Hamburg. Valentin Altenburg fehlt bei den Pro-League-Spielen in Indien am Wochenende, weil der A-Kader eine neue Spielidee einstudieren muss.

Temperaturen jenseits der 35 Grad und hohe Luftfeuchtigkeit werden in Bhubaneswar erwartet, wenn die deutschen Hockeydamen an diesem Sonnabend und Sonntag (jeweils 12.30 Uhr MEZ/Dazn) die Pflichtspielsaison 2022 mit zwei Pro-League-Spielen gegen Indien eröffnen. Ihren Cheftrainer kann das kalt lassen, denn Valentin Altenburg befindet sich im Skiurlaub. Was zunächst absurd klingt, ist Teil eines Plans, den der Hamburger bei seiner Amtsübernahme zu Jahresbeginn mit seinem gesamten Stab ausgeklügelt hatte.

„Der Wunsch der Mannschaft war, dass wir eine gemeinsame Spielidee entwickeln, die sich auch gegen Widerstände durchsetzen lässt. Um so etwas zu implementieren, braucht es allerdings etwas Zeit, das geht nicht auf der Weltbühne im Spielbetrieb“, sagt Altenburg. Und so entschied man beim Deutschen Hockey-Bund (DHB), die Indien-Reise mit einem Perspektivteam zu bestreiten, das die neue Generation des deutschen Damenhockeys verkörpern und sich in Bhubaneswar auf die aus dem Spätherbst 2021 auf 1. bis 12. April verschobene U-21-WM in Südafrika einspielen soll.

Wie sich die deutschen Hockeydamen auf Olympia vorbereiten

Die Betreuung des Teams, in dem mit Jette Fleschütz (Großflottbeker THGC), Emily Günther, Ida Köllinger (beide Uhlenhorster HC), Carlotta Sippel, Mali Wichmann und Felicia Wiedermann (alle Club an der Alster) sechs Hamburgerinnen stehen, übernimmt Juniorinnen-Bundestrainer Akim Bouchouchi.

Der etablierte A-Kader dagegen absolvierte zunächst Mitte Februar in Valencia (Spanien) und nun bis zum Donnerstag acht Tage lang in Mannheim unter Altenburgs Leitung zwei Grundlagenlehrgänge, um an den Stellschrauben zu drehen, die sich insbesondere mit der Viertelfinalniederlage bei den Olympischen Spielen in Tokio im August 2021 gelöst hatten. Als Resultat der Enttäuschung hatten DHB und Altenburgs Vorgänger, der Belgier Xavier Reckinger (38), ihre ursprünglich bis zu den Sommerspielen 2024 in Paris datierte Zusammenarbeit vorzeitig beendet.

Auf seiner Reise durch die Republik, bei der Valentin Altenburg alle Spielerinnen des erweiterten A-Kaders besuchte, um sich ein aussagekräftiges Bild seiner Mannschaft zu verschaffen, habe er gespürt, wie tief der Stachel der 0:3-Schlappe gegen Argentinien bei vielen derjenigen, die sie auf dem Feld miterleben mussten, noch saß. „Mir ist sehr deutlich geworden, dass dieses Erlebnis innerhalb des Teams nicht aufgearbeitet war und einem Neustart, den wir alle wollen, im Weg stand“, sagt er. Deshalb habe sich der Teil der Auswahl, der in Tokio dabei war, in Valencia zwei Tage früher getroffen, um in Begleitung der Hamburger Sportpsychologin Anett Szigeti die Olympia-Wunde zu schließen.

Für Altenburg ist es ein Aufbruch ins Ungewohnte

Nach den gemeinsamen Tagen von Mannheim ist Valentin Altenburg nun guten Mutes, den Neustart eingeläutet zu haben. Auch für den 40-Jährigen ist es ein Aufbruch ins Ungewohnte. Einen Cheftrainerposten im Damenbereich hatte der mit Ex-Nationalspielerin Lisa Altenburg verheiratete Vater zweier Kinder noch nicht inne, er war unter Bundestrainer Jamilon Mülders 2013/14 ebenso zwei Jahre Assistenzcoach wie in der vergangenen Saison bei den Bundesligadamen des Clubs an der Alster.

Eine Nationalmannschaft im laufenden Olympiazyklus zu übernehmen ist allerdings nichts Neues für ihn. 2015 ersetzte er ein Jahr vor den Rio-Spielen Trainerlegende Markus Weise, den es zum Deutschen Fußball-Bund zog, und holte mit den Herren in Brasilien die Bronzemedaille. „Der Unterschied damals war, dass ich als U-21-Chefcoach alle Spieler sehr lange kannte. Jetzt habe ich manche Spielerinnen zum ersten Mal getroffen“, sagt er.

Mit der Hilfe seines Stabs, zu dem auch der 2019 als Bundesstützpunktleiter in Hamburg zum Hockey zurückgekehrte Weise als Berater und Strafeckencoach zählt, habe er sich aber schnell einfinden können.

Das Ziel ist olympisches Gold in Paris

Die Spiele in Indien werden die Daheimgebliebenen gemeinsam virtuell verfolgen. Valentin Altenburg traut dem spielstarken Perspektivteam, in dem immerhin sieben Spielerinnen mit A-Kader-Erfahrung stehen, „durchaus zu, dass sie die Inderinnen mächtig ärgern“. Er selbst wird mit dem A-Kader am 22./23. März in Düsseldorf gegen Spanien sowie am 26./27. März in Mönchengladbach gegen die USA seine ersten Pro-League-Spiele als Chefcoach erleben.

Saisonhöhepunkt ist die WM vom 1. bis 17. Juli mit Vorrunde in den Niederlanden und Finalrunde in Spanien. „Da wollen wir unter die besten vier, das ist unser Anspruch, auch wenn bis dahin noch nicht alles bei 100 Prozent sein kann“, sagt er. Aber sie haben sich auf den Weg gemacht, der sie in Paris zur olympischen Medaille führen soll.