Hamburg. Landestrainer Christian Morales träumt von einer nationalen Boxakademie und dem Status als Bundesstützpunkt. Aber die Hürden sind hoch.

Der Weg an die Spitze beginnt meist mit einer großen Idee, einer Vision dessen, was erreicht werden soll. Das Potenzial des Boxsports in einer Stadt wie Hamburg, die den bislang einzigen deutschen Schwergewichtsweltmeister (Max Schmeling) ebenso hervorgebracht hat wie einen weltweit respektierten Profistall (Universum in den Nullerjahren unter der Führung von Klaus-Peter Kohl), hatte Christian Morales Ende 2016 dazu gereizt, als Landestrainer im Hamburger Amateurbox-Verband (HABV) anzuheuern.

Fünf Jahre später haben der 40-Jährige und sein Cousin Raiko Morales (37) ihr neues Ziel definiert. Sie wollen in Hamburg einen Bundesstützpunkt etablieren und das Boxen zu einer Schwerpunktsportart machen.

Das Ansinnen dahinter ist klar, es geht um Geld. Die Schwerpunktsportarten, zu denen am Olympiastützpunkt Hamburg/Schleswig-Holstein aktuell Badminton, Beachvolleyball, Hockey, Rudern (in Kooperation mit Ratzeburg), Schwimmen und Segeln (in Kooperation mit Kiel) zählen, werden von der Stadt besonders gefördert. Um in diesen Rang aufzurücken, müssen klar festgelegte Kriterien erfüllt werden. Dazu zählt, dass der Sport in der Klassifizierung des Hamburger Sportbundes (HSB) in der Kategorie „Spitzenförderung“ eingeordnet sein muss. Hier liegt das Problem.

Christian Morales will Schwerpunktsport in Hamburg

Aktuell wird der HABV beim HSB in keiner der drei Förderstufen – punktuelle Förderung, Anschlussförderung, Spitzenförderung – geführt. „Wir hatten vor zwei Jahren schon einmal eine Anfrage für ein Zielvereinbarungsgespräch vorliegen. Das hat der Deutsche Boxsport-Verband (DBV), der als Dachverband die Initiative ergreifen muss, damals aber nicht weiterverfolgt“, sagt Mark Borchert, Referatsleiter Leistungssport beim HSB. Man sei stets offen für neue Entwicklungen, das Boxen müsse aber zunächst überhaupt in die Förderung aufgenommen werden, anstatt den dritten Schritt vor dem ersten zu gehen.

Christian Morales versteht die Zurückhaltung des HSB, abschrecken lassen will er sich davon nicht. Stattdessen verweist er auf die Entwicklung, die der HABV in den vergangenen Monaten genommen hat. Mit den Mittelgewichtlern Santino Franke (17) und Gianni Dedic (19), Schwergewichtler Ammar Abbas Abduljabar (25) und Superschwergewicht Turpal Hutajew (20) haben vier HABV-Athleten Bundeskaderstatus, „davon können manche Bundesstützpunkte nur träumen“, sagt er. Franke, Abduljabar und Hutajew zählen außerdem zur Fördergemeinschaft Team Hamburg, das seit seiner Gründung vor 20 Jahren noch nie drei Boxer als Mitglieder hatte.

Immerhin als Leistungsstützpunkt anerkannt

Das Ansinnen der Morales-Cousins steht und fällt mit der Einordnung als Bundesstützpunkt. Sechs gibt es aktuell im DBV: Schwerin, Hannover, Berlin, Frankfurt (Oder), Köln und Heidelberg. Ob es angesichts der räumlichen Nähe zu Schwerin und Hannover gelingen kann, den DBV von der Notwendigkeit eines dritten Bundesstützpunktes im Norden oder der Schließung eines Konkurrenten zu überzeugen, ist fraglich.


Allerdings bescheinigte der Dachverband dem HABV schriftlich, dass „sein Potenzial im weiblichen und männlichen Bereich eine wichtige Ressource zur Weiterentwicklung der Leistungsfähigkeit des DBV darstellt.“ Damit, so Christian Morales, sei man immerhin als Leistungsstützpunkt anerkannt.

Nachwuchs aus ganz Deutschland fördern

Den Durchsetzungswillen der Cousins sollte niemand unterschätzen. Gemeinsam – und gegen viele Kritiker, die ihnen Machtgier und Verquickung mit dem Profisport vorhielten – bauten sie das Bundesligateam der Hamburg Giants auf. Mit der Beratungsagentur Pyx, bei der Christian Morales als freiberuflicher Cheftrainer fungiert, veranstalten sie Profikämpfe in Hamburg.

Pyx unterstützt HABV- und Profiboxer nicht nur finanziell, sondern auch durch die Vermittlung von Ausbildungsplätzen. Zudem finanziert die Agentur weitere Trainer und Physiotherapeuten, die sich der Verband ansonsten nicht leisten könnte.

„Meine Vision ist, dass wir mit Pyx in Hamburg eine Boxakademie bauen, um den Nachwuchs aus ganz Deutschland zu fördern“, sagt Christian Morales. Ende März soll es ein Zielvereinbarungsgespräch zwischen HSB, DBV und HABV geben. Dann wird sich zeigen, ob nur Luftschlösser gebaut werden – oder tatsächlich irgendwann eine Akademie.