Mönchengladbach. Der FC Bayern musste bei der 2:3-Niederlage bei Borussia Mönchengladbach lange in Unterzahl spielen. Trainer Nagelsmann rastete danach aus.

Julian Nagelsmann war in seiner Wut nicht zu bremsen. Nach Spielende lief er stinksauer durch die Katakomben, vorbei an den wartenden Journalisten zur Schiedsrichter-Kabine und schrie: „Das ist doch ein Witz, will der mich verarschen oder was?“ Dann legte der 35-Jährige noch mit deutlichen Worten nach: „Weichgespültes Pack!“ Der Trainer des FC Bayern München war in Rage nach der 2:3 (1:1)-Niederlage bei Borussia Mönchengladbach, nach einem Spiel, das der Rekordmeister mehr als 80 Minuten in Unterzahl bestreiten musste, weil Dayot Upamecano in der 8. Minute einen Platzverweis kassiert hatte.

„Das kann mir keiner erzählen, dass das eine Rote Karte ist. Auch Schiedsrichter machen Fehler, aber dann muss man dazu stehen“, schimpfte Nagelsmann, als er sich am Sky-Mikrofon wieder etwas besser im Griff hatte. „Natürlich ist das eine entscheidende Situation im Spiel“, klagte auch Torhüter Yann Sommer, der achteinhalb Jahre für Gladbach gespielt hatte, nach seiner Rückkehr in den Borussia-Park.

Bayerns Upamecano sieht in Gladbach früh die Rote Karte

Sommer hatte sich nach einem langen Ball von Gladbachs Linksverteidiger Ramy Bensebaini auf Stürmer Alassane Pléa dazu entschlossen, nicht aus dem Strafraum herauszulaufen, sondern sich auf Dayot Upamecano zu verlassen. Bayerns Abwehrchef berührte Pléa in dem Laufduell kurz vor dem Strafraum an der Schulter, der Gladbacher ging zu Boden. Schiedsrichter Tobias Welz zeigte dem Münchener die Rote Karte. Eine harte Entscheidung, die auch nach der Überprüfung durch den Videoassistenten Tobias Stieler Bestand hatte. Für Nagelsmann unverständlich: „Man sieht, dass sich Pléas Schulter nicht bewegt.“

Die Bayern-Spieler können es nicht glauben: Upamecano (rechts) sieht gegen Gladbach in der achten Minute Rot.
Die Bayern-Spieler können es nicht glauben: Upamecano (rechts) sieht gegen Gladbach in der achten Minute Rot. © dpa

Später auf der Pressekonferenz war Nagelsmann zwar noch anzumerken, dass es in ihm brodelte, aber er wollte dann offenbar nur noch schnell nach Hause. „Natürlich habe ich mich in der Mixed Zone aufgeregt, aber bitte nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen“, sagte Nagelsmann, während er missmutig nach links und rechts blickte. „Wir hätten hier gerne gewonnen, das haben wir nicht.“

Bayern kann Tabellenführung verlieren

Stattdessen siegte Gladbach durch Tore von Kapitän Lars Stindl (13.), Jonas Hofmann (55.) und Marcus Thuram (84.). Die Treffer von Eric Maxim Choupo-Moting (35.) und Mathys Tel (90.+3) genügten den Münchenern nicht. Ihnen droht nun an diesem Sonntag der Verlust der Tabellenführung, dafür müsste der Zweite Union Berlin gegen Schlusslicht Schalke 04 (15.30/DAZN) gewinnen. Vier Tage nach dem 1:0-Sieg im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League bei Paris Saint-Germain kassierten die Bayern einen empfindlichen Rückschlag.

Die Niederlage passte gleichwohl in die Bilanz dieses Bundesliga-Klassikers: Seit Sommer 2011 holte Borussia 35 Punkte gegen die Münchener – alle anderen Mannschaften kommen seitdem auf maximal 19 Zähler in Duellen mit dem Branchenprimus. Die Bayern gewannen von den vergangenen neun Liga-Spielen im Borussia-Park auch nur zwei. Letztmalig siegten sie in Mönchengladbach am 2. März 2019 − an einem Karnevalssamstag. Eine Wiederholung gelang ihnen vier Jahre später nicht, auch nicht mit ihrem neuen Torwart Sommer, der ja in diesem Winter verpflichtet worden war, weil Manuel Neuer, 36, sich bei einer Ski-Tour das Bein gebrochen hatte. Gladbach bleibt der Angstgegner der Bayern. Nagelsmann konnte auch sein fünftes Spiel als Trainer der Münchener gegen die niederrheinische Borussia nicht gewinnen.

Gladbach lässt wieder sein Potenzial erkennen

Während der Frust bei Nagelsmann entsprechend tief saß, durfte sich Gladbach-Trainer Daniel Farke mit seiner Mannschaft über einen Coup freuen: „Das tut uns richtig gut, für die Tabelle und die Stimmungslage“, sagte der 46-Jährige. Nach den schwachen Leistungen in den Spiele gegen Schalke (0:0) und bei Hertha BSC (1:4) ließen die Borussen wieder ihr Potenzial erkennen: „Wir waren mutig. Wir haben aber sehr viel liegen gelassen, haben es fast zu wild gespielt. Die Jungs haben eine außergewöhnliche Leistung gebracht“, lobte Farke.

Es war ein intensives, turbulentes Duell, das sich Gladbach und Bayern lieferten. Nagelsmann hatte nach dem Spiel in Paris auf gleich fünf Positionen seinen Startelf verändert: Statt Matthis de Ligt, Joao Cancelo, Leroy Sané, Jamal Musiala (alle Bank) und Kingsley Coman (Wadenprobleme) spielten Daley Blind, Serge Gnabry, Thomas Müller, Ryan Gravenberch und Alphonso Davies. Nagelsmann wechselte Müller allerdings nach dem Platzverweis gegen Upamecano aus taktischen Gründen früh aus (16.). „Eine beschissene Entscheidung, das tut mir auch leid für den Thomas“, sagte Nagelsmann. Sein Gegenüber Farke wechselte Marcus Thuram, der Trainingseinheiten wegen Wadenproblemen verpasst hatte, in der 74. Minute ein – und bewies damit ein gutes Händchen. Der Franzose, der wochenlang im Formtief gesteckt hatte, erzielte seinen elften Saisontreffer. Nach seinem Tor lief er direkt zur Bank, zu den anderen Spielern. „Er hat unsere Unterstützung und hat sich bei allen bedankt, weil er ein absoluter Teamspieler ist“, sagte Farke. „Es ist wichtig, dass sein Torfluch heute gebrochen ist. Das ist wichtig für sein Selbstvertrauen.“

Nagelsmann entschuldigt sich - DFB will ermitteln

Nagelsmann entschuldigte sich am Samstagabend noch für seinen Wutausbruch. „Emotionen gehören zum Sport dazu. Und angesichts der Roten Karte musste ich mir nach dem Spiel Luft machen. Allerdings muss ich mich für die Wortwahl gegenüber dem Team rund um Tobias Welz entschuldigen. Da bin ich leider eindeutig zu weit gegangen“, schrieb er bei Twitter. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird es ein Ermittlungsverfahren durch den Kontrollausschuss des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) gegen den Bayern-Trainer geben.