Doha. Der Bundestrainer will trotz des WM-Debakels im Amt bleiben. Die Chancen sind gut – wenn seine Analyse am Mittwoch überzeugt.

Die Arbeit ging sofort weiter. Während viele Nationalspieler schon am Wochenende ihren Urlaub antraten, hatte Hansi Flick Hausaufgaben zu erledigen. Der Bundestrainer muss analysieren, was schiefgelaufen ist bei der Weltmeisterschaft, bei der die deutsche Nationalmannschaft wie schon 2018 in einer lösbaren Gruppe scheiterte. Er muss zudem aufzeigen, wie es künftig besser laufen soll. Und er muss mit seinen Gedanken den DFB-Präsidenten Bernd Neuendorf und den DFL-Aufsichtsratsvorsitzenden und ersten DFB-Vizepräsidenten Hans-Joachim Watzke überzeugen – das ist der klare Arbeitsauftrag, den Neuendorf erteilt hat. Nach aktuellem Stand wird sich der Bundestrainer am Mittwoch erklären müssen.

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Bis dahin ist Flick erst einmal abgetaucht, offizielle Wortmeldungen sind weder von ihm noch von anderen Verfahrensbeteiligten zu erwarten. Man werde „keine Wasserstandsmeldungen“ abgeben, heißt es in einem halboffiziellen Kommuniqué aus dem Verband. Mehr und mehr zeichnet sich aber ab, dass Flick sich keine zu großen Sorgen um seinen Job machen muss, dass ihm – um im Sprachbild zu bleiben – das Wasser keinesfalls bis zum Hals steht.

Was traut der DFB Flick noch zu?

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Flick selbst hatte ja schon in der Nacht auf Freitag, unmittelbar nachdem das bittere Aus feststand, verkündet, dass er gerne weitermachen will. Begründung: „Mir macht es Spaß.“ Ihn reize die Aufgabe, mit der Mannschaft zu arbeiten und sie zur Heim-Europameisterschaft 2024 zu führen, meinte der 57-Jährige zudem.

Nun ist die Frage, ob der Bundestrainer Spaß an seiner Arbeit hat, nach dem Debakel von Katar natürlich nicht die entscheidende Frage. Wichtiger ist, ob sein Arbeitgeber noch Spaß am Bundestrainer hat, ob der DFB Flick noch zutraut, die Mannschaft in eine erfolgreichere Zukunft zu führen. Präsident Neuendorf hatte dies ja demonstrativ offengelassen, als er kurz vor Abflug aus Doha am Freitag die Einberufung der Krisensitzung ankündigte und die Verantwortlichen zur umfassenden Analyse aufforderte.

Das Vertrauen scheint nach wie vor groß

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Sollte diese Analyse nicht komplett enttäuschend ausfallen, sollte dem einstigen Mittelfeldspieler Flick kein brutaler Stockfehler unterlaufen, wird er aller Voraussicht nach auch in der kommenden Woche noch im Amt sein. Ja, Flick hat Fehler gemacht, das weiß man auch im Verband, und diese Fehler sind längst rauf und runter diskutiert: das sogenannte Kurztrainingslager im Oman, das keine Erkenntnisse brachte, aber viel Zeit fraß. Die fehlende Achse und Identität der Mannschaft vor dem Turnier und auch während des Turniers. Fehleinschätzungen bei Aufstellungen (Thomas Müller!), Auswechslungen (Ilkay Gündogan!) und Taktik (keine Umstellung gegen Japan!). Und dazu ein unsouveränes Auftreten, zumindest nach außen.

Und doch scheint sich im Verband die Ansicht durchzusetzen, dass der Bundestrainer nach nur einem Jahr im Amt eine weitere Chance verdient hat – das Vertrauen in seine Fähigkeiten ist nach wie vor groß, auch wenn sein Nimbus als Sieben-Titel-in-anderthalb-Jahren-Trainer des FC Bayern gelitten hat. Und so mancher geht die Frage auch ganz pragmatisch an: Wer sollte es denn überhaupt stattdessen machen? Wer wäre besser geeignet?

Klopp lässt abwinken

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Jürgen Klopp, der Favorit des Volkes, hat ja längst öffentlich abgewinkt, oder besser: abwinken lassen. „Das ist ein Medienthema“, sagte sein Berater dem Pay-TV-Sender Sky. „Jürgen hat in Liverpool einen Vertrag bis 2026, und er hat vor, diesen zu erfüllen.“ Zu sehr brennt Klopp noch für die Aufgabe als Klubtrainer, für die tägliche Arbeit mit seinen Spielern auf dem Trainingsplatz. Ähnliches ist auch aus dem Umfeld von Thomas Tuchel zu hören, der derzeit zwar ohne Job ist – aber wohl nicht auf die Aufgabe beim DFB schielt. Und auch im Verband ist man sich ja längst nicht sicher, ob man sich auf den eigenwilligen Charakterkopf Tuchel einlassen wollen würde – was so oder so ähnlich auch für Ralf Rangnick gilt.

Außerdem: Anderthalb Jahre vor der Heim-EM schon wieder alles umwerfen, schon wieder einen neuen Trainer installieren – das will so richtig auch niemand im Verband. Und so ist die Hoffnung groß, dass Flick in seiner Analyse die richtige Mischung findet zwischen Ursachenforschung, Selbstkritik und Lösungsansätzen. Und es so den Entscheidungsträgern leicht macht, ihm die nächste Chance einzuräumen