Doha. Iran und die USA kämpfen um das Achtelfinale. Beide Länder sind verfeindet – und im Iran wird die Protestbewegung brutal unterdrückt.

Es kommt derzeit weniger darauf an, was gesagt wird, sondern was verschwiegen wird, wenn Irans Trainer Carlos Queiroz über seine Mannschaft und das Land spricht, für das er arbeitet. „Unsere Mission ist zu unterhalten“, sagt der 69-Jährige am Montag im Pressezentrum von Doha. „Der Fußball soll gewinnen, das ist unser Ziel“, ergänzt der Portugiese. Und plötzlich applaudieren einige Journalisten (allesamt Männer) aus dem Iran.

Iran-Spieler zwischen den Extremen

Queiroz sei ein guter Botschafter des Landes, erklären sie anschließend den verwunderten westlichen Kollegen, die solche Solidaritätsbekundungen von Medienschaffenden nicht kennen. Das Ausland würde versuchen, den Iran schlecht zu machen, einen Keil zwischen die Mannschaft und die Fans zu treiben. Proteste gebe es überall, die Lage in den USA sei viel schlimmer.

Iran-Trainer Carlos Queiroz ist darum bemüht, den Fokus auf das Sportliche zu lenken.
Iran-Trainer Carlos Queiroz ist darum bemüht, den Fokus auf das Sportliche zu lenken. © AFP

Der kurze Austausch verdeutlicht, wie das Mullah-Regime und dessen Unterstützer versuchen, wieder die Deutungshoheit über die Nationalmannschaft des Iran zu erlangen. Die Widerstände im eigenen Land sollen aus der Berichterstattung verschwinden, der Ball soll in den Vordergrund rollen. Die Machthaber wollen vor allem vor dem Duell an diesem Dienstag (20 Uhr/ARD) gegen die Vereinigten Staaten von Amerika jegliche Misstöne verdrängen.

Seit 1980 bestehen zwischen den beiden Nationen keine diplomatischen Beziehungen mehr. Auf beiden Seiten wird das Feindbild genutzt, um von Problemen abzulenken. Der Drohnenangriff auf den iranischen General Qasem Soleimani im Januar 2020 hat die Situation noch einmal verschlechtert. Zusätzlich protestieren nun viele Iranerinnen und Iraner gegen das eigene Regime und setzen sich ausgerechnet für die Werte ein, für die die USA noch immer stehen, riskieren dafür sogar ihr Leben. Denn die Machthaber in der islamischen Republik drücken die Freiheitsbewegung brutal nieder.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von einem externen Anbieter, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

All das wabert im Hintergrund, wenn der Iran gegen die USA antritt und Historisches erreichen könnte. Das Land am Persischen Golf könnte erstmals ins Achtelfinale einziehen. Schon ein Punktgewinn würde dafür genügen, es sei denn, Wales schlägt England im Parallelspiel (20 Uhr/Magenta TV). Die USA benötigen stattdessen einen Sieg, um im Turnier zu bleiben.

Die iranischen Nationalspieler bewegen sich dadurch zwischen den Extremen. Sie könnten ihren größten Erfolg feiern, während auf den Straßen Menschen sterben. Vor dem ersten Gruppenspiel gegen England (2:6) hatten die Fußballer bei der Hymne aus Solidarität mit der Protestbewegung geschwiegen. Viele Fans hatten Tränen in den Augen; das Staatsfernsehen stoppte die Übertragung; die Öffentlichkeit staunte über den Mut der Iraner, die dafür sogar im Gefängnis landen könnten. Beim zweiten Spiel gegen Wales am Freitag, das durch zwei Tore in der Nachspielzeit gewonnen wurde, sangen die Profis wieder mit, sie verzichten seitdem auf Solidaritätsbekundungen. Die genauen Gründe bleiben undurchsichtig. Genauso wie die Rolle von Trainer Carlos Queiroz, der demonstrativ den Sport in den Vordergrund rückt. Aus Angst? Oder um sich nun auf den Fußball zu konzentrieren?

US-Verband verändert Flagge

Vor dem Wales-Spiel wurde der Ex-Nationalspieler Vouira Ghafouri (35) verhaftet, der für seine regimekritische Haltung bekannt ist. Dies dürfte auch den Spielern um Sardar Azmoun vom Bundesligisten Bayer Leverkusen deutlich gemacht haben, was ihnen drohen könnte.

Auch interessant

Die Kritiker befürchten, dass ein Erfolg der Nationalmannschaft instrumentalisiert werden könnte, um von den Protesten und Toten abzulenken. Dagegen versuchen viele Menschen anzuarbeiten, auch in Katar tragen viele Iranerinnen und Iraner die Symbole der Protestbewegung.

Der US-Verband hatte sich am Wochenende mit der Protestbewegung im Iran solidarisiert und dafür das Emblem der Islamischen Republik aus der Flagge des kommenden Gegners entfernt. Diese Version wurde 24 Stunden lang in den Sozialen Netzwerken benutzt. Die Geste solle die „Solidarität mit den Frauen im Iran zeigen“, sagte ein US-Sprecher. Der Iran reagierte empört, der Verband des Landes legte eine Beschwerde bei der Fifa ein.

Iran gegen USA: 1998 gab es eine Umarmung

Ein Bild wird nun wieder häufiger herausgekramt, aufgenommen wurde es vor 24 Jahren. Damals, 1998 bei der WM in Frankreich, umarmten sich die Spieler der iranischen und der US-amerikanischen Nationalmannschaft. Ein Zeichen der Verständigung vor dem gemeinsamen WM-Spiel, das der Iran 2:1 gewann. Diese Aufnahme kann als Beleg dienen, dass Verständnis möglich sein kann. Oder aber dafür, dass sich das Verhältnis der beiden Länder in den vergangenen 24 Jahren nicht weiterentwickelt hat.