Ranchi gegen die Gastgeberinnen und fanatische Fans um ein Ticket zu den Spielen in Paris.

„No!“ Der Security Guard am Ausgang des Teamhotels in Ranchi war in seiner Ansage sehr klar. Hier kommt niemand raus auf die Straßen der ostindischen Millionenmetropole.

Auch und gerade die deutschen Hockeyspielerinnen nicht, die am freien Mittwoch gern mal auf eigene Faust die Stadt erkundet hätten, bevor es im Kampf um das Olympiaticket an diesem Donnerstag (15 Uhr/Livestream bei Sportschau.de) gegen Gastgeber Indien ernst wird.

Hockey: Damen-Team zum ersten Mal in Indien

„Wir waren wohl zu naiv zu denken, wir könnten mal eben so losziehen“, erzählte Anne Schröder (29), die Mittelfeldregisseurin vom Club an der Alster, dem Abendblatt am Telefon. „Eine Gruppe westlich aussehender Frauen soll halt nicht allein auf die Straße.“ Die Begeisterung und Neugierde der Einheimischen könnte eben doch schwierig werden.

„Das ist hier schon eine andere Kultur“, sagt Schröder, die wie fast alle „Danas“ das erste Mal das hockeyverrückte Indien besucht. Noch einen Sieg braucht die Damen-Nationalmannschaft des Deutschen Hockey-Bundes beim Olympia-Qualifikationsturnier in Ranchi, um den Start in Paris 2024 zu sichern. Im Halbfinale gegen Indien soll dieser Schritt getan werden.

Alle Spielerinnen gesund, Bedingungen sind top

Sollte das schiefgehen, bliebe noch ein Sieg im Spiel um Platz drei gegen die USA oder Japan als letzte Chance. Aber daran möchte niemand denken, auch weil in einem Testspiel vor dem Turnier Indien 4:2 geschlagen wurde. „Es wird ein sehr emotionales Spiel, der Druck ist da, wir haben auch mehr zu verlieren als Indien“, weiß Schröder, „aber wir sind reif genug, solch ein Spiel trotzdem zu gewinnen.“

Außer der fehlenden Bewegungsfreiheit sind die Bedingungen top. Hotel ist super, Essen prima, niemand hat irgendwelche Magen-Darm-Probleme. Das ist gut, aber nicht selbstverständlich. Mittwoch hatte Bundestrainer Valentin Altenburg freigegeben. Einige Spielerinnen haben dennoch individuell trainiert, andere sich mit Yoga entspannt, am Abend wurden auch Gesellschaftsspiele rausgeholt.

Die Fans klatschen nicht, sie singen und tanzen

Die hockeytaktische Vorbereitung sollte erst am Spieltag folgen, Videostudium, Einzelgespräche. Dann geht es irgendwann in den Bus und mit einer Polizeieskorte zum Stadion. „Da werden 15.000 Menschen sitzen, die werden großen Lärm machen“, sagt Schröder.

Auch in Argentinien oder den Niederlanden sind sie es gewohnt, dass gegnerische Fans ihr eigenes Team anfeuern, aber in Ranchi ist das noch einmal anders: „Im Stadion wird überhaupt nicht geklatscht, stattdessen wird gesungen und getanzt, und wenn einer Inderin etwas Gutes gelingt, wird es sehr, sehr laut“, hat Anne Schröder bereits in den Gruppenspielen der Inderinnen beobachtet. Wenn es aber nicht so gut läuft, dann ist auch relativ schnell vorbei mit der Euphorie. „Unser klares Ziel ist es, das Stadion schnell ruhig zu machen“, sagt die Hamburgerin.

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Mit vier Teamkolleginnen von Alster verfolgt sie ihr großes Ziel Olympia, zwei weitere Hamburgerinnen sind auch noch dabei, geht man sich da nicht mal auf die Nerven? „Ja, auf jeden Fall. Aber der Vorteil ist, dass wir uns so gut kennen, dass wir uns alles sagen können“, sagt die studierte Psychologin, „das ganze Team ist praktisch seit zwei Jahren zusammen, wir sind eine sehr eingeschweißte Truppe.“

Die allerdings ohne familiäre Unterstützung auskommen muss. Familie und Freunde sind nicht dabei, zu aufwendig war die Anreise. Nur Anne Schröder hat Glück, Schwester Christina Schröder ist vor drei Tagen angekommen, sie dreht für den NDR eine Dokumentation über den Weg nach Paris – und die würde mit Happy End natürlich auch viel sehenswerter.