Oberhof. Vierter Auftritt, vierter Titel: Der Norweger Johannes Thingnes Bö deklassiert bei der Biathlon-WM in Oberhof die Konkurrenz. Doll wird Fünfter

Zur Feier des 20. Jahrestages seiner Erstbesteigung begrüßte der bekannteste Streckenabschnitt der Biathlon-Welt die Aktiven gleich mehrfach. Fünf Mal mussten sich die 108 Starter des 20-km-WM-Einzels den 270 Meter langen „Birxsteig“ hochquälen und dabei 41 Höhenmeter erklimmen. Eine Tortur bei Sonnenschein und neun Grad sowie aufgewühlter Schneedecke.

Einem machten die kraftraubenden Bedingungen wieder einmal nichts aus. Johannes Thignes Bö stürmte auch beim fünften Mal wie entfesselt den teils 13-prozentigen Anstieg hinauf und wurde ganz oben von den mitgereisten norwegischen Fans lautstark gefeiert. Trotz zweier Strafminuten nach Schießfehlern holte er in 49:57.5 Minuten bei seinem vierten Auftritt in Oberhof sein viertes Gold. Dabei deklassierte er die Konkurrenz nach Belieben.

Dass der 29-Jährige in einer eigenen Liga läuft, wurde beim Zieleinlauf umso deutlicher. Mit Trikotnummer 11 gestartet hatte Bö alle zehn vor ihm losgelaufenen Athleten eingesammelt und die Linie als Erster überquert. Sogar Olympiasieger Quentin Fillon Maillet bekam dies schmerzhaft vor Augen geführt. Obwohl der Franzose (ein Schießfehler) zweieinhalb Minuten vor ihm gestartet war, musste er den „König von Oberhof“ passieren lassen und sich bei einem Rückstand von 1:31.9 Minuten mit Platz vier begnügen.

Bö: "Ohne Fans würde ich gar nicht mehr laufen"

Sturla Holm Lägreid (Norwegen/1:10.7) und Sebastian Samuelsson (Schweden/1:11.1) kamen nach jeweils einem Schießpatzer auf den Rängen zwei und drei ein. Sie konnten sich damit trösten: Selbst wenn sie alle 20 Scheiben abgeräumt hätten, wären sie hinter dem „Alien“ (O-Ton: Lägreid) zurückgeblieben. Für Bö war es der ersehnte erste WM-Titel über die lange Distanz.

Entsprechend gelöst zeigte sich der Dominator und dankte den 12.100 Zuschauern: „Diese Wand an Menschen vor dem Schießstand ist völlig verrückt. Dafür mache ich Biathlon. Ohne Fans würde ich gar nicht mehr laufen“, meinte er und verwies auf die Corona-Tristesse in den vergangenen beiden Jahren. In denen scheint Bö der Konkurrenz konditionell noch einmal ein Stück weiter enteilt zu sein. Am Dienstag kam ihm außerdem das tiefe Geläuf zugute.

„Für mich waren es die perfekten Bedingungen“, verriet er. „Bei nassem Schnee funktionieren meine Ski und unser Wachs wirklich super.“ Während die Rivalen im Ziel schwer keuchten, schmunzelte der Norweger die Anstrengungen einfach weg. „So gut war er noch nie“, meinte Biathlon-Legende Ole Einar Björndalen beeindruckt. Doch unter Druck setzen lässt sich der Goldhamster nicht. Ob er vom Novum und siebenmal WM-Gold träumt, wurde er gefragt und entgegnete – passend zum Valentinstag: „Wenn ich träume, dann allenfalls von meiner Frau und meinem Sohn.“

Achtbare Ergebnisse für die deutschen Biathleten

Vor den Augen von Darts-Riese Gabriel Clemens hatten die deutschen Skijäger mit der Medaillenvergabe nichts zu tun. Doch sie zogen sich achtbar aus der Affäre. Sowohl der wiedererstarkte Benedikt Doll als starker Fünfter (1 Fehler/2:09.6) und Philipp Nawrath als Neunter (2 Fehler/3:20.2) kamen unter die Top 10. Justus Strelow, der kurzfristig für den gesundheitlich angeschlagenen Johannes Kühn eingesprungen war, belegte Rang 13.

„Es tat hintenraus verdammt weh“, sagte Doll vor 12.100 begeisterten Zuschauern. „Wenn der Ski abbaut, werden die letzten Runden gefühlt immer länger. Auf das Podest zu laufen hatte ich nicht in meiner Hand.“ Der Wahl-Oberhofer Strelow verblüffte derweil mit der Aussage, der Birxstieg mit dem höchsten Punkt (842 Meter) sei gar nicht der härteste Abschnitt gewesen, sondern die Sägespäne-Runde: „Die geht zwar bergab, doch in dem sulzigen Schnee musste man aufpassen, nicht stehen zu bleiben und vorn über zu fallen.“

Eine Einschätzung, über die Bö womöglich nur müde lächeln konnte.