Hamburg. ETV-Volleyballerinnen gehen mit neuem Cheftrainer in die 2. Liga Pro. Ein großer Umbruch blieb aus, Klassenerhalt ist das Ziel.

Er sei an der Seitenlinie nicht so der Vulkan, sagt Holger Schlawitz, und je länger das Gespräch dauert, desto schwieriger wird es, sich den 35-Jährigen dabei vorzustellen, wie er emotional ausbricht am Spielfeldrand. Seine Leidenschaft für den Sport, die ist greifbar in fast jedem Satz. Aber er trägt sie derart kontrolliert vor, dass ein Eindruck sich verfestigt: In einer Phase, in der Ungewohntes wartet, möchte man einen wie ihn um sich haben, der für Ruhe und Entspannung sorgt.

An diesem Sonnabend (18 Uhr) starten die Volleyballerinnen des Eimsbütteler TV bei den ESA Grimma Volleys in die Saison 2023/24. Es ist ein Start ins Ungewisse, denn die 2. Liga Pro, in der sie antreten, ist zu dieser Spielzeit neu zwischen der Bundesliga und der Zweiten Liga eingeführt worden.

Schlawitz ersetzt Ines Laube

Schlawitz ist der neue Chefcoach, er ersetzt die in den Trainerstab des Männer-Bundesligisten SVG Lüneburg abgewanderte Ines Laube. Und auch wenn niemand so genau weiß, was zu erwarten ist, verkörpert der einstige Beachvolleyballer, der noch bis zum vergangenen Jahr in der Regionalliga für WiWa Hamburg in der Halle aktiv war, die Einstellung, mit der der Verein den sportlich und finanziell als Wagnis einzustufenden Aufstieg angeht.

„Meine Herangehensweise ist, dass das Glas halb voll ist, deshalb sehe ich die neue Liga als Herausforderung und Chance an, die wir mit großer Lust auf Leistung angehen werden“, sagt Schlawitz, der sein Naturell seiner Herkunft zuschreibt. Aufgewachsen ist er auf der ostfriesischen Nordseeinsel Wangerooge, mit 16 ging er, um sein Abitur zu machen, aufs Internat nach Esens.

Sechs Jahre beim Stadtteilrivalen

Seit 16 Jahren lebt der kinderlose Junggeselle in Hamburg, hier verfolgte er seinen Karriereweg mit Beharrlichkeit. Nach der Ausbildung zum Industriekaufmann nahm er das Angebot seines Betriebs aus der Lebensmittelbranche an, ein begleitendes BWL-Studium an der Wirtschaftsakademie in Kiel zu absolvieren. Heute verantwortet er in der Verwaltung des Unternehmens den Einkauf.

Seine Leidenschaft lebt er nebenberuflich aus. 2017 übernahm er die Damen von Grün-Weiß Eimsbüttel als Regionalliga-Absteiger, führte sie in die Dritte Liga, wo man die vergangene Saison auf Rang drei abschloss. 2022 erwarb er die Bundesligalizenz, die ihn für den Stadtteilrivalen interessant machte.

Nun also wartet die neue Liga – und das ohne Zweitligaerfahrung. „Ich sehe die Chance, die mir der ETV gibt, als Belohnung für meine bisherige Arbeit“, sagt er. Das sportliche Leistungsvermögen einzuschätzen, das falle ihm noch schwer, sagt der Wandsbeker mit Blick auf die unbekannte Konkurrenz zum Beispiel vom TSV Flacht, der aus der Landesliga kommt und sich per Wildcard das Startrecht erkaufte. Auch die erstliga-erfahrenen Clubs NawaRo Straubing und Schwarz-Weiß Erfurt seien schwer einzustufen.

Erstes Ziel ist der Klassenerhalt

Zur Wahrheit gehört aber, dass das ETV-Team ohne den Schritt in die neue Spielklasse in der vergangenen Saison nicht einmal den Klassenerhalt in der Zweiten Liga Nord geschafft hätte. „Aber in der Saison davor hat der ETV bewiesen, dass er auf dem Niveau mithalten kann. Unser Ziel ist zunächst, in der Liga zu bleiben, grundsätzlich wollen wir Hamburg in der 2. Liga Pro etablieren“, sagt er.

Das Gute ist, dass der Umbruch in der Mannschaft kein großer war. Namhaftester Abgang ist Außenangreiferin Anna Behlen (30), die aus beruflichen Gründen nur noch in Kiel Regionalliga spielen kann. In Hanna Föcker (25), ausgebildet in Borken und zuletzt fünf Jahre an einem US-College gestählt, habe man guten Ersatz gefunden.

Schlawitz fordert mutigen Volleyball

Lena Liegert (21), die die nach Dänemark ausgewanderte Berit Jensen im Mittelblock ersetzt, bringt aus Erfurt sogar Erstligaerfahrung mit. „Wir haben aber keine Starspielerin, werden auch in dieser Saison wieder über die Geschlossenheit kommen“, sagt der Coach, der sich auch darauf freut, die eigene Jugend einzubinden. „Das ist der Weg, den wir als Verein ohne große finanzielle Mittel gehen müssen“, sagt er.

Er forder von seinen Spielerinnen, auf dem Feld eigenständig Entscheidungen zu treffen, und will mit seinen Co-Trainern Matthias Krause und Sergej Fink dafür sorgen, „dass wir mutigen Volleyball spielen. Wir wollen aktiv Punkte machen und nicht Fehler vermeiden“, sagt er. Wenn sein Team das nicht beherzige, könne er auch schon mal laut werden, sagt Holger Schlawitz. Man möchte es ihm glauben, auch wenn es schwerfällt.