Hamburg. Nach der Ankündigung des Deutschen Tennis Bundes, von 2024 an mit einem neuen Partner zu arbeiten, spitzt sich der Streit zu.

Über die Zukunft des Herrentennisturniers am Hamburger Rothenbaum bahnt sich eine Auseinandersetzung zwischen dem aktuellen Veranstalter, der Unternehmerfamilie Reichel, und dem Deutschen Tennis Bund (DTB) an. Nachdem das Abendblatt am Dienstag berichtet hatte, dass der DTB als Lizenzinhaber von 2024 an mit einem neuen Partner zusammenarbeiten will, reagierte nun Peter-Michael Reichel sehr überrascht auf diese Entwicklung.

Er sieht das Turnier, anders als der Dachverband, mindestens noch bis 2025 unter der Regie seiner Tochter Sandra, die Turnierdirektorin ist. „Wir gehen davon aus, dass unser Vertrag mit dem DTB zumindest als Ausgleich für die zwei Corona-Jahre, in denen er von beiden Seiten nicht in vollem Umfang erfüllt werden konnte, verlängert wird. Natürlich wollen wir nach unserer erfolgreichen Weiterentwicklung des Turniers langfristig in Hamburg dabei sein“, sagte der 69 Jahre alte Österreicher dem Abendblatt.

Tennis am Rothenbaum: Reichel vom DTB überrascht

Der Unternehmer hatte mit seiner Tochter die Lizenz zur Ausrichtung im Jahr 2019 von Michael Stich übernommen. 2020 und 2021 hatte das Turnier unter starken pandemiebedingten Einschränkungen gelitten. In diesem Jahr schlagen vom 16. bis 24. Juli erstmals seit 1978 Damen und Herren wieder gemeinsam an der Hallerstraße auf, was die Reichels bei ihrer Übernahme als wichtigstes Ziel proklamiert hatten. Angesichts dieser Entwicklung, aber auch weil das Verhältnis zur Stadt Hamburg deutlich verbessert worden war, zeigte sich Peter-Michael Reichel überrascht von der DTB-Entscheidung, die Lizenz neu vergeben zu wollen.

„Vor allem warten wir auf eine Begründung für diesen Schritt. Ich bin von DTB-Präsident Dietloff von Arnim lediglich telefonisch darüber informiert worden, dass der DTB von 2024 an mit einem neuen Partner plant. Unser Turnier startet in knapp zwei Monaten, diese Diskussion ist völlig unerwartet, kommt zur Unzeit und kann auch nicht im Interesse des DTB sein“, sagt er. Mit der Stadt seien seine Tochter und er regelmäßig in Kontakt. „Das Verhältnis ist sehr gut, beide Seiten würden gern weiter miteinander arbeiten“, sagte er. Sportstaatsrat Christoph Holstein hatte dem Abendblatt bestätigt, vonseiten des DTB und der Reichels informiert worden zu sein. Man werde auch mit einem neuen Partner kooperieren, halte aber die jetzige Konstellation für sehr fruchtbar.

Das wirft der Tennis-Veranstalter dem Dachverband vor

Peter-Michael Reichel zeigte sich besonders verwundert über das Vorgehen des DTB, da im laufenden Vertrag festgelegt sei, dass der Verband bis spätestens Ende 2020 eine Absichtserklärung hatte abgeben sollen, ob die Kooperation über 2023 hinaus fortgeführt werden solle. „Leider hat der DTB sich dazu nie positioniert und uns in der Sache fast zwei Jahre im Unklaren gelassen. Natürlich sind wir darüber mehr als verwundert und enttäuscht“, sagte Reichel. „Dass wir so lang hingehalten werden, hat zudem viele aussichtsreiche Verhandlungen mit möglichen Sponsoren blockiert. Der DTB ist davon finanziell gar nicht betroffen, das ist einzig ein Thema für uns.“ Trotzdem wird DTB-intern der Fakt kritisiert, dass Hamburg einziges deutsches Turnier ohne Titelsponsor ist.

Ob man rechtliche Schritte gegen den DTB erwäge, ließ Peter-Michael Reichel zunächst offen. „Wir warten erst einmal die offizielle Begründung ab und hoffen, dann einen Weg zu finden, der beiden Seiten gerecht wird“, sagte er. Das im vergangenen Jahr erstmals seit 2002 wieder in Hamburg ausgespielte Damenturnier, dessen Lizenz die Reichels allein halten, losgelöst vom Herrenturnier weiter am Rothenbaum auszutragen, sei auf jeden Fall eine Option. „Sandra ist mit Hamburg mittlerweile eng verwurzelt, sie würde gern weiter in der Stadt veranstalten. Aber es wäre ein Jammer, wenn wir die Turniere wieder voneinander trennen müssen, denn kombinierte Turniere sind das beste Format für unseren Sport.“ Der DTB habe leider den gemeinsamen Erwerb der WTA-Lizenz abgelehnt.

Mastersturnier in Deutschland seit Monaten in der Diskussion

Tatsächlich hält sich im Verband die Begeisterung über das kombinierte Turnier in Hamburg in Grenzen, von einem Alleingang der Reichels ist die Rede. Hintergrund könnte sein, dass die 500er-Lizenz bei den Herren (500 Weltranglistenpunkte für den Sieger) benötigt wird, um sie mit der 500er-Lizenz des Rasenturniers in Halle (Westfalen) zu einer 1000er-Lizenz zu verschmelzen, was das Aus für Herrentennis im 2020 für zehn Millionen Euro renovierten Rothenbaum-Stadion bedeuten könnte. Ein Mastersturnier für Deutschland ist seit Monaten bei der Herrentennisorganisation ATP in der Diskussion, könnte aber nur auf Rasen in der Vorbereitung auf den Grand-Slam-Klassiker in Wimbledon ausgespielt werden. Deutschland ist der einzige weltweit wichtige Tennismarkt, der weder über ein Grand-Slam- noch ein Mastersturnier verfügt. Auch England gilt als Kandidat für ein weiteres europäisches Masters, hat aber nach dem Ausschluss russischer und belarussischer Profis für das Wimbledon-Turnier auf Weisung der britischen Regierung schlechtere Karten.