Hamburg. Hamburger erzählt über ersten Wettkampf seit Corona und erklärt, warum er aktuell in seiner Heimat und nicht in den USA trainiert.

22 bis 24 Grad, wolkenloser Himmel – das sind die Wetteraussichten für San Diego in den kommenden Tagen. Doch anstatt sich in seiner kalifornischen Wahlheimat auf die Olympischen Sommerspiele 2021 in Tokio vorzubereiten, stand für Jacob Heidtmann ein hartes Kontrastprogramm an. Bei 3 Grad und Nieselregen musste Hamburgs bester Schwimmer nach dem Frühtraining am Dulsberger Olympiastützpunkt (OSP) Einkäufe für seinen Bruder erledigen, in dessen Barmbeker Wohnung er untergekommen ist.

Doch weil der 26-Jährige ein Glas-halb-voll-Typ ist, nimmt er die erzwungene Verlängerung seines für Weihnachten geplanten Heimataufenthaltes locker. „Es hat ein paar Tage gedauert, bis ich mich mit der neuen Situation arrangiert hatte, aber jetzt passt alles“, sagt er. Geplant war gewesen, dass er am Montag vergangener Woche nach dem Ende seines sechswöchigen Wettkampfstarts in der International Swimming League (ISL) in Budapest über Frankfurt am Main in die USA zurückfliegen sollte, wo er seit Herbst 2019 lebt. Doch obwohl er ein für sechs Monate gültiges Visum und ein Empfehlungsschreiben der ISL vorlegen konnte, untersagte die US-Behörde Homeland Security die Einreise 15 Minuten vor dem Boarding der Maschine.

Erster Wettkampf seit Corona

Nun also hat Jacob Heidtmann Zeit, die Erlebnisse aus Ungarns Hauptstadt in Hamburg zu verarbeiten. Er trainiert wechselweise am OSP und übernachtet dann bei seinem Bruder oder bei seinem Stammverein in Elmshorn und schläft dann in seinem Elternhaus in Borstel (Kreis Pinneberg). Mit seinem US-Trainer David Marsh hält er per Videokonferenz Kontakt, muss die 800 Dollar Lohn an den Coach aktuell nur anteilig zahlen. Die Miete für das WG-Zimmer, immerhin ein vierstelliger Betrag im Monat, läuft allerdings weiter. „Das tut weh.“

Die Reise nach Budapest bereut Jacob Heidtmann dennoch nicht. Im Gegenteil: „Ich bin unendlich dankbar für die Chance. Es war mein erster Wettkampf seit Corona“, sagt er. Anfang März hatte er in Des Moines (Iowa) die Olympianorm über seine Paradestrecke 400 Meter Lagen erfüllt, seitdem nur noch trainiert. „Mental war es deshalb unglaublich wichtig, sich wieder mit den Besten der Welt zu messen. Ich war vor meinen Rennen sehr aufgeregt“, sagt er.

Besondere Umstände in der „Blase“

Sechs über je zwei Stunden an zwei aufeinanderfolgenden Tagen angesetzte Wettkämpfe bestritt der 195 Zentimeter lange Topathlet für das Team L. A. Current, schwamm dabei in der Duna-Arena (WM-Schauplatz von 2017) nicht nur seine Hauptstrecken – neben den 400 Meter Lagen noch Freistil über dieselbe Distanz –, sondern half auch über 200 Meter Rücken und 200 Meter Schmetterling aus. Am Ende reichte es für seine Equipe unter den zehn Teams, die jeweils rund 30 weibliche und männliche Mitglieder stellen durften, zu Rang vier.

Mit den Umständen in der „Blase“ habe er sich gut arrangieren können. Alle Athleten, die jeden fünften Tag auf Corona getestet wurden, waren in zwei Hotels in Einzelzimmern untergebracht, gegessen wurde ebenfalls separat, die Zimmer durften nur für 90 Minuten am Tag verlassen werden, Treffen mit Teammitgliedern waren auf zwei Personen begrenzt. „Das ist mental hart, aber ich habe viel telefoniert, gelesen und Playstation gespielt“, sagt der Student der Sozialökonomie, der sein Studium bis Olympia auf Eis gelegt hat. Ein gutes „Schmerzensgeld“ gab es zudem. Heidtmann kassierte für seine Mühen ein Preisgeld im niedrigen fünfstelligen Bereich. Der US-Amerikaner Caeleb Dressel (24), der vier Weltrekorde aufstellte, fuhr mit knapp 300.000 Dollar nach Hause; enorme Summen sind das für Schwimmer.

Lesen Sie auch:

„Mit meiner Leistung war ich grundsätzlich zufrieden, konnte meine Bestzeiten auf meinen Hauptstrecken verbessern. Allerdings habe ich mich im Verlauf des Events nicht so steigern können wie erhofft und weiß jetzt, welche Baustellen offen sind“, sagt Jacob Heidtmann. Die Umstellung seines Rückenschwimmstils brauche noch mehr Zeit und Training. Dieses will er, so die US-Behörden ihn lassen, von Anfang Januar an wieder in San Diego durchziehen. Seine Qualifikation für Olympia bleibt bestehen, sodass sein Ziel für 2021 klar ist: Eine Medaille in Tokio soll es werden. Die Erfahrungen von Budapest, glaubt Heidtmann, werden dabei helfen.