Doha. Christian Eriksen führt Dänemarks Nationalmannschaft wieder an. Beim 0:0 gegen Tunesien gab es beinahe ein filmreifes Ende.

Das Normale war das Besondere. Christian Eriksen hatte bereits geduscht, einen blauen Anzug übergezogen, weiße Turnschuhe verzierten seine Füße, als er die Fragen der Journalisten beantwortete. „Ich bin froh, hier zu sein. Ich bin froh, wieder für Dänemark spielen zu können“, sagte der 30-Jährige. 528 Tage nach seinem dramatischen Herzstillstand durfte er wieder hier stehen, im Education-City-Stadion in Doha, und über Fußball sprechen. Normalität. So schön.

Und fast hätte die Partie gegen Tunesien eine filmreife Wendung genommen. In der 69. Minute kratzte Tunesiens Torhüter Aymen Dahmen einen Schuss von Eriksen mit der Hand aus der rechten Ecke. Eriksen hatte sich zu diesem Zeitpunkt nach der Auswechslung von Simon Kjaer bereits die Kapitänsbinde (eine gelbe und nicht die „One Love“-Binde) übergezogen. Ein Tor als Kapitän, das wäre wohl zu kitschig geworden.

Kleiner Rückschlag für Dänemark

So fehlten am Ende die Treffer – trotz guter Gelegenheiten. Dänemarks Andreas Cornelius wirkte etwas unbeholfen, als er im Fallen aus einem Meter nur an den Pfosten köpfte (70.). Tunesien ärgerte sich, weil der Treffer von Issam Jebali aufgrund einer Abseitsstellung aberkannt wurde (23.). In Katar leben viele Tuneserinnen und Tunesier, ihr Gesang erfüllte das Stadion über 90 Minuten und trug den Außenseiter zu diesem Punktgewinn. Das 0:0 muss als kleiner Rückschlag für Dänemark gewertet werden, nachdem im vergangenen Jahr der Sprung ins Halbfinale der Europameisterschaft gelungen war. Einige bezeichnen die Mannschaft von Trainer Kasper Hjulmand sogar als Geheimfavoriten.

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Nur weiß das Land, dass es Wichtigeres gibt als Tore. Vor anderthalb Jahren kollabierte Christian Eriksen bei der Europameisterschaft gegen Finnland vor den Augen der Öffentlichkeit, kämpfte um sein Leben. Die Mitspieler bildeten einen Kreis um ihn, viele weinten. Er sei "fünf Minuten tot" gewesen, sagte er später und startete anschließend einen bemerkenswerten Weg zurück in den Profifußball mit einem implantieren Defibrillator.

Verantwortung bei Manchester United

In Italien durfte er deswegen nicht mehr weiterspielen. Eriksen verließ Inter Mailand, hielt sich bei seinem Jugendklub Odense BK fit. Es folgten drei Meilensteine. Erst gab ihm im Januar der FC Brentford die Möglichkeit, wieder in der englischen Premier League als Profi aufzulaufen. Dann kehrte er im März in die dänische Nationalmannschaft zurück. Schließlich verpflichtete ihn im Sommer der englische Spitzenklub Manchester United, dort trägt er unter Trainer Erik ten Hag die Verantwortung im Mittelfeld. Wie bei Dänemark.

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"Ich wollte immer zurückkommen und wieder der sein, der ich vorher war. Aber mein erstes Ziel war es immer, ein Freund und Vater zu sein. Die einfache Tatsache, am Leben zu sein und bei meiner Familie zu sein, weiß ich jetzt voll und ganz zu schätzen", erzählte Eriksen schon vor dem Spiel. „Er ist unser Herz, unser Herzschlag. Er ist ein fantastischer Spieler und eine noch bessere Person. Er gibt uns so viel“, berichtete Trainer Hjulmand.

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Die Dänen schafften selbst ohne ihren besten Spieler bei der EM 2021 den Sprung bis ins Halbfinale, scheiterten dort an England. Bei der Weltmeisterschaft spricht Trainer Kasper Hjulmand jetzt überraschend mutig davon, den Titel holen zu wollen. „Wir denken groß.“ Zunächst muss jedoch erst mal das Weiterkommen in der Gruppe mit Tunesien, Weltmeister Frankreich und Australien gelingen. Nach dem Unentschieden steht Dänemark am kommenden Samstag gegen Frankreich (17 Uhr deutscher Zeit) unter Druck. „Wir wollten gewinnen, das hat nicht geklappt. Es sind immer noch zwei Spiele“, sagte Eriksen. Normalität.