Manchester. In der Premier League hat Erling Haaland alle Zweifel rasend schnell zerschossen. Manchester City gilt nun reif für den CL-Titel.

Ein kurzer Ausflug zu einem Spiel, das sich anfühlt, als würde es Jahre zurückliegen. Der FC Liverpool besiegte Manchester City 3:1 und sendete damit das Signal an den englischen Fußball, dass mit Jürgen Klopps Mannschaft zu rechnen ist im Kampf um die Meisterschaft. Beim Gegner stand Erling Haaland im Blickpunkt, der eine traurige Leistung zeigte und zwei Großchancen vergab. Dieser Haaland, da war sich Englands Presse sicher, würde Zeit brauchen, er würde Probleme haben mit dem Niveau der Premier League.

Dieses Spiel, der englische Supercup, fand Ende Juli statt. Dass es sich anfühlt, als wäre es Ewigkeiten her, liegt an der Entwicklung der Protagonisten. Liverpool hat den schlechtesten Saisonstart seit zehn Jahren erlebt mit nur zwei Siegen aus acht Spielen und muss im Liga-Duell mit Manchester City am Sonntag (17.30 Uhr/Sky) eine Demontage fürchten. Das liegt auch an Haaland, der die Zweifel aus dem Supercup an seiner Tauglichkeit für den englischen Fußball zerfetzt, in Stücke geschossen und zu Staub verarbeitet hat.

Mit der Kraft von Papas Lasagne

Wer Haaland, 22, bei Borussia Dortmund erlebt hatte, wusste um seine außergewöhnlichen Fähigkeiten, doch wie er bei Manchester City eingeschlagen hat, verblüfft sogar Kenner. In der Premier League hat er bei neun Auftritten 15 Mal getroffen. Rechnet man das hoch auf die ganze Saison, könnte er am Ende der Spielzeit bei monumentalen 63 Treffern stehen. Seine Torquote hat etwas Übernatürliches, Roboterhaftes. Ein Fan von Manchester United hat im Internet bereits eine Petition gestartet, die Haalands Verbannung vom Spielbetrieb fordert – „weil es einfach nicht fair ist“. City-Mittelfeldspieler Jack Grealish berichtete nach dem 5:0 in der Champions League gegen den FC Kopenhagen (zwei Haaland-Tore) von einem Austausch mit dem gegnerischen Torwart. Dieser soll gestaunt haben, dass Haaland „kein Mensch“ sei.

Was gegen diese gewagte These spricht: Haaland wird nicht mit Kerosin oder Diesel betrieben, sondern zieht seine Kraft aus der Lasagne, die sein Vater Alfie vor jedem Heimspiel zubereitet. Haaland Senior trug ebenfalls einst das Trikot von Manchester City. Seinen Platz in der englischen Fußball-Folklore verdankt er der Tatsache, dass ihn Manchester Uniteds Kapitän Roy Keane im April 2001 so schwer foulte, dass er danach nie wieder richtig spielen konnte. Gerade nahm die Familie Haaland Revanche. Manchester City besiegte United 6:3. Erling schoss drei Tore, Vater Alfie applaudierte auf der Ehrentribüne.

Durch Haaland wirkt das Team unbesiegbar

Für die Premier League ist es ein Problem, dass die ohnehin schon beste Mannschaft noch einmal besser geworden ist mit Haaland. Eigentlich preist sich die Liga dafür, dass mehrere Mannschaften Meister werden können. Doch dieses Alleinstellungsmerkmal ist schon länger eine Illusion. In den vergangenen fünf Saisons ging der Titel in England vier Mal an Manchester City. Nur 2020 konnte Liverpool die himmelblaue Herrlichkeit stören. Der Absturz von Jürgen Klopps Klub in dieser Saison zeigt aber, dass es Vereinen mit weniger Geld nur für begrenzte Zeit möglich ist, mit Manchester City mitzuhalten. Im Moment führt der FC Arsenal die Tabelle an, doch es gibt in England keine Zweifel, dass der Meister wieder aus dem Osten Manchesters kommen wird. Dank Haaland wirkt das Team endgültig unbesiegbar.

Der Ex-Dortmunder hat sich optimal in Pep Guardiolas System eingefügt. Es kursiert der Mythos, dass der Trainer für ihn seine Spielweise umgestellt hat und die Mannschaft neuerdings mit mehr langen Bällen und Flanken operiert, doch das stimmt nicht, wie die „Times“ beobachtet hat: „Das Aufbauspiel ist weitgehend dasselbe geblieben. Der einzige Unterschied: Anstatt eine falsche Neun zu haben, die sich gelegentlich zurückfallen lässt, bleibt Haaland im Strafraum und verwertet seine Chancen gnadenlos.“

Gewinnt Manchester City jetzt also endlich die Champions League?

In der Theorie steht den Königsklassen-Ambitionen nichts mehr im Wege. In der Praxis allerdings war der Klub auch in den vergangenen Jahren schon gut genug für den Champions-League-Titel und scheiterte an sich selbst, beziehungsweise: an fragwürdigen Personal-Entscheidungen von Guardiola in wichtigen Spielen. Diese Zeiten könnten vorbei sein. Auf Haaland zu verzichten, war bislang nur bei unbedeutenden Terminen eine Option – zum Beispiel in dieser Woche, in der Champions League im Rückspiel beim FC Kopenhagen. Guardiola schonte den Torjäger, die Partie endete: torlos.