Hamburg. Die Beachvolleyballerin versorgte im ersten Lockdown rund um die Uhr ihre drei Kinder, trotzdem gelang ihr das Comeback.

Natürlich war es eine Frage der Zeit. Wie lange es dauern würde, bis die Kraft nicht mehr reicht, bis sich die langen Wochen, ja Monate der Trainingspause bemerkbar machen würden. Am 4. September 2020 war die Antwort für alle deutlich erkennbar: bis zu diesem Moment. Bis zum Viertelfinale der deutschen Beachvolleyball-Meisterschaften in Timmendorfer Strand, das eine völlig entkräftete Kira Walkenhorst gemeinsam mit ihrer neuen Partnerin Anna-Lena Grüne (19) gerade so zu Ende brachte, nach Luft ringend, kreidebleich und sichtbar angeschlagen. Die Siegerinnen auf der anderen Seite des Netzes: Margareta Kozuch und Laura Ludwig. Ausgerechnet.

Walkenhorst feierte 2020 ein beeindruckendes Comeback

Es war ein Match, das zu den spannendsten und herausragendsten des gesamten Jahres zählte. Nicht nur wegen der besonderen Historie: Mit Laura Ludwig war Kira Walkenhorst vier Jahre zuvor Olympiasiegerin geworden, 2017 Weltmeisterin. Sondern auch, weil diese Partie wieder einmal zeigte, über welche mentalen und körperlichen Ressourcen diese Ausnahmeathletin nach wie vor verfügt.

Den ersten Satz hatten Walkenhorst/Grüne sogar noch gewonnen, im zweiten mussten Ludwig/Kozuch drei Matchbälle abwehren. Eine kleine sportliche Sensation deutete sich an. Und selbst wenn das Viertelfinale am Ende verloren ging, war das nicht das Thema, über das alle sprachen. Sondern natürlich über dieses insgesamt sensationelle Comeback. „Das stimmt, es lief wirklich sehr, sehr gut im vergangenen Jahr“, sagt Walkenhorst fast ein halbes Jahr später am Telefon. „Natürlich hätte ich mir gewünscht, dass ich noch besser spiele, aber mit der kurzen Vorbereitung und bei allem, was 2020 war, war das völlig in Ordnung.“

oben v.l. Vater Walkenhorst, Ehefrau Maria Kleefisch, Kira Walkenhorst mit den Babys v.l. Emma, Pepe, Mo Hamburg, 28.06.2019, Beachvolleyball, FIVB WM 2019 in Hamburg / Deutschland, Damen
oben v.l. Vater Walkenhorst, Ehefrau Maria Kleefisch, Kira Walkenhorst mit den Babys v.l. Emma, Pepe, Mo Hamburg, 28.06.2019, Beachvolleyball, FIVB WM 2019 in Hamburg / Deutschland, Damen © WITTERS | ValeriaWitters

Bei allem, was war. Das ist eine nette Umschreibung des vergangenen Jahres. Das so oder so das Jahr des Comebacks hätte werden sollen für Kira Walkenhorst, nur irgendwie anders. Im Januar 2019 hatte die 30-Jährige ihren Rücktritt vom Leistungssport bekannt gegeben, zu groß waren die Schmerzen, unter denen sie bei jeder Bewegung litt.

Alternative Heilmethoden fanden den Ursprung ihrer Verletzungen

Doch alternative Heilmethoden ließen sie den Ursprung ihrer ständigen Verletzungen ausfindig machen. „Ich kann alles machen und spüre dabei nichts. Ich weiß nicht, wann ich das zum letzten Mal von mir sagen konnte“, hatte sie im Frühjahr 2020 gesagt, als das normale Leben für sie wieder losgegangen war.

Denn auch den ersten Lockdown verbrachte Kira Walkenhorst wie auch derzeit den zweiten: bei ihrer Familie. Es ist ja so eine Sache mit dem zweiten Lockdown, überhaupt mit dem Corona-Jahr, diesem ganzen unfassbaren Irrsinn. Es gibt Sportarten, die einfach weiterlaufen und andere, die massiv leiden; es gibt Sportlerinnen, die seit Monaten aussetzen müssen, und es gibt Sportler, die sich in dieser Zeit einen Lebenstraum erfüllt haben und um die Welt gesegelt sind, während zu Hause die Frau das neugeborene Kind versorgt. Die haben dafür die maximale mediale Aufmerksamkeit bekommen, und das bestimmt auch völlig zu Recht.

Walkenhorst drängt nicht in die Öffentlichkeit

Und dann gibt es die, um die es still geworden ist. Weil sie eine Arbeit verrichten, die ihnen medial zumindest keinen großen Fame einbringt, aber so viel Kraft, dass für ihren Beruf keine mehr übrig bleibt. Der letzte Post auf Kira Walkenhorsts Insta­gram-Profil stammt vom 20. Dezember 2020. Es zeigt ein Bild von der Siegerehrung 2016 in Rio – gemeinsam mit Laura Ludwig war Walkenhorst vom ZDF zur Sportlegende des Jahrzehnts in der Kategorie „Beste Mannschaft“ gewählt worden.

Weil die Kitas geschlossen hatten, pausierte die Beachvolleyballerin

Als im Dezember die Kitas in Hamburg ihren Betrieb einschränkten, entschied sich Kira Walkenhorst wie schon neun Monate zuvor, ihren Job als Beachvolleyballprofi erst mal auf Eis zu legen – um gemeinsam mit ihrer Partnerin die Kinder zu betreuen. Beklagt hat sie sich darüber nie. Warum auch? Für die Familie hatten sich ja beide entschieden, Kira Walkenhorst wie auch Maria Kleefisch.

Dass sie die Drillinge nun schon wieder seit einem Vierteljahr rund um die Uhr um sich haben, war für beide auch eine Frage der Solidarität. Drei Kinder weniger in der Gruppe – für die Erzieher und Erzieherinnen ja auch gleich eine Erleichterung, sagt Walkenhorst. „Und wir haben ja die Möglichkeit, die Kinder selbst zu betreuen. Meine Frau studiert, ich selbst versuche, mein Training auf die Mittagszeit oder den Abend zu legen“, sagt sie.

Corona schränkt das Training weiterhin stark ein

Wobei das Wort Training da schon ziemlich hoch gegriffen sei. „Jetzt gerade ist es wirklich wieder wie vor einem Jahr, die Zeit reicht gerade mal für ein bisschen Stabi-Training, wirklich ganz einfache Körperübungen, um mich ein bisschen fit zu halten. Aber das ist natürlich nicht zu vergleichen mit dem, was ich sonst machen würde für Kraft, Ausdauer und Koordination. Richtig als Training würde ich das nicht bezeichnen wollen.“

Kira Walkenhorst Hamburg, 14.08.2020, Beachvolleyball, comdirect beach tour, Road to Timmendorfer Strand, Qualifikationsturnier Deutsche Meisterschaft, Damen
Kira Walkenhorst Hamburg, 14.08.2020, Beachvolleyball, comdirect beach tour, Road to Timmendorfer Strand, Qualifikationsturnier Deutsche Meisterschaft, Damen © WITTERS | FrankPeters

Was für die 30-Jährige bedeutet: Auch in diesem Frühsommer darf sie noch einmal von vorn anfangen. Zurückgehen auf Los, wie es beim famosen Brettspiel Monopoly heißt. Kira Walkenhorst ist nicht begeistert, wenn sie über diese Situation spricht. Aber auch nicht frustriert oder genervt. „Ich bekomme das ganz gut eingeordnet“, sagt sie. „Natürlich sehnen auch wir uns als Familie wieder nach dem Alltag, wie wir ihn mal hatten, aber ich kann es ja nicht ändern. Und viel Zeit zum Nachdenken bleibt mir derzeit eh nicht.“

Ihre Kinder halten Walkenhorst auf Trab

Tatsächlich dürfte es wenige Minuten am Tag geben, an denen Kira Walkenhorst Zeit für sich selbst hat. Im ersten Lockdown waren die Kinder ein Jahr und vier Monate alt. Frei übersetzt: endlich auf zwei Beinen unterwegs, jetzt bloß los, die Welt erobern – nur dabei keinen blassen Schimmer haben von den Gefahren, die überall lauern. Nun, im zweiten Lockdown, sind Emma, Pepe und Mo zweieinhalb. Also noch mobiler, noch abenteuerlustiger, noch trotziger. „The terrible twos“ haben die Amerikaner diese Phase getauft. „Da ist man abends so kaputt, dass man über gar nichts mehr nachdenkt“, sagt Kira Walkenhorst. „Man legt sich ins Bett und schläft ein.“

Die Beachvolleyballerin sehnt sich nach Trainingsalltag

Planen kann sie ohnehin erst, wenn die Kitas wieder öffnen. Es sei noch zu früh zu sagen, ob sie auch 2021 mit Partnerin Anna-Lena Grüne spiele, die sie im vorigen Jahr über einen Facebook-Post gefunden hatte. Es gebe auch viele andere Anfragen gerade, sagt Walkenhorst. „Mal sehen, was die nächsten Wochen ergeben, wann ich meinen normalen Trainingsalltag wieder aufnehmen kann.“ Hoffentlich, schiebt sie hinterher. Hoffentlich nur Wochen – und nicht noch länger.