Hamburg. Diskus-Toptalent Mika Sosna ist Hamburgs einziger Werfer von nationalem Rang. Nun tritt er erstmals im Männerbereich an.

Sein Händedruck ist so kräftig, wie man ihn von einem Hünen seiner Statur – 1,98 Meter Körperlänge, 130 Kilogramm Kampfgewicht – erwarten würde. Aber wenn man weiß, dass diejenigen, die ihm fortan im Wettkampf begegnen, allesamt solche Kolosse sind, dann fällt es leichter zu verstehen, wenn Mika Sosna sagt: „Das, was jetzt auf mich wartet, ist mit nichts zu vergleichen, was ich bislang kannte.“ Sosna, 19 Jahre alt, geboren und aufgewachsen in Hamburg und sportlich bei der TSG Bergedorf zu Hause, ist im Hamburger Leichtathletik-Verband der einzige Werfer von nationalem Rang.

In dieser Saison muss er den Übergang vom Juniorenbereich (U 20) zu den Erwachsenen schaffen. Zwar startet er zunächst in der Altersklasse U 23, aber weil er seine Kraft schon jetzt äußerst gewinnbringend einzusetzen weiß, darf der Ausnahmeathlet an diesem Sonnabend in Leiria (Portugal) beim Europacup der Werfer zum ersten Mal in seiner Laufbahn gegen die kontinentale Männerelite antreten. „Der Slowene Kristjan Ceh, der im vergangenen Jahr in Eugene den WM-Titel gewonnen hat, ist auch am Start. Sich mit solchen Leuten zu messen, das ist für mich etwas ganz Besonderes“, sagt er.

Hamburger Diskus-Toptalent: Kräftemessen mit den Weltbesten

Die Qualifikation für den Trip nach Portugal hatte sich Mika Sosna am 25. Februar gesichert. In Halle an der Saale gewann er bei den deutschen Winterwurf-Meisterschaften Silber, musste sich in Daniel Jasinski (33/Wattenscheid) lediglich dem Olympiadritten von 2016 geschlagen geben. Und weil Jasinski auf einen Start in Leiria verzichtet, kommt es zu dem kuriosen Fakt, dass Deutschland von drei Diskuswerfern vertreten wird, die in den vergangenen Jahren gemeinsam den Juniorenbereich aufgemischt hatten: Sosna, Marius Karges (20/Frankfurt am Main) und Steve Richter (19/LV Erzgebirge).

„Für uns ist das ein Traum“, sagt Mika Sosna, der das Binnenverhältnis des Trios als „einzigartig“ beschreibt. „Obwohl wir Rivalen sind, feuern wir uns gegenseitig an, pushen uns über jedes Limit und gönnen den anderen jeden Erfolg. Wer das nicht erlebt hat, kann es nicht glauben, aber für mich ist diese Situation Gold wert“, sagt er. Das Wissen, dass nach dem Übergang in den Erwachsenenbereich die Konkurrenz ungleich größer sein wird, bereite ihm keinerlei Kopfzerbrechen. „Im Gegenteil, ich verspüre nichts als Vorfreude. Für mich fängt der Spaß jetzt erst richtig an, die Aufmerksamkeit ist viel höher und es ist ein riesiger Ansporn, sich mit den Großen messen zu dürfen“, sagt er.

Mit der Leichtathletik begann Mika Sosna beim HSV

Ein gewichtiger Unterschied ist in dieser Saison, dass die Scheibe, die ihm die Welt bedeutet, nun zwei Kilogramm und damit 250 Gramm mehr wiegt als im Juniorenbereich. „Für alle, die sich mit unserem Sport nicht auskennen, mag das komisch klingen. Aber der Bewegungsablauf muss an die zwei Kilogramm angepasst werden, manche müssen sogar ihre Technik komplett umstellen, weil der schwerere Diskus ganz andere Flugeigenschaften hat“, erklärt Sosna. Ihn selbst schockt die Neuerung keineswegs. „Ich habe im vergangenen Jahr schon drei Wettkämpfe mit zwei Kilo gemacht und glaube, dass es mir sogar besser liegt, weil mir der längere Zugweg zugutekommt“, sagt er.

Es ist diese Eigenschaft, in allem das Positive zu suchen, die Mika Sosna auf seinem sportlichen Weg schon oft geholfen hat. „Spaß haben“, so umschreibt er sein Lebensmotto. Mit der Leichtathletik hatte er als Zehnjähriger beim HSV begonnen. Als sich vor viereinhalb Jahren abzeichnete, dass er von seinem Großvater Vaclav Sosna, seines Zeichens Seniorenweltmeister mit dem Diskus, und seiner aus Tschechien stammenden Mutter Michaela Sosnova, einer ehemaligen Spitzenwerferin, das Talent geerbt hatte, wechselte er zur TSG Bergedorf. Dort ist der frühere sowjetische Zehnkämpfer Juri Minor sein Heimtrainer. Bei Bundeskader-Lehrgängen und Wettkämpfen wird er mittlerweile von Torsten Lönnfors, bekannt geworden als Trainer der Olympiasieger-Brüder Christoph und Robert Harting, betreut.

Sein sonniges Gemüt paart Mika Sosna mit einer gehörigen Portion Willensstärke, eiserner Disziplin und Durchhaltevermögen. Er ist einer, der sich nie mit Erreichtem zufriedengibt, was der Fakt unterstreicht, dass er die vergangene Saison als „durchwachsen“ bezeichnet. Dabei steigerte er den U-20-Weltrekord um 124 Zentimeter auf 71,37 Meter und wurde deshalb von einer Fachjury zum „Jugend-Leichtathleten des Jahres“ gekürt. Aber dass er, von einer Adduktorenverletzung gehandicapt, bei der U-20-WM in Cali (Kolumbien) hinter seinem Kumpel Marius Karges mit Silber zufrieden sein musste, trübte seinen Gesamteindruck entscheidend. „Für mich fühlte sich Silber an wie eine heftige Niederlage“, sagt er.

Sosna absolviert aktuell ein Jahr Freiwilligendienst bei der TSG Bergedorf

In diesem Jahr nun stehen wichtige Weichenstellungen an für den Youngster, der mit seinen Eltern und den jüngeren Brüdern Matti (14, ebenfalls Diskuswerfer bei der TSG) und Miro (10, Ruderer bei der RG Hansa) in Uhlenhorst wohnt und seiner Stadt noch lange treu bleiben will. „Mein Stellenwert im Hamburger Verband trägt viel zu meinem Selbstvertrauen bei“, sagt er, „es wäre nicht gut für alle Seiten, wenn ich weggehen würde, deshalb will ich Hamburg noch lange treu bleiben“, sagt er.

Außerdem möchte er sich auch beruflich ein Standbein aufbauen. Nach dem Abitur im vergangenen Jahr an der Eliteschule des Sports am Alten Teichweg absolviert er derzeit bei seinem Heimatverein ein Jahr Bundesfreiwilligendienst im Vermarktungsbereich. „Ich werde von der TSG unglaublich toll unterstützt und wollte dafür etwas zurückgeben“, sagt er. Für den Herbst hat er sich um einen Platz in der Sportfördergruppe der Bundeswehr beworben und möchte ein duales Studium der Sportwissenschaften beginnen. „Man muss als Sportler auch an das Leben nach der Karriere denken“, sagt er.

Klingt ziemlich erwachsen. Und deshalb zweifelt auch niemand daran, dass Mika Sosna seinen Weg auch im Sport finden wird. Wichtigstes Saisonziel ist die U-23-EM in Espoo (Finnland/13. bis 16. Juli), „darauf liegt mein Fokus“. Aber ein ganz klein wenig liebäugelt er auch mit der Qualifikation für die WM der Erwachsenen im ungarischen Budapest (19. bis 27. August). Die Norm dafür sind 67,00 Meter, seine bisherige Bestweite liegt 1,43 Meter darunter. Das ist viel, aber wer die Kraft spürt, die Mika Sosna ausstrahlt, der kann nicht anders, als es ihm zuzutrauen.