Hamburg. Bei der WM sorgten die Hamburger „Unicorns of Love“ für Furore. Im Abendblatt spricht die Familie Mallant auch über Vorurteile.

Aus den eigenen vier Wänden hinaus in die Welt: Ein wenig mag es sich so angefühlt haben, als das Abendblatt im Herbst zum ersten Mal über das Hamburger Familienunternehmen Unicorns of Love berichtete. Wie auch, zum einen steckt die eSports-Berichterstattung der klassischen Medien noch in den Kinderschuhen. Und zum anderen leben auch die Mallants eher zurückgezogen. Was sich änderte, als Investor Tomislav Karajica im Herbst 2020 ankündigte, den Unicorns of Love in Bergedorf bald ein neues Zuhause geben zu wollen.

Hamburger Abendblatt: Als sich das Abendblatt vergangenen Sommer mit Reporter und Fotograf zum Hausbesuch ankündigte, waren Sie zögerlich. „Wir sind nicht die Personen die gerne im Rampenlicht stehen“, schrieben Sie uns. Wie geht es Ihnen heute damit?

Fabian Mallant: Fantastisch! 2020 war ein wirklich gutes Jahr für uns. Erst die Nachricht, dass die Unicorns ein neues Zuhause bekommen und von Berlin nach Hamburg ziehen können im nächsten Jahr. Das bedeutet uns viel. Und dann, nur Wochen danach, der Einzug in die Gruppenphase bei der Weltmeisterschaft in „League of Legends“ in Shanghai. Das ist uns noch nie zuvor gelungen.

Knapp 46 Millionen Zuschauer sahen das WM-Finale, 800.000 Fans verfolgten Ihr Spiel um den Einzug in die Hauptrunde. Wie haben Sie das Turnier erlebt?

Vivien Mallant: Im Rückblick war es eigentlich schwieriger zur WM zu kommen als bei ihr zu spielen. Wegen der Pandemie waren die Möglichkeiten, nach China zu reisen, extrem kompliziert, wir brauchten Visa und negative Corona-Tests, die beim Abflug nicht älter als 48 (?!?) Stunden sein durften und vom chinesischen Konsulat beglaubigt werden mussten. Aber auch vom WM-Veranstalter gab es lange Zeit keine klare Zusage, dass wir dabei sein konnten, also mussten wir den Abflug ständig verschieben, so viele Flieger gingen ja nicht, und uns ständig neu testen lassen. Das waren zwei bis drei Wochen absoluter Stress. Hinzu kommt, dass die Spieler unseres Teams Russen sind, sie leben in unserem Gaming House in Moskau. Auch das hat die ganze Sache nicht vereinfacht.

Der Auftakt der Unicorns war ja furios.

Fabian Mallant: Der erste Tag war gigantisch, zwei Spiele, zwei Siege, einer davon gegen das eSports-Team von Paris Saint-Germain. Aber nach dem Einzug in die Gruppenphase haben wir keines der insgesamt sechs Matches gewonnen.

Sie bezeichnen das, was Sie tun, sehr selbstbewusst als eine Sportart. Können Sie nachvollziehen, dass Menschen sagen, das habe insgesamt mit Sport wenig zu tun?

Vivien Mallant: Ehrlich gesagt ist das eine Frage, mit der wir uns wenig beschäftigen. Klar, es ist nett, wenn wir im Sportteil auftauchen, aber letztendlich braucht der Sport den eSport mehr als anders herum. Auch die Frage: Wird eSports eines Tages olympisch? Ja, das wird wahrscheinlich passieren, vielleicht aber auch nicht. Für uns hängt nicht so wahnsinnig viel davon ab.

Fabian Mallant: eSports ist so rasant gewachsen wie keine andere Sportart jemals zuvor, wir müssen eine Menge Aufklärungsarbeit leisten, das merken wir immer wieder. Auch weil das Thema ja nicht einfach verschwinden wird. Fast jedes Kind hat heute Zugang zu einem Smartphone, für die ist das selbstverständlich, und wir fragen uns schon: Wie können wir die Leute aufklären, die eSport noch nicht verstanden haben? Wie können wir auch sie ins Boot holen?

Jos Mallant: Die Sportvereine probieren es. Die möchten dringend eSport anbieten, weil sie über ihn junge Mitglieder gewinnen können. Zum Glück ist das in Hamburg ja inzwischen möglich, hier gibt es eine eFootball-Liga der Vereine, was deshalb geht, weil der Deutsche Olympische Sportbund zwischen Sportsimulationen und den so genannten Ballerspielen unterscheidet.

Ist diese Differenzierung sinnvoll?

Vivien Mallant: Nein, sie ist das Gegenteil davon und kann auch nur von jemandem kommen, der nicht verstanden hat, was eSport wirklich ist.

Counterstrike ist zum Beispiel eSport, ein Team Ihrer Organisation tritt in diesem Spiel an, das für viele Menschen gewaltverherrlichend ist. Lassen Sie die Kritik an diesem Spiel zu?

Jos Mallant: Da würde ich gern einmal einhaken, diese Diskussion haben wir nämlich Anfang der 80er Jahre schon einmal geführt, als es tatsächlich noch Ego-Shooter gab. Die hießen „Doom“ oder „Mace“, und jeder, der damals eine Atari-Konsole oder einen Commodore hatte, hat die gespielt. Das waren reine Tötungsspiele, und es war richtig, sie zu verbieten. Aber diese Games gibt es heute gar nicht mehr. Wer heute von Ego-Shootern spricht, der irrt. Es gibt heute Taktik-Shooter, die man im Team spielt, nicht allein.

Aber ist es nicht trotzdem gewaltverherrlichend, ob allein oder im Team?

Vivien Mallant: Wenn ich mit Menschen ins Gespräch komme, die das behaupten, denke ich oft, dass da sehr viel Meinung vorhanden ist, aber leider wenig Wissen. Das macht es manchmal schwierig für mich. Also fange ich erstmal an zu erklären. Wer in unserem Team spielt, was das für Menschen sind. Und dass es bei Counterstrike nicht ums Ballern geht.

Fabian Mallant: Das Ziel dieses Spiels ist ja nicht: Bringe möglichst viele Gegner um. Wenn das so wäre, würde es dem Anspruch eines eSports-Titels niemals genügen. Es geht um mehr, um Schnelligkeit, Taktik, Entscheidungen im Team. Trotzdem finde ich richtig, dass dieses Spiel erst ab 18 Jahren zugelassen ist. Weil zwar viele Jugendliche die Abstraktionsfähigkeit mitbringen und zwischen Spiel und Realität unterscheiden können. Aber eben nicht alle.

Ohnehin gilt die Gaming-Szene als sehr friedlich, Aggressionen zwischen Spielern gibt es kaum. Warum eigentlich nicht?

Fabian Mallant: Wer eSports auf einem gewissen Level betreibt, hat Phasen durchlaufen, die nicht einfach waren, die einen aber am Ende relativ resistent gemacht haben gegen Stress und Frust. Ich würde die Aggressionen bei einer Niederlage niemals am Gegner auslassen. Der Gedanke ist eher: Wir alle haben so viel Zeit investiert, um auf dieses Level zu kommen, dass wir gar nicht anders können, als uns mit Respekt zu begegnen. Außerdem ist die eSports-Szene sehr international, Rivalitäten wie im Fußball zwischen Hamburg und Bremen gibt es hier gar nicht.

In Hamburgs Partnerstadt Shanghai gibt es auf dem Walk of Fame der WM 2020 einen Stern für die Unicorns of Love. Bedeutet Ihnen das etwas?

Fabian Mallant: Natürlich. In China und im gesamten asiatischen Raum fühlt man sich die ganze Zeit als League of Legends-Profi ohnehin wie ein König.

Sonst nicht?

Fabian Mallant: Tatsächlich findet 90 Prozent meiner Tätigkeit als Coach allein vor dem Computer statt. Umso schöner sind die Momente, wenn wir bei einer Weltmeisterschaft antreten, gefeiert werden von unseren Fans und dann so etwas erleben wie die Enthüllung unseres eigenen Sterns. Der Gedanke, dass wir bald in Hamburg einen Ort haben, wo wir alle zusammenkommen können, freut mich persönlich sehr. Und das nicht einmal einen Steinwurf entfernt von dem Haus, wo unser Weg als Familienunternehmen vor wenigen Jahren begonnen hat. Das ist eine wundervolle Bestätigung unseres Weges und unserer Leidenschaft. Meinen Eltern habe ich eine Menge zu verdanken, sie hatten Verständnis für etwas, was ihnen völlig fremd war. Aber wenn darüber hinaus noch jemand von außen kommt wie Tomislav Karajica und sagt: Hey, Respekt! Was ihr euch aufgebaut habt, das finde ich cool, da möchte ich investieren – dann ist das ein Kompliment, das man als eSportler sehr selten bekommt aus der anderen Welt.