Melbourne/Hamburg. Für Noma Noha Akugue, Ella Seidel und Eva Lys wird es in der Qualifikation zum ersten Grand-Slam-Turnier des Jahres ernst.

Der Yarra strömt vor dem riesigen Tenniskomplex dahin, Ruderboote gleiten stromabwärts. Dahinter rattern die Straßenbahn und Vorortzüge vorbei Richtung Richmond, und aus gar nicht weiter Ferne grüßt die beeindruckende Hochhauskulisse von Downtown Melbourne.

Für Noma Noha Akugue sind das alles neue, starke Eindrücke, die sie erst einmal verarbeiten muss. „Sie muss ankommen bei den Australian Open“, sagt Barbara Rittner (50), „wir laufen deshalb hier viel herum mit ihr, zeigen ihr alles. So langsam wird das.“

Tennis: Tamara Korpatsch steht schon im Hauptfeld

Die gerade 20 Jahre junge Hamburgerin vom Club an der Alster ist zum ersten Mal beim ersten Grand-Slam-Turnier des Jahres in Australien am Start. Ihre Clubkolleginnen Ella Seidel (18) und Eva Lys (21) kennen dagegen den Melbourne Park bereits.

Seidel durfte schon am Juniorenturnier teilnehmen, Lys feierte hier vor einem Jahr einen ihrer größten Erfolge, als sie sich ohne Satzverlust durch die Qualifikation in das Hauptfeld des „Happy Slams“ durchspielte.

Schon an diesem Montag beginnt nun für das Hamburger Trio mit der Qualifikation in Melbourne der Ernst des Tennislebens 2024. Tamara Korpatsch, die vierte Spielerin aus Hamburg, steht als Nummer 83 der Welt automatisch im Hauptfeld des Turniers, das in diesem Jahr erstmals in der Geschichte an einem Sonntag, dem 14. Januar, beginnt.

Barbara Rittner lobt die Hamburger Talente

Chef-Bundestrainerin Rittner ist seit vier Tagen vor Ort, um die drei jungen Spielerinnen aus dem „Talent-Team“ des Deutsche Tennis-Bundes zu unterstützen, die vierte, Nastasja Schunk aus Ludwigshafen, fehlt nach langer Verletzung.

„Alle drei sind unheimlich fleißig, sie haben die Bereitschaft, wirklich intensiv für ihr großes Ziel Tennisprofi zu arbeiten“, sagt Rittner im Gespräch mit dem Abendblatt in Melbourne, „aber es geht jetzt auch darum, erwachsen zu sein, dranzubleiben und immer an sich zu glauben.“

Ella Seidel ist die Aufsteigerin des Jahres

Dabei gehen die drei Norddeutschen laut Rittner mit unterschiedlichen mentalen Voraussetzungen an den Start. Eva Lys stand schon vor einem Jahr auf Platz 126 der Weltrangliste, aktuell ist sie 138. „Seit einem Jahr versucht sie, die Top 100 zu knacken, hat es aber noch nicht geschafft“, sagt Rittner, „dabei hat sie immer wieder gezeigt, was in ihr steckt. Sie kann deutlich höher notierte Spielerinnen schlagen. Es geht bei ihr vor allem darum, den Körper verletzungsfrei zu kriegen und Konstanz zu erarbeiten.“

Die Qualifikation für eines der vier Major-Turniere (geschweige denn das Hauptfeld) ist für Ella Seidel eine komplett neue Erfahrung. Dass sie jetzt die Möglichkeit dazu hat, ist die Konsequenz aus ihren Leistungen 2023. Vor zwölf Monaten stand „Hamburgs Sporttalent des Jahres 2021“ noch auf Platz 583 der Weltrangliste, aktuell wird sie auf Rang 183 geführt. „Ella hat sicherlich die beste Entwicklung gemacht, jetzt betritt sie Neuland“, so Rittner, „sie muss jetzt begreifen, dass sie gut genug ist, die Top 100 anzugreifen.“

Zu hohe Erwartungen: Noma Noha Akugue verkrampft

Dieser für die Karriere so wichtigen Etappe, ab der sich der ganze Aufwand als Profi erst finanziell richtig rechnet, schien Noma Noha Akugue im Sommer schon ganz nah zu sein. Bei den Hamburg European Open spielte sie sich unbekümmert und beherzt in die Herzen der Fans und bis ins Endspiel. Als 142 im WTA-Computer trat sie in der Qualifikation der US Open an – und gewann seitdem nur zwei von elf Matches. Zuletzt kassierte sie auf WTA-Niveau sieben Niederlagen in Folge.

Noma Noha Akugue vom Der Club an der Alster konnte nach dem Finale am Rothenbaum im Sommer ihre eigenen Erwartungen nicht mehr erfüllen.
Noma Noha Akugue vom Der Club an der Alster konnte nach dem Finale am Rothenbaum im Sommer ihre eigenen Erwartungen nicht mehr erfüllen. © imago/Claudio Gärtner | IMAGO/Claudio Gärtner

„Nach dem Erfolg in Hamburg hatte sie unglaublich hohe Erwartungen an sich, sie hat ihre eigene Messlatte zu hoch gelegt“, meint Rittner, „da war sehr viel Unruhe drin, auch im Umfeld.“

Christopher Kas neuer Trainer der Hamburgerin

Der übliche Teufelskreis halt: Erwartungen, Frust, aber ich konnte doch schon mal, was ist los, noch mehr Frust, Verkrampfung. Außerdem fehlte ihr lange Zeit ein fester Trainer. „In Hamburg hatten sich ja An­drea Petkovic und ich uns um sie gekümmert, aber das konnte keine Dauerlösung sein“, erklärt Rittner, „Noma ist aber jemand, der eine Bezugsperson braucht.“

So jemand könnte jetzt gefunden sein – und das wäre sicher ein Glücksfall für die talentierte Hamburgerin. Seit Anfang Dezember arbeitet Trainer Christopher Kas (43) mit ihr zusammen. Die Vereinbarung wurde für den australischen Sommer getroffen, aber man versteht sich gut, und der Wille ist da, dass es danach gemeinsam weitergeht.

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Kas hatte zuletzt Jule Niemeier betreut, sich von der Dortmunderin aber im September getrennt. Der ehemalige Weltklassespieler im Doppel ist bei aller Professionalität im privaten Umgang ein äußerst fröhlicher, entspannter und empathischer Typ. Möglicherweise genau das, was Noma Noha Akugue zuletzt gefehlt hat. „Sie braucht Lockerheit und Unbekümmertheit für ihr Spiel“, weiß Rittner, „mein Eindruck hier ist, dass sie dabei ist, sich wieder frei zu spielen.“

In der Nacht zum Sonnabend (MEZ) wurde das Qualifikations-Feld für die Australian Open ausgelost. Dann konnte man spekulieren, was geht für die drei Hamburgerinnen oder was nicht. Eines aber war schon vor dem ersten Aufschlag am Montag klar: Diese Erfahrung ist für ihre Karriere auf jeden Fall ein Gewinn.