Hamburg. Christoph Menke-Salz übernimmt am 1. Januar im Deutschen Hockey-Bund den Posten des Sportdirektors. Was er anpacken will.

Wer 113 A-Länderspiele bestritten und als promovierter Betriebswirt die unternehmensstrategische Weiterentwicklung der Kölner Messe mitgestaltet hat, der ist der optimale Kandidat für den Posten des Sportdirektors. So sieht es zumindest der Deutsche Hockey-Bund (DHB), der am Montag den Zuschlag für die Ausrichtung der Feld-EM der Damen und Herren 2023 in Mönchengladbach erhielt und Christoph Menke-Salz als Nachfolger von Heino Knuf ausgewählt hat. Sein erstes Interview vor dem Amtsantritt am 1. Januar gab der 35-Jährige nun dem Abendblatt.

Hamburger Abendblatt: Herr Menke-Salz, warum möchte jemand, der zum Thema „Digitalisierung im Messewesen“ promoviert hat und erfolgreich in diesem Bereich tätig ist, Sportdirektor in einem Randsport wie Hockey werden?

Christoph Menke-Salz: Ich habe acht Jahre lang sehr gern für die Messe in Köln gearbeitet und sehr viel gelernt. Aber in den vergangenen zwölf Monaten habe ich gespürt, dass ich einen neuen Impuls gesucht habe. Ich wollte etwas tun, was zu 100 Prozent meinen privaten Leidenschaften entspricht. Sport war deshalb sofort in meinem Fokus, und als ich hörte, dass die Stelle im DHB ausgeschrieben wird, habe ich mich beworben und sie zum Glück bekommen.

Was qualifiziert Sie denn für das Amt?

Menke-Salz: Auf der einen Seite meine Laufbahn als sehr ambitionierter Sportler. Ich habe unter den besten Trainern in der Nationalmannschaft gespielt, Bernhard Peters und Markus Weise, und hatte in meinen Teams immer eine Rolle, in der meine Meinung geschätzt wurde. Auf der anderen Seite habe ich mich zu einem vielseitigen Manager entwickelt und mir strategische Kompetenzen angeeignet, die ich einbringen möchte.

Wie interpretieren Sie die Rolle eines Sportdirektors? Sehen Sie sich als Gestalter in der ersten Reihe oder eher als Organisator im Hintergrund?

Menke-Salz: Ich möchte ein sehr präsenter Sportdirektor sein, nah an den Trainern und den Teams, Input geben und Hilfestellung anbieten. Vor allem aber möchte ich die Rahmenbedingungen schaffen, in denen es den Sportlerinnen und Sportlern möglich ist, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, und das ist sportlicher Erfolg. Wenn das gelingt, macht der Sportdirektor einen guten Job, und dann muss er auch nicht sichtbar sein.

Ihrem Vorgänger wurde intern vorgehalten, sich zu wenig um das Verhältnis zu den Bundesligaclubs gekümmert und die Nationalteams deutlich bevorzugt zu haben. Wie halten Sie es damit?

Menke-Salz: Ich kann und möchte meinen Vorgänger nicht beurteilen. Völlig unabhängig davon habe ich aber festgestellt, dass das gegenseitige Vertrauen zwischen Vereinen und dem Verband in den vergangenen Jahren gelitten hat. Deshalb muss der erste Schritt sein, dass wir mit dem DHB das gegenseitige Vertrauen wieder stärken. Letztlich wollen alle den Sport nach vorne bringen, aber das geht nur, wenn es gelingt, die Interessen aller zu respektieren. Ich persönlich möchte nicht priorisieren. Die Bundesligen sind die Basis unseres Leistungssports, die Nationalteams sind das Aushängeschild, an deren Abschneiden auf dem Feld die Förderung durch das Bundesinnenministerium hängt. Beides hängt miteinander zusammen, und wenn alle es schaffen, einen Weg zu gehen, ohne anderen damit wehzutun, dann ist viel gewonnen.

DHB-Sportdirektor Christoph Menke-Salz
DHB-Sportdirektor Christoph Menke-Salz © Kölnmesse | Kölnmesse

Was können Sie dazu beitragen?

Menke-Salz: Vertrauen ist der Schlüssel, wir müssen den Fokus wieder auf Gemeinsamkeit legen. Den Verband und damit auch mich sehe ich in der Rolle als Mittler. Das ist die große Aufgabe für 2021. Aber für alle Bereiche in Hockey-Deutschland sehe ich eine enorme Energie, die dort drinsteckt. Die müssen wir gemeinsam auf den Platz bringen.

In den vergangenen Jahren hatte man eher das Gefühl, dass bei denen, die auf dem Platz stehen, viel Energie dadurch verloren geht, dass die Terminpläne immer enger getaktet sind. Wie schützen Sie die Aktiven davor?

Menke-Salz: Mein Ansatz ist auf jeden Fall, dass die Aktiven im Mittelpunkt stehen müssen und man nicht auf deren Rücken verschiedene Vermarktungsmodelle ausprobiert. Ich merke aber, dass diese Botschaften auch beim Weltverband ankommen. Ich sehe, dass beim Thema Überlastung ein Nachdenken eingesetzt hat, dass man sich verstärkt damit auseinandersetzt, wie man nationale und internationale Termine besser koordinieren kann. Das weiß ich zu schätzen, und ich möchte in Zukunft auch darauf hinarbeiten, dass wir als DHB auf internationaler Ebene gestaltend in allen wichtigen Gremien vertreten sind.

Während die deutschen Damen zuletzt kontinuierlich näher an die Weltspitze, sprich die Niederlande, heranrückten, gibt die Entwicklung im Herrenteam Anlass zur Sorge. Der letzte Titelgewinn gelang bei der EM 2013, bei WMs wurde zweimal in Folge das Halbfinale verpasst. Was ist zu tun?

Menke-Salz: Die Damen entwickeln sich dank der kontinuierlichen Arbeit über die vergangenen Jahre wirklich stark, da bin ich sehr gespannt, welche Früchte das bei Olympia in Tokio trägt. Bei den Herren sehe ich sehr viel Talent mit sehr starken Typen, deshalb mache ich mir da keine großen Sorgen. Zudem haben wir mit Xavier Reckinger bei den Damen und Kais al Saadi bei den Herren die richtigen Trainer in der Verantwortung, die aus den Teams alles herausholen werden.

Es heißt zwar, dass die Weltspitze breiter, die Konkurrenz besser geworden ist. Aber es darf nicht der Anspruch eines deutschen Herrenteams sein, Halbfinals zu verpassen. Muss man das duale System mit Berufsausbildung neben dem Sport überdenken und sich stärker professionalisieren, wie es viele andere Nationen tun?

Menke-Salz: Natürlich darf das nicht der Anspruch sein, und es ist nicht verboten zu gucken, was wir von anderen Nationen lernen können. Dennoch müssen wir unsere Philosophie entwickeln und durchziehen, anstatt unseren Weg zu verlassen und uns kleiner zu machen, als wir sind. Bei allem Respekt vor anderen Systemen: Ich glaube, dass unser duales System in Deutschland ein sehr gutes ist. Ich befürworte es, weil es den Horizont der Spielerinnen und Spieler erweitert. Gerade im Hockey erwerben die Aktiven besondere Fähigkeiten wie Ehrgeiz, Kreativität und Zeitmanagement, die sie im Beruf nutzen können. Ich bin aber ein Freund der Periodisierung. In einem Olympiajahr kann kein Nationalspieler im Studium das Pensum absolvieren wie die Kommilitonen. Darauf gilt es zu achten. Aber wir sollten die Professionalisierung nicht überdrehen.

Gerade Hockey ist bekannt dafür, Innovationen voranzutreiben. Wie stehen Sie zum Thema Hockey 5, also Hockey mit nur fünf Spielern, das international auf dem Vormarsch ist und bei Olympischen Jugendspielen bereits das gewohnte Elferhockey ersetzt hat? Bislang hält sich der DHB da bedeckt.

Menke-Salz: Der DHB war immer ein intelligenter, anpassungsfähiger Verband. Wir wollen aber noch effektiver werden und vorangehen, wenn es um Innovationen und Digitalisierung geht. Was Hockey 5 angeht: Ich bin ein großer Freund des Elferhockeys und glaube auch nicht, dass es mittelfristig durch Hockey 5 ersetzt wird. Dennoch kann Hockey 5 eine Chance sein, den Sport breiter in die Gesellschaft zu tragen und ihn vor allem in kleineren Mitgliederverbänden weltweit voranzubringen. Deshalb sollten wir als DHB aufpassen, dass wir diese Entwicklungen mitgestalten. Der DHB ist dabei, eine Strategie auszuarbeiten. In Ludwigsburg entsteht in Eigeninitiative schon ein Hockey-5-Platz.

In Deutschland wird allerdings lieber auf Hallenhockey mit sechs Spielern gesetzt. Warum ist das richtig?

Menke-Salz: Hallenhockey ist für die Technikschulung extrem wertvoll. Unser Weg war auch wegen der Konzentration auf die Halle so erfolgreich. Wir müssen in Zukunft schauen, wie sich eine Hallensaison mit den Bedürfnissen der Nationalmannschaften zusammenbringen lässt. Aber gerade für Zuschauer ist Hallenhockey sehr attraktiv. Ein junger Mensch, der ein Hallenhockeyspiel sieht, wird sich eher für den Sport begeistern, als wenn er ein Feldspiel sieht. Diesen Reiz sollten wir uns nicht nehmen lassen.

In den ersten Monaten Ihrer Amtszeit werden Sie die Auswirkungen der Corona-Pandemie managen müssen. Teilen Sie die aus vielen Bereichen des Sports geäußerte Sorge, dass durch die Lockdowns eine ganze Generation für den Leistungssport verloren geht?

Menke-Salz: Ich bin ein positiver Mensch und sehe eher das Licht am Ende des Tunnels, das der Impfstoff ausstrahlt. Corona wird uns noch bis Olympia beschäftigen, keine Frage. Dennoch halte ich Aussagen, dass eine ganze Generation verloren geht, für zu hart. Ich glaube vielmehr, dass sich die Menschen freuen werden, wenn Sport endlich wieder uneingeschränkt möglich ist. Ganz deutlich unterstütze ich den Standpunkt des DOSB, dass Sport Teil der Lösung und nicht Teil des Problems ist. Deshalb müssen Beschränkungen des Sportbetriebs mit besonderem Augenmaß behandelt werden, denn wenn die aktuelle Situation noch über Jahre anhielte, dann sähe ich tatsächlich ganze Generationen gefährdet.