Dass Gaming schlau machen kann, ist kein Geheimnis. Aber wie macht man das nur den eigenen Eltern klar?

Ich weiß nicht, wie es bei euch ist, aber bei uns zu Hause geht es ständig ums Thema Gaming. Wir haben sieben Kinder, zwischen vier und 18 Jahren, da erklärt sich das eigentlich von selbst. Was wir spielen? Nahezu alles, vom weltweit berühmten Suchti-Format Fortnite bis hin zum idyllisch-schönen Adventure-Spiel Trüberbrook, das ich gerade durchgespielt habe, obwohl ich besser in der Zeit geschlafen hätte. Für dieses Spiel haben die Programmierer die Kulissen selbst gebastelt, und genau so sehen sie auch aus. Total faszinierend.

Als (Stief-)Mutter finde ich es aber manchmal nicht so toll, wenn die Kinder stundenlang vor dem Bildschirm hängen und selbst dann nicht aufhören können, wenn das Abendessen auf dem Tisch vor sich hindampft. Was im Zweifel natürlich mehr über die Macht dieser Spiele aussagt als über die Kinder, die sich nicht davon lösen können. Deshalb habe ich angefangen, mich damit zu beschäftigen. Und habe total viele spannende Aspekte entdeckt. Gaming, das habe ich gelernt, hat sehr viele Vorteile. Und ja, auch einige Nachteile. Die finde ich aber wirklich überschaubar.

In manchen Ländern ist Gaming Schulfach

Manche Eltern möchten ja überhaupt nicht, dass ihre Kinder mit dem Thema Gaming in Kontakt kommen. Falls auch du zu diesen Kindern gehörst, kann ich dir in diesem Artikel ein paar gute Argumente an die Hand geben, die du bei der nächsten Diskussion anbringen kannst. Zum Beispiel, dass es Länder gibt, in denen Gaming bereits Schulfach ist – weil es, wie auch Schach, einfach schlau macht. Natürlich nur, wenn man es nicht übertreibt.

Aber welchen besseren Ort kann es geben, um das zu lernen, als die Schule? In Skandinavien haben manche Politiker das begriffen, zum Beispiel in Norwegen und Schweden. Und haben es als Schulfach eingeführt. (Wenn eure Eltern an dieser Stelle verwirrt schauen, ist das
übrigens ein guter Moment, um noch einmal die Fortschrittlichkeit des skandinavischen Schulsystems im Allgemeinen zu erwähnen und die guten Ergebnisse der Schüler in den Pisa-Studien.)

League of Legends: Erfolge in den Lebenslauf aufnehmen

In Norwegen hat ein wichtiger Mensch die Jugendlichen sogar dazu aufgefordert, ihre Gaming-Erfolge – also zum Beispiel ein gewonnenes Turnier im hoch komplizierten Strategiespiel League of Legends – später in ihren Lebenslauf zu schreiben.

„Eltern sind oft frustriert, wenn ihre Kids am Computer spielen. Aber es gehört vielleicht dazu, wenn man Zukunftstechnologien erfolgreich beherrschen und entwickeln will“, hat dieser Mann gesagt, er heißt Ole Erik Almlid. Er ist der Präsident all der Menschen im Land Norwegen, die anderen Menschen einen Arbeitsplatz geben. Und Ole Erik hat sich das nicht ausgedacht. Es gibt inzwischen zahlreiche Studien, die beweisen, dass Gaming das strategische Denken fördert und die Auge-Hand-Koordination stärkt, vor allem aber die Reaktionsfähigkeit. Man mag sich das kaum vorstellen, aber vor ein paar Jahren sind Tornado-Piloten der amerikanischen Luftwaffe in Reaktionstests gegen professionelle E-Sportler angetreten – und haben gegen sie verloren. E-Sportler treffen nämlich bis zu acht Entscheidungen pro Sekunde.

Stellt euch das mal vor: Ihr sagt die Zahl „Einundzwanzig“ – und währenddessen müsst ihr euch für acht verschiedene Lieblingsfarben entscheiden! Professionelle E-Sportler, also Menschen, die ihre Leidenschaft fürs virtuelle Spielen zum Beruf gemacht haben, gibt es inzwischen Tausende auf der Welt. Natürlich auch, weil es im E-Sport heute jede Menge Geld zu verdienen gibt, manchmal sogar mehrere Millionen Euro bei nur einem Turnier. Weshalb in den vergangenen Jahren auch die ganz normalen Fußballvereine angefangen haben, E-Sport-Abteilungen für junge Profis zu gründen. Der Hamburger SV, und später dann der FC St. Pauli.

Aber auch andere Vereine in Hamburg stehen dir offen, wenn du Lust hast, E-Sports im Team zu spielen. Zum Beispiel Komet Blankenese oder der Norderstedter SV. Aber – und natürlich muss es in diesem Artikel ein Aber geben – ist zu viel Gaming gar nicht gut. Das weißt du wahrscheinlich am allerbesten selbst. Manchmal ist es sogar besser, während der Schulwoche ganz darauf zu verzichten. So wie Umut Gültekin, Hamburgs bester Fifa-Spieler, der gerade an der Max Schmeling Stadtteilschule sein Abitur macht. Und nebenbei noch jede Menge Sport „an der frischen Luft“, wie es so schön heißt.

Gaming hilft auch den Eltern und sogar Großeltern

Das ist nämlich auch noch so ein Vorurteil, das Eltern gerne verbreiten. Dass die Gesundheit und die Schule darunter leiden, wenn man für sein Leben gern zockt. Das muss aber nicht sein. Fabian Mallant, Coach des Hamburger League-of-Legends-Teams Unicorns of Love zum Beispiel, hat schon als Schüler viele, viele Stunden mit Videospielen verbracht – und während seines Abiturs Mathematik-Kurse an der Uni belegt. Ab dem 25. September tritt er mit seinen Unicorns bei den Weltmeisterschaften in Shanghai an. Voriges Jahr haben unglaubliche 44 Millionen Menschen dieses Finale gesehen.

Und falls eure Eltern jetzt immer noch sagen, dass Gaming gar nichts für euch ist: Sagt ihnen einfach, dass auch Erwachsene spielen können. Ja sogar: sollten. Es könnte nämlich, und dazu läuft aktuell eine Studie am Universitätsklinikum Eppendorf (UKE), das bislang einzige Mittel sein, das den Fortschritt einer Demenzerkrankung aufzuhalten vermag. Im kommenden Jahr sollen die Ergebnisse dieses Experiments präsentiert werden.

Und wenn die Forscher mit ihrer Annahme recht haben, müsst ihr spätestens dann tüchtig mit euren Eltern schimpfen, wenn sie sich immer noch nicht an die Konsole gesetzt haben.

Ganz zum Schluss möchte ich euch nun gerne fragen: Welches Spiel mögt ihr richtig gerne? Auch Fortnite oder Fifa? Oder etwas ganz anderes? Zufällig den Landwirtschaftssimulator, oder ist das ein reines Erwachsenending? Schreibt mir gern eine Nachricht unter iris.mydlach@abendblatt.de – und auch denn, wenn ihr Gaming total bescheuert findet. Denn das interessiert mich natürlich auch.