Peking/Hamburg. Für die deutschen Skilangläuferinnen gab es Silber. Auch die Männer mit bestem Ergebnis seit 2006. Teamgeist ist das Geheimnis der Erfolge.

Es gab einen, der diese Skilanglaufsensation von Zhangjiakou schon vor den Winterspielen vorausgesagt hatte. „Ich habe ein gutes Gefühl, dass etwas passiert, was noch niemand auf dem Schirm hat“, erklärte Erik Schneider, Disziplintrainer der deutschen Frauen, damals. Es wurde Olympiasilber für seine 4x5-km-Langlaufstaffel nach einem der dramatischsten Rennen der Loipengeschichte. Eine der bislang größten Medaillenüberraschungen aus deutscher Sicht bei den Spielen von Peking – und das erste olympische Edelmetall für die deutschen Skilangläuferinnen seit acht Jahren.

„Ich war noch nie im Leben so aufgeregt und habe so gebetet, dass es endlich klappt. Und es ist so verdient für das Team und Skilanglauf-Deutschland, weil wir schon so oft knapp gescheitert sind. Ich verspüre Dankbarkeit. Es war ein langer, harter Weg“, kommentierte Katharina Hennig.

Die 25-Jährige aus Oberwiesenthal ist die Vorzeigefigur einer neuen deutschen Langlaufgeneration. Über zehn Kilometer hatte sie am Donnerstag Bronze als starke Fünfte – das beste deutsche Olympia-Einzelresultat seit 16 Jahren – noch um 11,9 Sekunden verpasst. Am Sonnabend war es dann jedoch so weit, dank einer unglaublich mutigen Vorstellung von vier deutschen Frauen und grandios präparierten Brettern.

Olympia 2022: „Ich muss mich kneifen“

„Wir hatten einfach Raketen an den Füßen“, erklärte Katherine Sauerbrey. Die 24-Jährige aus Hallenberg, Tochter des einstigen WM-Medaillengewinners im Skispringen, Frank Sauerbrey, zeigte als Olympiadebütantin eine grandiose Startrunde: „Es ist eine meiner Stärken, cool zu bleiben. Ich wusste schon am Vorabend, dass das total geil wird.“ Das wurde es nach so vielen Enttäuschungen in den vergangenen Jahren tatsächlich: Sauerbrey übergab als Zweite an Hennig, die die bis dahin führenden Russinnen sogar noch überholte.

Die dreimalige Junioren-Weltmeisterin Victoria Carl (26/Zella-Mehlis) verteidigte die Spitzenposition. Schlussläuferin Sofie Krehl (26/Oberstdorf) musste zwar die Russinnen ziehen lasen, rettete aber Silber mit letzter Kraft hauchdünn vor Schweden und Finnland ins Ziel. „Die Mädels hatten mir so eine Super-Ausgangsposition mitgegeben. Und ich bin so stolz, dass ich es irgendwie ins Ziel geschafft habe“, erklärte Krehl. Der Rest war Jubel. Carl: „Ich muss mich kneifen, dass wir jetzt wirklich Silber haben. Es war so ein spektakuläres Rennen. Wenn ich mir das anschaue, werde ich immer Gänsehaut haben.“

Der Pressekonferenzraum von Team Deutschland wurde nach dem Triumph kurzerhand zur Partyzone umfunktioniert. Auf speziellen Wunsch der vier Silberfrauen, damit auch die nicht im Olympischen Dorf untergebrachten Techniker und Trainer den langersehnten Erfolg mitfeiern konnten.

Skilanglauf: Eine Frage des Teamspirits

Der Teamspirit ist eine wichtige Grundlage für den Aufschwung im deutschen Langlauf, den auch die 4x10-km-Männerstaffel am Sonntag mit Platz fünf unterstrich. Es war ihre beste Platzierung seit dem Silber 2006 in Turin. „Wir waren von unseren Frauen emotional total aufgeladen und haben auch von der Sensation geträumt. Rang fünf ist gut, aber bei Olympia zählt eben nur Platz eins bis drei, daher sind wir etwas enttäuscht“, sagte Schlussläufer Lucas Bögl (31/Gaißach). Bundestrainer Peter Schlickenrieder meinte: „Wir müssen realistisch bleiben und das Schicksal nicht überspannen. Silber gestern war ein Highlight und etwas vor dem Zeitplan.“

Janosch Brugger (24/Schluchsee) und Friedrich Moch (21/Isny) im klassischen sowie Florian Notz (29/Römerstein) und Bögl im freien Stil lagen 2:55,8 Minuten hinter Russland um Doppelolympiasieger Alexander Bolschunow (25), das sich mit 1:07,2 Minuten Vorsprung vor Norwegen durchsetzte. Bronze holte am Sonntag Frankreich (+1:16,4).

Teamchef Schlickenrieder hat nach seinem Amtsantritt vor vier Jahren einen Veränderungsprozess eingeleitet, der nun Früchte trägt. Der Olympiazweite von 2002 im Sprint setzt auf Eigenverantwortung: „Die Athleten nehmen das Zepter immer mehr selbst in die Hand. Sie gehen für den Erfolg sogar finanziell ins Risiko und haben zum Beispiel in der Vorbereitung im Sommer in Reisekosten und Verpflegung investiert.“

Zudem trägt Kompetenz aus den Erfolgszeiten von einst – rund um die Jahrtausendwende gehörte Deutschland zu den besten Skilanglaufnationen – zum Erfolg bei. Ex-Weltmeister Axel Teichmann und der ehemalige Gesamtweltcupsieger René Sommerfeldt gehören zum Trainerteam. Schlickenrieder: „Damals in den Erfolgszeiten wurde die Nachwuchsentwicklung vernachlässigt. Deshalb kämpfen wir jetzt um jedes einzelne Talent, damit es mal wieder einen Langlauf-Olympiasieger aus Deutschland gibt.“

Den gab es zuletzt 2002, als die deutsche Frauenstaffel sensationell Gold gewann. Es war der Auftakt für fast ein Jahrzehnt spektakuläre Erfolge für die deutschen Loipenspezialisten. Und auch diesmal könnte Silber eine neue Ära einläuten. Druck will sich Victoria Carl dennoch nicht machen: „Wir sind noch jung und kommen erst ins beste Langlaufalter. Aber jetzt wollen wir den Erfolg einfach mal genießen.“