Hamburg. Am Sonnabend geht es in der Active City Arena um die nationale Qualifikation für die olympische Premiere des Tanzsports Breaking.

Näher, als es an diesem Sonnabend der Fall sein wird, ist Noah Tete seinem Traum noch nie gekommen. Zugegeben, allzu lange hegt der 21-Jährige diesen Traum noch nicht, schließlich ist die Nachricht, dass sein Sport 2024 in Paris erstmals ins Programm der Olympischen Sommerspiele aufgenommen wird, nicht einmal zweieinhalb Jahre alt.

Aber seit der Wilhelmsburger vor viereinhalb Jahren erstmals mit Breaking in Kontakt kam, ist seine Leidenschaft voll entflammt. Und wenn an diesem Sonnabend um 13 Uhr in der Active City Arena auf dem Heiligengeistfeld die „Pre-Selection“ für den letzten nationalen Olympiaausscheid startet, wird Noah Tete alles dafür geben, um den nächsten Schritt auf dem Weg nach Frankreich zu gehen.

16 Aktive pro Geschlecht

Dieser Weg ist ein hürdenreicher. 16 Aktive pro Geschlecht dürfen bei der Premiere unter den fünf Ringen ihre Tanzkunst präsentieren, maximal zwei davon dürfen aus derselben Nation kommen. Und da Deutschland im Vergleich mit Nationen wie dem Breaking-Herkunftsland USA, Olympiagastgeber Frankreich oder asiatischen Ländern wie Japan oder Korea nicht zur Weltelite zu zählen ist, dürfte der Auswahlprozess extrem hart werden.

Bei den European Games in Krakau (Polen), die in der kommenden Woche starten, wird ein Startplatz pro Geschlecht an die Sieger vergeben, was auch für die weiteren Kontinentalturniere gilt. Bei der WM Ende September in Leuven (Belgien) qualifizieren sich erneut die Sieger direkt. Alle anderen müssen sich im kommenden Jahr auf einem internationalen „Ranking-Battle“ oder über die Weltrangliste die Qualifikation sichern.

Bundestrainer sucht seinen Kader

„Wir arbeiten hart daran, mit jeweils zwei Aktiven in Paris am Start zu sein, aber wir wissen, dass das ein sehr langer Weg ist“, sagt Marco Baaden. Der 38-Jährige, der als „Mallekid“ viele Jahre selbst im Breaking aktiv war, ist seit der Aufnahme seines Sports ins Olympiaprogramm als Bundestrainer damit betraut, die besten Athletinnen und Athleten zu finden und zu einem ausdruckskräftigen Team zu formen.

Acht Frauen und acht Männer soll nach dem finalen Olympiaausscheid an diesem Sonnabend der Bundeskader umfassen, aus dem sich im besten Fall jeweils zwei Paris-Reisende herauskristallisieren. Dafür jedoch gilt es zunächst, sich in der mobilen Arena auf dem Heiligengeistfeld gegen zahlreiche Konkurrenz durchzusetzen.

Zur „Pre-Selection“ können sich bis kurz vor dem Start alle Interessierten anmelden, die in einem dem Deutschen Tanzsportverband (DTV) zugehörigen Verein gemeldet und mindestens 2007 geboren sind. Mit 80 bis 100 Starterinnen und Startern rechnet Bundestrainer Baaden. Aus diesen erreichen bei den Männern die besten 32 und bei den Frauen die Top 16 das „Ranking-Battle“, das um 17 Uhr beginnt. Dort geht es in Eins-gegen-Eins-Duellen im K.-o.-System weiter, bis die Sieger feststehen.

Auch die Ausstrahlung zählt

Ein Duell dauert vier bis fünf Minuten und umfasst drei Runden, die von bis zu neun internationalen Richtern bewertet werden. Dabei geht es beileibe nicht nur darum, die vier Grundelemente des Breakings – Toprocks (also Bewegungen im Oberkörper), Footwork (Beinarbeit), Freezes (abrupt gestoppte Bewegungen) und Power Moves (Drehungen und ähnliches) unter die Lupe zu nehmen.

Ein wichtiger Teil jedes Battles ist, neben dem Gefühl für die Musik, die Ausstrahlung, mit der die Athletinnen und Athleten ihre Choreografie auf die mindestens fünfmal fünf Meter – in Hamburg sind es siebenmal sieben – große Bühne zaubern.

„Der DJ legt für die Kontrahenten zwar denselben Beat auf, aber die wissen vorher nicht, was kommt und sind in der Ausgestaltung vollkommen frei“, sagt Tim Dollmann, Geschäftsführer der HipHop Academy Hamburg, die den Olympiaausscheid in Kooperation mit der Agentur Faktor 3 veranstaltet.

Großes Fest der HipHop-Kultur

Die Akademie, die der Stiftung Kultur Palast in Billstedt angeschlossen ist und seit 2007 als deutschlandweit einzigartiges Non-Profit-Projekt Kindern und Jugendlichen zwischen sieben und 25 Jahren kostenlose Angebote macht, nutzt die Gelegenheit, um die HipHop-Kultur zu feiern, die vor 50 Jahren in New York entstanden ist.

So wird es am Sonntag von 12 bis 20 Uhr ein „Catch the Crown“ genanntes All-Styles-Battle geben, bei dem sich alle Interessierten in allen Tanzstilen miteinander messen können. Dazu kommen Workshops im Tagging und Graffiti und am Sonnabend von 23 Uhr an eine Aftershow-Party im Mojo Club auf St. Pauli.

2028 in Los Angeles neue Chance

„Wir freuen uns, dass die weltgrößte Jugendkultur durch die Aufnahme ins olympische Programm die längst fällige Akzeptanz durch den Leistungssport erfährt und wollen HipHop in all seinen Facetten erlebbar machen“, sagt Dörte Inselmann, Intendantin der Stiftung Kultur Palast.

Für Noah Tete wird das Wochenende in mehrfacher Hinsicht ein besonderes. Nicht nur, weil er versucht, seinen sportlichen Traum zu realisieren. Sondern auch, weil er bei der Stiftung ein duales Studium als Eventmanager absolviert und deshalb auch in die Planung für das Event eingebunden ist.

Ganz schön viel Stress, könnte man meinen, doch der Hamburger bleibt gelassen. „Wenn es jetzt noch nicht klappt, greife ich 2028 wieder an“, sagt er. Dann finden die Spiele in Los Angeles statt, im Mutterland seines Sports. Dort zu starten, wäre die Erfüllung des größten Traums.