München. Im Duell um den Viertelfinal-Einzug in der Champions League richtet sich der Fokus des FC Bayern besonders auf Kylian Mbappé..

Seit Montagabend können die Bayern Kylian Mbappé und Lionel Messi schon aus der Nähe beobachten und analysieren. Ungewöhnlich früh war Paris Saint-Germain ja zum Rückspiel im Achtelfinale der Champions League nach München gereist, um nicht von einem für Dienstag angekündigten Streik in Frankreich beeinträchtigt zu werden. Deshalb ließ sich bereits mehr als 48 Stunden vor ihrem mit Spannung erwarteten Auftritt in der Münchner Arena auf Fotos und Videos bestaunen, wie die beiden herausragenden Solisten des PSG-Ensembles ihre Laufwege und ihr Stellungsspiel interpretieren. Zielsicher steuerten sie direkt nach der Ankunft in ihrem Hotel zwischen Isar und Englischem Garten einen Speisesaal an, um dort zu Abend zu essen. Mbappé brachte sich dabei auf seiner bevorzugten halblinken Seite in Position, Messi nahm auch mit einem Pasta-Teller vor sich gewohnheitsmäßig eine zentrale Rolle ein.

So ähnlich wird das an diesem Mittwochabend ein paar Kilometer nördlich auf dem Fußballplatz in Fröttmaning ablaufen. Doch obwohl sie beim FC Bayern ziemlich genau wissen, was auf sie zukommen wird, beschäftigt sie die Frage, wie sie Mbappé und Messi stoppen sollen. Beim gerade wieder zum Fifa-Weltfußballer gekürten Weltmeister Messi ist das schon extrem schwierig, weil er den Ball so eng führt, als habe er diesen mit Fäden an seinen Füßen festgebunden. Mbappé ist erst recht kaum zu bremsen, jedenfalls dann, wenn er sich bereits im Sprint befindet. Seine Explosivität war im Hinspiel vor drei Wochen in Paris zu beobachten, als der WM-Torschützenkönig nach seiner gerade überstandenen Oberschenkelblessur in der 57. Minute eingewechselt wurde und ein neues Spiel begann, das eher auf den Namen Paris Saint-Mbappé gegen FC Sommer München hörte. Dank ihres Torwarts und einer Prise Glück retteten die Bayern ihren 1:0-Sieg über die Zeit. „Die letzten 20, 25 Minuten aus dem Hinspiel, das wird das Spiel sein, was uns jetzt auch im Rückspiel erwartet“, ahnt Mittelfeldspieler Leon Goretzka. Mit dem Unterschied, dass bei PSG der verletzte Neymar fehlen wird.

Stanisic soll gegen Mbappé verteidigen

Der Plan, den sich Bayerns Trainer Julian Nagelsmann nach allem, was er anklingen lässt, zurechtgelegt hat, erstaunt nur auf den ersten Blick. Aller Voraussicht nach wird er den unscheinbarsten Kicker seiner Belegschaft gegen den weltberühmten Mbappé stellen. Josip Stanisic, 22, durfte sich zuletzt in der Bundesliga gegen Union Berlin und beim VfB Stuttgart einspielen. Weil er seine Aufgabe jeweils zufriedenstellend löste, wird er auch gegen PSG im Aufbau als halbrechter Verteidiger einer Dreierkette erwartet. Das liegt auch daran, dass Benjamin Pavard nach seiner Ampelkarte im Hinspiel gesperrt fehlt und Winterzugang João Cancelo gerade etwas fremdelt beim FC Bayern. Ohnehin hat der von Manchester City ausgeliehene Portugiese eher offensive Qualitäten. Stanisic ist robuster und auch schneller, sein Kollege Thomas Müller hält ihn „absolut bereit für die Aufgabe“. Warum sehr viel für den oft unterschätzten Mitspieler spricht, das könnte man auch so formulieren: Was heißt zuverlässig auf Kroatisch? Stanisic.

„Er weiß, was er kann und auf den Platz bringen muss“, sagt Nagelsmann über Stanisic. Dem Trainer geht es darum, ein „Gleichgewicht zu finden zwischen offensiver Power und defensiver Ordnung“. Zu seinem Plan gehört ohnehin, dass es Stanisic nicht allein richten kann und auch nicht soll. Mbappé soll im „Kollektiv“ gestoppt werden, sagt Nagelsmann. Besonders oft gefordert sein dürfte dabei auch Innenverteidiger Dayot Upamecano, der die Geschwindigkeit seines Teamkollegen aus Frankreichs Nationalelf halbwegs mitgehen kann. Auch Kingsley Coman, in Paris geboren, bei PSG ausgebildet und im Finale von 2020 Torschütze zum 1:0-Sieg der Bayern gegen seinen Heimatverein, wird als sogenannter rechter Schienenspieler oder Joker versuchen, auch mal Bälle zu erlaufen, wenn diese in die Tiefe auf Mbappé gespielt werden, zum Beispiel von Messi. Zugleich steht Coman nach seinen fünf Toren bei seinen jüngsten fünf Einsätzen auch für die Idee, wonach Angriff zumindest teilweise die beste Verteidigung ist. „Wir wollen unser Spiel durchdrücken“, sagt Nagelsmann, es gehe darum, Paris „viel zu beschäftigen“. Greift PSG an, wird auch Joshua Kimmich im defensiven Mittelfeld gefordert sein, Pässe auf Mbappé möglichst oft zu unterbinden. Ganz vermeiden lassen werden sich diese aber wohl kaum und damit auch nicht, dass auf die letzte Instanz Yann Sommer wieder Duelle mit Mbappé zukommen. „Wir werden ihn stören“, verspricht Müller, „wenn unser Plan aufgeht, dann wird er nicht viel Spaß haben.“

Oder rückt doch Kimmich wieder in die Abwehr?

Es gibt zumindest theoretisch noch andere Varianten, wie Nagelsmann aufstellen könnte, ohne Stanisic. Eine wäre, Kimmich auf seine frühere Position nach hinten rechts zu versetzen. Dann müsste Jamal Musiala mit Goretzka vor der Abwehr spielen, weiter vorne wäre ein Platz frei für einen schnellen Konterspieler wie Serge Gnabry, Leroy Sané oder sogar den gerade erst aus einer Verletzung zurückgekehrten Sadio Mané. Unwahrscheinlich, aber nicht völlig ausgeschlossen. Auflösung am Mittwoch, wenn es angerichtet ist zum großen Ball-Abend. Nur ohne Pasta.