Hamburg. In seinem ersten Interview als Headcoach der Hamburg Sea Devils spricht der Footballtrainer über seinen Anspruch an sich und das Team.

Die Koffer seien gepackt, so hatte Ted Daisher sich zitieren lassen, als er am vergangenen Freitag als Headcoach der Hamburg Sea Devils für deren Premierensaison in der neu gegründeten American-Football-Europaliga ELF vorgestellt wurde.

In seinem ersten Interview in der neuen Funktion per Zoom-Call aus seiner Heimat Cleveland (US-Bundesstaat Ohio) zeigte sich der 66 Jahre alte US-Amerikaner, der zu Ostern nach Hamburg kommen und das Team am 15. April zum Trainingsauftakt bitten will, energiegeladen und tatendurstig.

Hamburger Abendblatt: Coach Daisher, Sie werden Udo Jürgens nicht kennen. Aber könnte dessen Hit „Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an“ der Soundtrack Ihres neuen Lebensabschnitts werden?

Ted Daisher: Tatsächlich bin ich mit deutschem Schlager nicht vertraut. Aber das klingt großartig, denn genauso fühlt es sich an. Dieser Aufbruch nach Europa ist für mich tatsächlich wie ein kleiner Neubeginn.

Warum haben Sie diesen gewählt?

Daisher: Weil es mich enorm reizt, den Aufbau der neuen Liga mitzugestalten. Ich bin mir sicher, dass die ELF großes Potenzial besitzt, um den Football in Europa auf ein neues Level zu heben. Dazu möchte ich meinen Teil beitragen.

Fühlen Sie sich als Wegbereiter? Als Botschafter Ihres Sports? Oder wie sehen Sie, mit der Erfahrung aus 43 Jahren im Trainerbusiness in den USA, Ihre neue Rolle?

Daisher: Ich denke, dass ich beides sein kann. Vor allem aber möchte ich helfen. Helfen, dass Football in Europa größer und besser wird. Helfen, dass meine Spieler und auch alle Kollegen im Trainerteam besser werden. Das ist mein Ziel. Es geht nicht um mich, sondern um das Team, um das Franchise. Darum, dass wir gemeinsam Erfolg haben.

Was war Ihr erster Gedanke, als Sie die Anfrage aus Hamburg erhielten?

Daisher: Ich war im Februar 2020 zum ersten Mal in meinem Leben in Deutschland, auf einem Trainerlehrgang in Nürnberg, wo ich als Dozent Vorträge gehalten habe. Anschließend habe ich in Hamburg meinen Freund Patrick Esume besucht, der 2006 bei den Oakland Raiders ein Praktikum bei mir gemacht hat, als ich dort Special-Teams-Coordinator war. Als er mich fragte, ob ich grundsätzlich Inter­esse hätte, in einer neuen Europaliga zu arbeiten, sagte ich sofort zu. Daraufhin stellte er im Herbst vergangenen Jahres den Kontakt zum Hamburger General Manager Max Paatz her. Und als das Angebot kam, waren wir uns schnell einig.

Welchen Blick hatten Sie aus den USA auf den Football in Europa? Was wussten Sie über deutsche Spieler?

Daisher: Ich weiß, wie groß das Interesse an Football in Deutschland ist, dass sehr viele Fans die NFL-Spiele schauen. Patrick hat mir erzählt, dass man dieses Interesse mit der neuen Liga anfachen kann. Wir haben im Recruiting am College oft versucht, Deutsche zu holen, weil ich weiß, dass sie starke Athleten sind, dass es großes Potenzial gibt. Natürlich stehen die meisten Spieler noch am Anfang und müssen sehr viel lernen. Aber genau darin liegt der Reiz für mich, ihnen all das beizubringen, was ich weiß.

Wie sehr waren Sie in den Aufbau des Teams involviert? Es besteht immerhin zu 90 Prozent aus einheimischen Spielern, die Sie nicht kennen.

Daisher: Das ist richtig, deshalb hat mein gesamtes Trainerteam beim Aufbau der Mannschaft mitgeholfen. Wir hatten viele Zoom-Meetings, ich habe großes Vertrauen in meinen Staff, ich sehe das Potenzial und bin mir sicher, dass jeder einen großartigen Job machen wird. Ich wurde von unserem General Manager ständig über den Prozess der Teamfindung und das Recruitment unserer amerikanischen Spieler informiert, habe mir viele Videos angeschaut und weiß, was jeder Einzelne diesem Team geben wird. Aber ich weiß natürlich auch, dass es etwas anderes ist, Spieler auf Video zu sehen als in der Realität.

Am 15. April treffen Sie Ihre Spieler zum ersten Mal zum Training, Mitte Juni soll die Saison starten. Wie baut man innerhalb von acht Wochen eine Mannschaft von null auf?

Daisher: Wir werden nicht bei null anfangen, denn auch mit den Spielern hatte ich schon Gespräche. Aber natürlich ist es eine Herausforderung, deshalb muss ich alles so einfach wie möglich halten. Zunächst muss ich herausfinden, auf welchem athletischen Level meine Spieler sind, damit ich die richtigen Positionen für sie finde und jeder seinen Platz und seine Aufgabe kennt. Dann werden wir die Mentalität implementieren, die ich sehen möchte.

Die da wäre?

Daisher: Mein Team soll schnell, körperbetont und aggressiv spielen. Ich möchte, dass wir für unsere Qualität respektiert werden, von den Gegnern ebenso wie von den Fans. Und ich will, dass wir in jedem Spiel sehr gut sind. Wenn jemand denkt, dass es reicht, einfach seinen Job zu machen: Okay ist nicht gut genug. Wir müssen das höchste Level erreichen, das möglich ist. Das muss der Anspruch sein. Ich möchte jeden Tag Fortschritt sehen.

Sie selbst haben nur drei Jahre Erfahrung als Headcoach an der Highschool. Inwieweit wird die Umstellung auf den neuen Job auch für Sie eine harte Nuss?

Daisher: Ich gehe mit Demut an diese Aufgabe heran. Aber wer in der NFL als Coordinator arbeitet, der steht jeden Tag in der Verantwortung. Man muss jeden Tag liefern, weil der Headcoach sich auf jeden Einzelnen verlässt. Diese Erfahrungen haben mich im Hinblick auf Führung ebenso wachsen lassen wie die drei Jahre als Headcoach.

Welche Art der Führung präferieren Sie? Es heißt über Sie, dass Sie wenig von Diplomatie halten und geradeheraus reden. Was Sie möglicherweise eine Karriere als Headcoach in der NFL gekostet haben könnte …

Daisher: Fakt ist, dass ich nichts davon halte, um eine Sache herumzureden. Ich spreche Dinge direkt an, und, ja, ich bin ein sehr ehrlicher Mensch. Aber ich bin niemand, der andere niedermacht. Ich mache meine Spieler und Trainerkollegen dafür verantwortlich, ihre Jobs zu erledigen, so wie ich meinen erledige. Aber das Wichtigste ist, seinen Leuten zu zeigen, dass man sich für sie interessiert und alles dafür gibt, sie besser zu machen.

Zwischen der NFL und Football in Europa liegen Welten. Glauben Sie, dass Sie geduldig genug sind, diese Unterschiede anzunehmen und zu akzeptieren?

Daisher: Mir ist bewusst, dass die Grundlagen andere sind, dass der Football in den USA auf einem athletisch und technisch deutlich höheren Niveau gespielt wird. Wenn ich jedoch sehe, dass Spieler Tag für Tag alles geben, um besser zu werden, dann bin ich durchaus geduldig. Was ich nicht ertrage, ist Stillstand.

Man erlebt immer wieder, dass Sportler oder Trainer aus den USA nach Europa kommen, weil sie zum Ende ihrer Karrieren Spaß haben und eine neue Kultur kennenlernen wollen. Inwiefern spielen diese Faktoren für Sie eine Rolle?

Daisher: Spaß habe ich, wenn wir gewinnen. Wenn das passiert, werden wir gemeinsam viel Spaß haben.

Und wenn nicht?

Daisher: Dann bin ich der Erste, der in den Spiegel schaut und sich fragt, was ich tun kann, damit es passiert. Ich hatte das Glück, mehrmals in Teams gearbeitet zu haben, die sich von Verlierern zu Gewinnern gewandelt haben. Ich habe von großartigen Coaches gelernt. Ich weiß, was es braucht, um zu gewinnen.

Dann werden Sie sich den Titel als Ziel gesetzt haben. Aber mal realistisch: Können Sie schon einschätzen, was Sie in der ersten Saison erwartet?

Daisher: Tatsächlich nicht, denn ich kenne weder unsere Gegner noch mein eigenes Team. Ich erwarte eine gute Qualität. Aber was wir am Ende werden erreichen können, kann ich noch nicht einschätzen.

Wie lang soll Ihr Abenteuer dauern?

Daisher: Ich habe zunächst für ein Jahr unterschrieben. Vielleicht haben die Sea Devils eine Option, mich länger zu binden, so weit habe ich den Vertrag noch gar nicht gelesen. Ich will zunächst sehen, wie sich die Liga entwickelt. Aber ich war im Februar 2020 in Hamburg, die Stadt hat mir sehr gefallen. Ich möchte im Sommer meine Frau und meine drei Kinder bei mir haben, damit wir gemeinsam einiges erleben können. Und wenn alles passt, dann kann es durchaus einige Jahre gehen.

Wann immer es vorbei sein wird: Was sollen die Menschen in Hamburg einst über Coach Daisher sagen?

Daisher: Dass ich geholfen habe, große Dinge anzuschieben. Wir müssen eine Liga aufbauen, von der die Menschen sagen, dass sie ein tolles Projekt ist. Wenn mein Name damit ein kleines Stück verbunden wird, wäre ich sehr glücklich.