München/Washington. Der Turn-Superstar erhebt im Missbrauchsskandal des US-Verbandes schwere Vorwürfe – und kämpft gegen die Tränen.

Simone Biles stockte, ihre Stimme brach, sie zitterte ein wenig und kämpfte gegen die Tränen. Doch ihre Botschaft war unmissverständlich: Im Missbrauchsskandal des US-Turnverbandes, betonte der Superstar bei einer Anhörung des US-Senats in Washington, hätten sogar die obersten Ermittlungsbehörden des Landes versagt. „Es fühlt sich wirklich so an, als ob das FBI weggeschaut hat“, sagte Biles.

Die vierfache Olympiasiegerin von Rio, die bei den Spielen in Tokio durch ihren psychischen Zusammenbruch weltweit für Aufsehen sorgte, hatte im Januar 2018 berichtet, dass sie vom früheren US-Teamarzt Larry Nassar missbraucht worden war. Bereits von September 2016 bis November 2017 hatten unter anderem die Turnstars McKayle Maroney, Gabrielle Douglas und Alexandra „Aly“ Raisman identische Vorwürfe erhoben. Insgesamt hatten sich 265 Frauen gemeldet.

Missbrauch ignoriert: Turnstar Biles fordert Konsequenzen für FBI

Vor dem Justizausschuss des US-Senats forderten Biles und Raisman Konsequenzen gegen aktuelle und ehemalige Agenten des FBI. Sie hätten den Fall Nassar schlecht bearbeitet. Tatsächlich war schon ein Bericht des Justizministeriums zu der Erkenntnis gekommen, dass das „Bureau“ nach ersten Hinweisen im Jahre 2015 „Ernst und die Dringlichkeit“ des Falls nicht erkannt habe. Zudem hätten Agenten Beweise fehlerhaft bearbeitet und darüber später gelogen.

Die dreimalige Olympiasiegerin Raisman berichtete den Senatoren, es habe damals mehr als 14 Monate gedauert, ehe das FBI überhaupt reagiert habe. „Warum ignorieren ordnungsgemäß vereidigte Beamte Berichte über Missbrauch über Staatsgrenzen hinweg?“, fragte sie. Ihre ehemalige Teamkollegin Maroney, Mannschafts-Olympiasiegerin 2012, ergänzte, das FBI habe einen „Kinderschänder noch mehr als ein Jahr lang frei herumlaufen“ lassen.

Biles forderte außerdem, dass die Funktionäre des US-Turnverbandes und des Olympischen und Paralympischen Komitees der USA zur Rechenschaft gezogen werden. „Um es klar zu machen: Ich beschuldige nicht nur Larry Nassar, ich beschuldige ein ganzes System, das seinen Missbrauch möglich gemacht und begünstigt hat“, sagte sie. Sie wolle verhindern, dass noch einmal jemand „den Horror“ durchmachen müsse, den sie und andere erlebt hätten.

FBI-Chef Way gesteht Fehler ein

Der erst seit August 2017 amtierende FBI-Direktor Christopher Way entschuldigte sich bei der Anhörung für die „fundamentalen Fehler“ seiner Behörde, „die niemals hätten passieren dürfen“. Biles zeigte sich allerdings unversöhnlich: „Man hat uns im Stich gelassen. Wir haben gelitten und leiden immer noch, weil niemand (beim FBI und den Verbänden) das getan hat, was nötig war, um uns zu schützen.“

Nassar, der auch an der Michigan State University Sportlerinnen missbrauchte, wurde im Juli 2017 zunächst wegen des Besitzes von Kinderpornografie zu 60 Jahren Haft verurteilt, im Januar 2018 dann zu weiteren 40 bis 175 Jahren im Missbrauchsprozess.