München. Beim ersten NFL-Spiel auf deutschem Boden besiegt Tampa Bay in München Seattle mit 21:16. Im Fokus stand Weltstar Tom Brady.

Es schien etwas unwirklich. Auf der großen Video-Leinwand in Münchens Allianz-Arena erschien Tom Brady, der größte American-Football-Spieler der Geschichte, und rief: „Go Bucs! Und auf geht’s Deutschland!“ Doch das war keine Werbung, unten auf dem Rasen stand Brady selbst, im Trikot der Tampa Bay Buccaneers. Im historischen ersten Spiel der Profiliga NFL auf deutschem Boden lieferte der 45-Jährige in seinem wahrscheinlich letzten Jahr eine große Show ab und führte sein Team zum 21:16-Sieg über die Seattle Seahawks.

Dort, wo sonst die Fans des FC Bayern stehen, verteilten sich 69.811 American-Football-Fans, drei Millionen Ticket-Anfragen für die Partie waren eingegangen. Ein beachtlicher Teil der Anhänger war bereits in den Tagen zuvor angereist und hatte große Teile der Münchener Innenstadt in eine Football-Partymeile in vielen Farben verwandelt. Fünf Restaurants wurden zu „Football Pubs“, darunter zum Beispiel das Hofbräuhaus. Auch NFL-Idole und Klubmanager ließen sich dort fotografieren, wie sie volle Bierkrüge stemmten – und die amerikanischen TV-Sportsender, die viele Stunden aus München übertrugen, fanden ebenso Spaß daran, Tellersülze und Brez´n zu probieren.

Auch die Offiziellen waren für ein paar Tage nach Deutschland geflogen, darunter Liga-Chef Roger Goodell. Goodell, sonst nicht als Mann großer Emotionen bekannt, schwärmte: „In der ganzen Stadt ist die riesige Vorfreude zu spüren. Unglaublich, was hier los ist. Wir hatten das Gefühl, dass die NFL hier sehr erfolgreich sein kann. Und ich glaube, wir hatten Recht.“ Goodell brachte gar eine Europa-Division der NFL ins Gespräch – das wäre nicht nur ein Spiel pro Jahr, sondern vier eigene europäische Mannschaften.

Cro tritt in München auf - keine Pfiffe der NFL-Fans

Auch Goodell verfolgte vor dem Spiel an der Seitenlinie, wie sich die Arena langsam füllte, wie Ex-NFL-Profi Björn Werner über die Videoleinwand einheizte. Wie 15 Minuten vor dem Kick-off Rapper Cro eine in Windeseile aufgebaute Tribüne betrat. Pfiffe gab es nicht – beim Fußball wäre eine solche Show vor einem Spiel oder in der Halbzeit völlig verpönt, Helene Fischer lässt grüßen.

Natürlich trugen viele Fans Trikots, Mützen, Hosen der beiden beteiligten Teams, die Sympathien während des Spiels waren verteilt. Aber auch Fans der anderen 30 NFL-Teams kamen in Fankleidung ins Stadion – eine große Football-Party eben. Einig waren sich die Fans nur, als einige Spieler des FC Bayern eingeblendet wurden, die zu den Zuschauern gehörten. Da gab es Pfiffe. Im eigenen Stadion.

Denn im Mittelpunkt stand eindeutig Tom Brady, omnipräsent auf den Video-Leinwänden, da die Buccaneers auf dem Spielplan die Heimmannschaft stellten. Einer der größten Sportler der Gegenwart in Deutschland, wer hätte das vor wenigen Jahren noch erwartet? Vor dem Spiel hatte Brady noch gesagt: „Du wirst dich nicht an alle Spiele in deiner Karriere erinnern, aber an dieses wirst du dich erinnern.“ In zwei Ländern außerhalb der USA hatte er bereits Spiele gewonnen. Und nach Mexiko und England wollte er Deutschland auf seine persönliche Liste hinzufügen.

Buccaneers mit Tom Brady dominieren das Spiel

Die Münchener Luft bekam Brady sehr gut, die Buccaneers dominierten direkt das Spiel, obwohl sie schlechter in die Saison gestartet waren als die Seahawks. Bis zu den ersten Punkten dauerte es allerdings ein wenig. Erst im zweiten Quarter fand Brady Julio Jones, der einen 32-Yards-Pass zum Touchdown fing – nach dem Extrapunkt hieß es 7:0 für Tampa Bay. Nur wenig später lief Leonard Fournette in Seattles Endzone – wieder saß der Extraschuss, 14:0. Die Seahawks kamen insgesamt in den ersten 30 Minuten nur zu 57 Yards Raumgewinn, ein miserabler Wert. Die Fans feierten ihr Fest weiter, zwischendurch schwappte La Ola durch die Allianz-Arena. Und die vielen Pausen, die ein Football-Spiel mit sich bringt, überbrückten Hits wie Dancing Queen, Seven Nation Army, Jump Around, Mr. Brightside und, und, und – eben alles, was so mitgebrüllt werden kann.

Erst in der zweiten Hälfte gestalteten sich die Seahawks als ebenbürtiger Gegner. Ihnen gelang ein Field Goal durch Jason Myers (zum 3:14) und zwei Touchdowns durch Tyler Lockett (zum 9:21) und Marquise Goodwin (mit Extrapunkt zum 16:21), zudem fingen die Verteidiger zwei Pässe der Buccaneers ab – Interception.

Aber am Ende war derjenige der Sieger, der in den vergangenen 21 Jahren alles gewonnen hat und viele Rekorde hält: Brady, nach der Pause nicht mehr so dominant wie zuvor, gelang ein zweiter Touchdown-Pass auf Chris Godwin – der entscheidende des Tages, denn nach dem Extraschuss stand es 21:3.

Alle Fans gingen zufrieden nach Hause. Bis zum nächsten Deutschland-Spiel dauert es ein Jahr. Es steigt dann in Frankfurt. Dann aber wohl ohne Brady.