Hamburg. 15-Jährige ist neu im Junior Team des deutschen Verbands und will Profi werden. Bundestrainerin schätzt besonders ihre Arbeitsmoral.

Wer Großes erreichen will, muss sich hohe Ziele setzen, insofern scheint sich Ella Seidel auf den richtigen Weg gemacht zu haben. „Mein Traum ist, in die Top Ten der Welt zu kommen und ein Grand-Slam-Turnier zu gewinnen“, sagt sie, doch weil sie im selben Moment spürt, dass das vermessen klingen könnte, wenn man 15 Jahre alt ist und in der Juniorenweltrangliste aktuell an Position 341 geführt wird, schiebt sie sofort die Einschränkung hinterher, dass sie in kleinen Schritten denke und sich Stück für Stück weiterentwickeln müsse.

Es ist diese Klarheit, einerseits zu wissen, wohin sie in der Zukunft möchte, und andererseits zu akzeptieren, wo sie in der Gegenwart steht, die aus der Hamburgerin das macht, was sie ist: Das größte deutsche Talent im U-16-Bereich, in dem sie die Rangliste des Deutschen Tennis-Bundes (DTB) anführt – und das zweitjüngste Mitglied im Porsche Junior Team des Verbands, in das sie in der vergangenen Woche neu aufgenommen wurde.

Das Lernen fällt ihr leicht

„Ich hatte immer das Ziel, in dieses Team zu kommen. Die Aufnahme ist eine große Ehre, eine Belohnung für meine Leistungen und gleichzeitig meine Motivation dafür, noch härter zu arbeiten“, sagt die Rechtshänderin, die in dieser Woche am Bundesstützpunkt in Stuttgart ihren ersten Lehrgang als neues Teammitglied absolviert.

Dass dieser in die Schulzeit fällt, muss niemanden beunruhigen. Zum einen besucht Ella Seidel die Eliteschule des Sports am Alten Teichweg, die ihren Besten Freiräume für Training und Wettkämpfe schafft. Zum anderen fällt ihr das Lernen offenbar so leicht, dass sie bereits zwei Jahrgänge überspringen konnte und im Sommer 2022 ihr Abitur machen wird. Und darüber freut sie sich vor allem aus einem Grund: „So kann ich ein Jahr früher alles auf meine Tenniskarriere setzen!“ Es wäre indes grundfalsch, dieses Jahr als Geschenk zu bezeichnen. Ella Seidel hat sich das, was sie bislang erreicht hat, hart erarbeitet, was auch Barbara Rittner unterstreicht.

Sie arbeitet akribisch und hart

„Sie arbeitet sehr akribisch, hart und strukturiert und hat sich im Corona-Jahr wirklich sehr gut entwickelt“, lobt die Damentennischefin des DTB, der die Talententwicklung besonders am Herzen liegt. Als sich die junge Hamburgerin Mitte Januar beim ITF-Turnier im Leistungszentrum des Hamburger Verbands in Horn mit zwei Siegen durch die Qualifikation kämpfte und dabei auf dem Niveau von Top-300-Spielerinnen problemlos mithielt, war Rittner kaum überrascht. Für Ella Seidel war die erste Erfahrung im Erwachsenenbereich dagegen extrem lehrreich. „Ich war anfangs sehr nervös, aber als ich merkte, dass ich mithalten kann, hat mir das viel Selbstvertrauen gegeben“, sagt sie.

Allerdings zeigte ihr die 1:6, 0:6-Erstrundenniederlage gegen die spätere Turniersiegerin Qinwen Zheng (18/China) auch auf, welches Level notwendig sein wird, um mittelfristig den Schritt auf die Profitour zu schaffen. „Ich weiß, dass ich mein Angriffsspiel verbessern muss, um meiner Gegnerin mein Spiel aufzwingen zu können. Auch der erste Aufschlag muss härter und präziser kommen.

Als Sechsjährige begann sie mit Tennis und Hockey

Aber daran arbeiten wir“, sagt die deutsche U-14-Meisterin von 2019, die im Ligabetrieb für den Uhlenhorster HC aufschlägt, Turniere aber für ihren Heimatverein Klipper THC bestreitet, bei dem ihr Vater Lars, Geschäftsführer des Immobilienmaklers Grossmann & Berger, lange Jugendwart war. Bei Klipper begann sie als Sechsjährige mit Tennis und Hockey, entschied sich aber bald für den Einzelsport, „weil es mich gereizt hat, allein auf dem Platz zu stehen, wo es nur Gewinnen oder Verlieren gibt.“

Um sich von Sport und Schule zu erholen, zeichnet Ella Seidel; besonders gern zeichnet sie Cupcakes, die sie selber gebacken hat. Wie viel Zeit ihr in Zukunft dafür bleibt, bleibt abzuwarten. Für diese Saison hat sie sich, so die Pandemie es zulässt, das Ziel gesteckt, in der Junioren-Weltrangliste so hoch zu steigen, dass sie bei den Grand-Slam-Turnieren die Jugendkonkurrenzen bestreiten darf. „Und wenn, wie in Hamburg, die Chance kommt, Turniere bei den Damen zu spielen, werde ich sie nutzen“, sagt sie. Man darf ihr das zutrauen.