Harvestehude. Auf dem Hamburger Sports-, Medizin- und Gesundheitsgipfel wird Wissenschaft angewandt. Erwartet werden 1400 Experten. Wobei man mitmachen kann.

Wissenschaft zum Anfassen, das ist das Leitmotiv des zweiten Sports-, Medizin- und Gesundheitsgipfels, offiziell „Sports, Medicine and Health Summit (SMHS)“, der vom Donnerstag bis zum Sonnabend im Congress Center Hamburg am Dammtor-Bahnhof abgehalten wird. 1400 Expertinnen und Experten aus 32 Ländern haben ihr Erscheinen angekündigt, 241 Vorträge und 15 Symposien sind geplant. Hamburg wird für drei Tage zum weltweiten Mittelpunkt der Sportwissenschaft und -medizin.

Eintritt kostet Donnerstag und Freitag sieben Euro, am Sonnabend ist er frei

Der Eintritt zu allen (Fach-)Präsentationen kostet je nach Zeitpunkt der Buchung um die 150 Euro, wer in Halle H in der „SMHS Arena“, in Saal 3 und 4 die allgemein zugänglichen Veranstaltungen, Diskussions- und Fragerunden besuchen, sich dazu sportlich testen will, zahlt am Donnerstag und Freitag nur 7 Euro, am Sonnabend ist der Eintritt frei.

Yoga, Blindenfußball, Lauftraining auf einer Tartanbahn, Bobfahren auf 30 Meter langen Schienen, die Kraft-Ausdauerdisziplin Hyrox oder ein kognitives Schnelligkeitstraining auf dem Speedcourt, das vor allem Fußballprofis absolvieren, sind dort sechs der zahlreichen attraktiven und informativen Mitmach­angebote für alle. Auch eine Knieoperation wird live auf Monitoren gezeigt.

Kongress will mehr Bewegung in die Stadt und zu den Menschen bringen

„Wissenschaft ist keine Einbahnstraße. Wir lernen von den Praktikern, Trainerinnen und Trainern, Therapeutinnen und Therapeuten, von Sporttreibenden – und die von uns. Es ist ein gegenseitiger, befruchtender Austausch, und der soll im Mittelpunkt dieses Kongresses stehen. Es ist auch eine Veranstaltung für die Menschen in dieser Stadt“, sagt der Hamburger Sportwissenschaftler Dr. Nils Schumacher. „Wir möchten sie in Bewegung bringen. Wir wollen, dass wissenschaft­liche Fakten möglichst auch zu den Leuten auf die Straße, in die Vereine und in die Studios kommen – ohne Hürden.“

Der 35-Jährige ist als Kongresssekretär und COO (Chief Operating Officer) für den Ablauf des Summits verantwortlich. Ausrichter sind die Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention, die Global Active City Hamburg und die europäische Initiative Exercise is Medi­cine (Bewegung ist Medizin) – gemeinsam mit der Kongressagentur CPO Hanser Service.

Zweite Hamburger Deklaration am Freitag für mehr Bewegung

Hamburg, das sich an den Kosten von mehreren Hunderttausend Euro umfangreich beteiligt, ist nicht zufällig Kongress-Gastgeber. Die Veranstaltung soll hier alle zwei Jahre stattfinden. Die Idee zur Durchführung in Hamburg entstand bei Innen- und Sportsenator Andy Grote (SPD) im Oktober 2018, als Hamburg in Argentiniens Hauptstadt Buenos Aires als eine von weltweit fünf Städten als „Global Active City“ von der Tafisa ausgezeichnet wurde, einer Schweizer Tochter des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Diese fördert mit der Weltgesundheitsorganisation WHO und der Unesco weltweit den Breitensport.

Die digitale Premiere im Corona-Jahr 2021 endete mit der „Hamburg Declaration“, bei der 42 namhafte Institutionen, darunter das IOC, der Weltsportärztebund (FIMS) und der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB), eine globale Allianz zur Förderung von Bewegung und körperlicher Aktivität bildeten. Was aus dieser Initiative geworden ist, was jetzt weiter zu tun ist, darüber beraten am Freitag (11.15– 13 Uhr) die verschiedenen Vereinigungen in Hamburg. Aktiv dabei ist erstmals die WHO, vertreten von Dr. Fiona Bull, Leiterin der Abteilung körperliche Aktivität.

Nur 43 Prozent der Menschen in Deutschland bewegen sich ausreichend

Bewegungsmangel bleibt ein zentrales Thema unserer Gesellschaft. Nur noch 43 Prozent der Menschen erfüllen hierzulande aktuell die Mindestanforderungen der WHO, die täglich zehn Minuten durchgehende körperliche Anstrengung empfiehlt, für Jugendliche bis zu 17 Jahren sogar eine Stunde. Erfreulich: In Hamburg ist die Botschaft besser angekommen, liegen die Zahlen bei Menschen im Alter von 20 bis 69 Jahren, die sich nach WHO-Kriterien genügend bewegen, bei 60 Prozent.

Seit Jahrzehnten belegen Studien, dass regelmäßige Aktivitäten das Immunsystem stärken, es widerstandsfähiger auch gegen Viren machen, Zivilisationskrankheiten wie Diabetes mellitus Typ II, Bluthochdruck oder Herz-Kreislauf-Probleme eindämmen oder heilen können. Ein aktiver Lebensstil fördert neben dem körper­lichen auch das psychische Wohlbefinden. Bewegung gilt als die beste und preiswerteste Prävention. Die Behandlung der geschätzten 500 Millionen Menschen, die mangels Bewegung erkranken, kostet die Welt jährlich etwa 27,5 Milliarden Euro. Zu diesem Ergebnis kam die WHO im vergangenen Jahr.

Es fehlt an Strukturen, Radfahrwegen, Pausenhöfen an den Schulen

„Es mangelt nicht an Erkenntnissen, sondern an deren Umsetzung. Bewegung hat noch immer keine ausreichende gesellschaftliche Lobby, weder in der Politik noch in der Wirtschaft und Wissenschaft. Sport und Bewegung ist eine Querschnittaufgabe. Das muss noch besser kommuniziert werden“, sagt Schumacher, der als Projektleiter vor einem Jahr den ersten Hamburger Bewegungsbericht verfasste.

Es fehle in den Städten oft an den nötigen Strukturen, an gut ausgebauten Radfahrwegen, ständig verfügbaren Sporthallen- und -plätzen oder aktivitätsfördernden Pausenhöfen an den Schulen. Hamburg sei mit seiner Active-City-Strategie da aber grundsätzlich auf dem richtigen Weg.

Diskussionsrunde beim Kongress mit Handball-Weltmeister Johannes Bitter

Zu den Strukturproblemen gehöre, „dass Bewegung in der Lehrer- und Erzieherausbildung allenfalls ein Randaspekt ist“, sagt Schumacher. Auch Ärzte verschrieben aus Zeit- und Kostendruck zu häufig lieber Medikamente, als ihren Patientinnen und Patienten Bewegungs­angebote zu vermitteln, weil Gespräche nicht angemessen vergütet werden. Und warum gibt es zwar für Eltern und Kinder Lese-, aber keine Bewegungsfibeln? Bewegungsmangel fange nun mal im Kleinkindalter an, Mütter und Väter haben auch hier eine Vorbildfunktion.

Darüber wird zu reden sein beim Hamburger Gipfel, etwa bei der Podiumsdiskussion am Donnerstag (14.15–15.15 Uhr): Gesundheits- und Bewegungsförderung im Kindes- und Jugendalter: Welchen Beitrag leistet die Schule? Mit dabei: Hamburgs Handballtorhüter Johannes Bitter, Weltmeister 2007 und Vater von vier Kindern.

Einen Kongress-Schwerpunkt bilden Frauen im Sport. Weiter fehlen ausreichend Daten für ein geschlechtsspezifisches Training (Donnerstag, 11.45–12.30 Uhr). Auch über Frauen in Führungspositionen wird diskutiert: Sonnabend (14–15.30 Uhr) unter anderen mit HSV-Präsident Marcell Jansen und Mareike Miller (Athleten Deutschland). Der Hamburger Rechtsmediziner Prof. Klaus Püschel erzählt am Sonnabend (10.15–10.45 Uhr) vom „Letzten Putt – Kuriose und dramatische Golfstorys“. Olympische Spiele in Deutschland: Wie gelingt das nachhaltig? Das steht am Donnerstag (11.30–13 Uhr) zur Diskussion. Ein weiteres Highlight: Sonnabend (12.30–13.15 Uhr): „Nachts allein im Ozean.“ Darüber berichtet André Wiersig, erster Deutscher, der die Ocean’s Seven absolvierte.
Weitere Infos: sports-medicine-health-summit.de