Hamburg. Angela Braasch-Eggert und Katharina von Kodolitsch wollen HSB-Präsidentin werden. Die Entscheidung scheint bereits gefallen zu sein.

Das, was die Mitgliederversammlung des Hamburger Sportbundes (HSB) an diesem Sonnabend (11 Uhr) im Hotel Grand Elysée am Dammtor zu einem historischen Ereignis machen soll, ist in der Tagesordnung unter Punkt 15 versteckt. 73 Jahre lang standen ausschließlich Männer, meist ältere, an der Spitze des Dachverbands, mit rund 500.000 Mitgliedschaften in 818 Clubs die mit Abstand größte Personenorganisation der Stadt. Nun soll erstmals eine Frau in das höchste Amt des organisierten Sports gewählt werden.

Auf der Suche nach der Nachfolge für den nach sieben Jahren scheidenden Präsidenten Dr. Jürgen Mantell (77) hatte die HSB-Findungskommission Christian Okun (42), Sylvia Pille-Steppat (54), Angela Braasch-Eggert (72) und Katharina von Kodolitsch (50) empfohlen. Als der CDU-Politiker Okun am 29. Oktober Präsident des Hamburger Fußball-Verbandes (HFV) wurde, zog er seine Kandidatur zurück, während Pararuderin Pille-Steppat inzwischen nur noch Vizepräsidentin werden will.

HSB: Braasch-Eggert und Kodolitsch kandidieren

Bleiben Braasch-Eggert und von Kodolitsch, zwei weitere Ruderinnen mit langjährigen Funktionärserfahrungen. Sie wollen am Sonnabendmittag in jeweils zehnminütigen Reden die 200 erwarteten Delegierten von sich und ihren Plänen überzeugen. Dabei scheint die Wahl nach Absprachen im Vorwege bereits entschieden zu sein.

Von Kodolitsch, Vizepräsidentin des Deutschen Ruderverbandes, Kommissionsmitglied des Weltverbandes Fisa und bis vor Kurzem Vorsitzende der RG Hansa – dieses Amt hat sie vor der HSB-Wahl an den früheren Weltklasseruderer Sebastian Franke (58) abgegeben –, soll angeblich auf die großen Stimmpakete des Fußballverbandes und des Verbandes für Turnen und Freizeit (VTF) zählen können. Auch die Stadt scheint sich auf die als verlässliche Verhandlungspartnerin bekannte Mutter eines erwachsenen Sohnes festgelegt zu haben.

Braasch-Eggert ist ehemalige HSB-Vizepräsidentin

Braasch-Eggert wiederum – verheiratet, drei Töchter, ehemalige HSB-Vizepräsidentin, Ehrenvorsitzende des Hamburger Ruderinnen-Clubs und Bundesverdienstkreuzträgerin sowie Favoritin des abtretenden Präsidenten – setzt auf die mittelgroßen und kleineren Vereine und Verbände, hofft, sie mit einer kämpferischen Rede zu gewinnen.

Im gemeinsamen Gespräch mit dem Abendblatt, das im Vereinshaus der RG Hansa stattfand, wurde schnell deutlich, dass zwar beide Kandidatinnen Ambitionen auf das höchste Amt hegen, sich in ihren Positionen jedoch kaum unterscheiden und wohl auch im Team – von Kodolitsch würde sich für einen der fünf Vizeposten wählen lassen, während Braasch-Eggert nur für das Präsidentenamt kandidiert – harmonieren würden.

Beide Kandidatinnen fordern eine Strukturreform im HSB

Beide teilen die Überzeugung, dass sich der HSB mit Blick auf die Zukunft einem Strukturwandel unterziehen muss. „Wir müssen ein nachhaltiges Unternehmen werden, das Ideen und Konzepte dafür entwickeln muss, wie der Verein der Zukunft aussehen könnte“, sagte Katharina von Kodolitsch. Themen wie E-Mobilität und das Eindämmen der rasant steigenden Energiekosten seien ebenso hoch anzusiedeln wie das Werben um mehr Frauen in Führungsposten, das Braasch-Eggert durch die Einführung von gleichberechtigten Vorstandsteams statt der bislang vorherrschenden Hierarchie mit Erstem, Zweitem und Drittem Vorsitzenden vorantreiben möchte.

Beide Kandidatinnen reizt die Aufgabe, die Balance zwischen den hauptamtlichen Aufgaben des Vorstands, dessen Vorsitz zum 1. Januar von Ralph Lehnert (62) auf Daniel Knoblich (41) übergeht, und dem ehrenamtlichen Präsidium neu zu gestalten. Das Präsidium habe die Aufgabe, Visionen und Strukturen zu entwickeln, „das muss künftig klarer in Angriff genommen werden“, forderte Angela Braasch-Eggert.

Kritik an Kodolitsch und Braasch-Eggert

Die von der Stadt propagierte „Active City“-Strategie bringe bisweilen noch zu wenig Nutzen für die Vereine. „Die verschiedenen Interessen in der neuen Dekadenstrategie zusammenzubringen und die positiven Aspekte des Sports für die Gesundheit und den Zusammenhalt der Gesellschaft noch deutlicher herauszuarbeiten, das möchte ich unbedingt vorantreiben“, sagte Katharina von Kodolitsch.

Nicht verborgen geblieben ist den beiden Frauen, dass nach den Vorstellungsgesprächen, bei denen vor allem von Kodolitsch wenig überzeugend aufgetreten sein soll, Kritik an der Qualität beider Kandidatinnen geübt wurde. Von Kodolitsch wird vorgehalten, zwar im Rudern bestens vernetzt und im Thema zu sein, aber sich mit dem Rest der Sportwelt und der Führung einer Großorganisation zu wenig auszukennen. Gegen Braasch-Eggert spräche, dass sie nur verwalten, aber nicht gestalten könne, vor allem aber angesichts ihres Alters nicht für Aufbruch stehen könne.

HSB: Entscheidung fällt am heutigen Samstag

Auch wenn beide diese Kritik als haltlos zurückweisen – Braasch-Eggert führt als Beweis für ihre Gestaltungsstärke ihr langjähriges Amt als Präsidentin des Deutschen Jugendherbergswerkes an –, bleibt deshalb ein weiteres, wenn auch unwahrscheinliches Szenario möglich: Die Versammlung lehnt beide Kandidatinnen ab und überträgt der Findungskommission die Suche nach geeigneteren Führungspersonen. Der entstehende Imageschaden würde den HSB jedoch auf Jahre schwer beschädigen.

„Es war ausreichend Zeit, diese Bedenken vor der Wahl vorzutragen. Würde keine von uns gewählt, würde ich das als unsportlich und schlechtes Zeichen erachten“, sagte Angela Braasch-Eggert. Geschichte wird geschrieben an diesem Sonnabend, aber auf eine historische Entscheidung dieser Tragweite sollten die HSB-Mitglieder besser verzichten.