Hamburg. Das Tennistalent aus der Hansestadt startet bei den Hamburg European Open erstmals im Hauptfeld – und will Druck unbedingt vermeiden.

Im Leistungssport, in dem Ergebnisse gefordert sind, geht bisweilen das verloren, was für die meisten Profis ursprünglich der wichtigste Grund für die Berufswahl war: der Spaß an ihrem Sport. Eva Lys hat diesen Moment Anfang April erlebt. Beim ITF-Turnier in Oeiras (Portugal) unterlag die 20-Jährige in der ersten Qualifikationsrunde der Brasilianerin Ingrid Gamarra Martins im Matchtiebreak des dritten Satzes – und war so frustriert von ihrem Auftritt, dass Krisengespräche mit ihren Eltern nötig waren, um den Fokus neu auszurichten.

„Ich habe gemerkt, dass ich mir selbst viel zu viel Druck gemacht habe, aber Tennis nicht mehr so genießen konnte, wie ich es möchte. Seitdem ist mein wichtigstes Ziel, Spaß zu haben und die Kleinigkeiten wertzuschätzen“, sagt die deutsche Nachwuchshoffnung, die an diesem Montag eine Premiere erlebt, auf die sie lange hingefiebert hat.

Tennis: Eva Lys dank Wildcard im Hauptfeld

Nachdem sie im vergangenen Jahr in der Qualifikation ausgeschieden war, darf die Absolventin der Eliteschule des Sports am Alten Teichweg dank einer Wildcard erstmals im Hauptfeld der Hamburg European Open am Rothenbaum aufschlagen. „Mehr Heimspiel geht nicht“, sagt Eva Lys, die mit dem Club an der Alster im Juni in die Bundesliga aufgestiegen war und fast jeden Tag auf der Anlage an der Hallerstraße trainiert.

Vor ihrem Auftaktmatch gegen Maria Carlé (22/Argentinien/Nr. 144), die sich durch die Qualifikation ins Hauptfeld kämpfte, versucht sie die Aufregung mit Vorfreude zu verdrängen. Vergangene Woche wollte sie beim WTA-Turnier in Lausanne (Schweiz) in der Qualifikation Matchpraxis sammeln, um nach der mit zwei Matches sehr kurzen Rasensaison wieder auf Sand anzukommen. Daraus wurden vier Matches, im Achtelfinale unterlag sie ihrer guten Freundin Jule Niemeier (22/Dortmund), erst in der Nacht zum Freitag war sie zurück in Hamburg.

„Meine Erwartungshaltung ist, dass ich mich riesig darauf freue, hier vor vielen Zuschauern zeigen zu können, was ich kann“, sagt die 165 Zentimeter große Rechtshänderin, die gegen die Bezeichnung „Rampensau“, die ihr Turnierbotschafterin Andrea Petkovic bescheinigt, keine Einwände hat. „Ich finde es cool, dass sie das gesagt hat. Ich sehe das als Kompliment“, sagt sie.

Tennis: Eva Lys will beim Turnier Spaß haben

Eva Lys ist ein emotionaler Mensch, Gefühle trägt sie gern nach außen. Auch deshalb hatte sie, nachdem Russland ihr Geburtsland Ukraine überfiel – die Familie war aus Kiew nach Hamburg gekommen, als Eva ein Jahr alt war –, mehrfach ihre Meinung dazu vertreten und geschildert, wie hart die ersten Kriegswochen mental für sie waren. „Das Leben geht weiter“, sagt sie nun. Die Gedanken sind dennoch täglich in der Heimat ihrer Familie. Die Entscheidung der Damentennisorganisation WTA, Russinnen und Belarussinnen nicht unter Landesflagge antreten zu lassen, hält sie für ein richtiges Signal.

Viel lieber schaut Eva Lys, die weiterhin von ihrem Vater Wladimir Lys trainiert und von Rothenbaum-Turnierdirektorin Sandra Reichel beraten wird, auf das, was kommen soll. Die Top 200 zu knacken, das schien noch Ende 2021, als sie an Position 340 rangierte, weit entfernt. „Nun werde ich in dieser Woche an Position 179 stehen und hätte das nie gedacht“, sagt sie. Die Qualifikation für die US Open in New York Ende August darf sie spielen, Gleiches will sie im Januar in Australien schaffen. Spaß zu haben ist ein tolles Ziel. Ergebnisse zu liefern hilft, es zu erreichen.