Hamburg. Libera der Zweitligafrauen des Eimsbütteler TV ist Mutter eines Zweijährigen und arbeitet in Vollzeit. Sport ist ihre Leidenschaft

Vor einigen Jahren war Jana Meiser mit ihrer Mannschaft auf Auswärtsreise, als ein älterer Herr auf einer Autobahnraststätte einige Teamkolleginnen ansprach. Welchen Sport sie betrieben, wollte er wissen, schließlich seien alle so groß. Auf die Antwort, dass sie ein Volleyballteam seien, erwiderte der Mann mit Blick auf Jana Meiser: „Und was macht die Kleine dann?“ Die Kleine erzählt diese Geschichte mit einem verschmitzten Lachen im Gesicht. Schließlich beweist sie Spieltag ein, Spieltag aus, dass wahre Größe nichts mit der Körperlänge zu tun hat.

Jana Meiser ist mit 165 Zentimetern tatsächlich die kleinste Spielerin im Kader der Zweitligafrauen des Eimsbütteler TV, mit 33 Jahren aber auch die Älteste. Und weil sie als Libera – die freie Spielerin, die in einem Volleyballteam per andersfarbigem Trikot gekennzeichnet ist und keine Angriffspunkte erzielen darf – eine herausgehobene Position bekleidet, darf man sie mit Fug und Recht als Führungsspielerin bezeichnen.

Zwar betont sie, dass in der Auswahl von Cheftrainerin Ines Laube, die einige Monate jünger ist als ihre Libera, flache Hierarchien herrschten und jede Spielerin das Wort ergreifen dürfe. Aber dass Jana Meiser die Nummer eins auf dem Trikot trägt, ist keine unpassende Symbolik. Mit Kapitänin Louisa Krams (25) und Zuspielerin Zoe Konjer (22) bildet sie den Mannschaftsrat, und was sie sagt, hat Gewicht.

Jana Meiser: Nur perfekt ist gut genug

Allerdings legt Jana Meiser, die mit ihrem Mann Sebastian und Sohn Jonah (2) in Norderstedt lebt, wo sie beim 1. VC auch das Volleyballspielen erlernte, ehe sie 2019 zum ETV kam, gesteigerten Wert darauf, eher mit Taten als mit Worten führen zu wollen. „Ich sehe meine Aufgabe darin, für das Team die letzte Bank zu sein. Ich hechte nach jedem Ball und versuche alles zu tun, um Lösungen zu finden“, sagt sie. Die besondere Herausforderung sei, dass eine Libera eigentlich nur auffalle, wenn sie schlecht spiele. „Das ist psychisch anspruchsvoll, wenn jeder Fehler entscheidend sein kann“, sagt sie.

Vor allem dann gilt diese Aussage, wenn die eigene Fehlertoleranz so niedrig ausgeprägt ist wie bei Jana Meiser. „Ich bin extrem ehrgeizig, für mich ist nur perfekt gut genug“, sagt sie, „ich musste lernen, mich von diesem Anspruch zu lösen, weil natürlich nicht jeder Ball perfekt sein kann. Aber noch immer ist jeder Fehler für mich wie ein kleiner Stich ins Herz.“ Dieser Perfektionismus begleite sie schon ihr gesamtes Leben.

Ihr Studium der Medien und Information schloss sie mit Notenschnitt 1,1 ab. „Ich habe Hausaufgaben geliebt, hätte am liebsten die der anderen mit erledigt“, sagt die frühere Reiterin, die bei der Schuldnerberatung AdvoNeo mit Hauptsitz in Barmbek die Bereiche Marketing und IT leitet. Nach der Geburt ihres Sohnes brachte sie sich mithilfe von Einzeltraining wieder in Leistungssportform.

Warum suchte sie nie den Weg in die Bundesliga?

Warum eine Perfektionistin wie sie nie den Weg in die Bundesliga suchte? „Weil ich meinem Beruf und meiner Familie Vorrang gegeben habe“, sagt sie. Wissen, ob es für das Oberhaus gereicht hätte, würde sie zwar schon gern. „Aber ich bin sehr glücklich damit, jetzt beim ETV zu sein, das ist ein toller, sehr familiärer Verein.“ Mit dem sie in der kommenden Saison in der Zweiten Liga Pro, einer zwischen Bundesliga und Zweiter Liga neu eingeführten Spielklasse, antreten möchte.

Auch wenn die Qualifikation dafür nicht auf sportlichem, sondern auf wirtschaftlichem Weg erfolgt, soll die Rückrunde der Saison 2022/23, die an diesem Sonnabend (15 Uhr, Sporthalle Hoheluft) gegen den Tabellenletzten Schweriner SC II beginnt, nach Jana Meisers Vorstellung deutlich besser laufen als die Hinrunde. Mit zwölf Punkten ist der ETV Neunter.

Verletzungs- und krankheitsbedingte Ausfälle hätten in den ersten zwölf Saisonspielen bessere Leistungen verhindert, „vom Potenzial her können wir es meiner Meinung nach aber unter die Top vier schaffen“, sagt die Führungsspielerin – und hat recht damit. Groß zu denken ist auch für die Kleinste ein gutes Rezept.