Hamburg. Der langjährige US-Erfolgscoach John Geddert hat sich nach einer Anklage wegen sexuellen Missbrauchs das Leben genommen.

Ihm drohte eine lebenslange Haftstrafe, und er sah offenbar keinen Ausweg mehr: Der frühere Erfolgstrainer John Geddert, gegen den im Zusammenhang mit dem Missbrauchsskandal im US-Kunstturnen ermittelt wurde, nahm sich kurz nach Erhebung der Anklage das Leben.

Gefunden wurde der 63-Jährige auf einer Autobahnraststätte in der Nähe von Grand Ledge/Michigan, unweit von Lansing, der Hauptstadt des Bundesstaates. „Dies ist ein tragisches Ende einer tragischen Geschichte für alle Beteiligten“, sagte Dana Nessel, Justizministerin von Michigan.

Aus ihrer Position als Generalstaatsanwältin heraus hatte die Juristin wenige Stunden zuvor verkündet, dass Geddert unter anderem wegen Menschenhandels und krimineller sexueller Handlungen angeklagt werde. Die Anklageschrift gegen Geddert, der die US-Frauenriege bei Olympia 2012 in London zur Goldmedaille im Teamwettbewerb geführt hatte, umfasste 24 Punkte.

Geddert: Nähe zu überführtem Sexualverbrecher

Geddert wurde in diesem Zusammenhang schon seit vielen Jahren eine große Nähe zum ehemaligen US-Teamarzt Larry Nassar vorgeworfen, einem überführten Sexualverbrecher, der wegen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger und des Besitzes kinderpornografischen Materials eine mindestens 40-jährige Haftstrafe erhalten hat. Nassar arbeitete im Trainingscamp „Twistars USA Gymnastics Club“, das Geddert gehörte.

Geddert soll unter anderem Nassars Machenschaften gedeckt und seine Athletinnen und Athleten gezwungen haben, sich von dem Arzt behandeln zu lassen. Als im Jahr 2018 die Ermittlungen gegen ihn aufgenommen wurden, behauptete er jedoch, „keinerlei Wissen“ von Nassars Taten zu haben. Zu den aktuellen Anklagepunkten hatten sich am Donnerstag weder Geddert noch sein Rechtsanwalt Chris Bergstrom geäußert.

Sammelklage: Entschädigung von 200 Millionen?

Als Coach stand Geddert in den USA lange Zeit im Schatten des aus Rumänien stammenden Ehepaars Marta und Bela Karolyi. Seine erfolgreichste Athletin war Jordyn Wieber, die schon ein Jahr vor ihrem Olympiasieg mit der US-Riege Mehrkampf-Weltmeisterin geworden war. Die mittlerweile 25-Jährige arbeitet als Trainerin.

Auch Wieber schloss sich wie die Rekord-Weltmeisterin und dreimalige Weltsportlerin des Jahres Simone Biles 2018 einer Sammelklage ehemaliger Kunstturnerinnen gegen den US-Verband an. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen, im Raum steht derzeit eine Entschädigungssumme von insgesamt rund 200 Millionen US-Dollar.