Hamburg. Stützpunkttrainer Veith Sieber erläutert, wie er die Motivation hochhält, und kündigt einen internen Leistungsvergleich an.

In Krisenzeiten ist Kreativität gefragt. Und weil Leistungssportler Übung darin haben, das Positive im Negativen zu suchen, haben die Hamburger Kaderschwimmer in Ermangelung sportlicher Wettkämpfe im Pool ein neues Feld gefunden, auf dem sie sich messen können. Eine Minute haben die Athleten laut Hygieneverordnung Zeit, um sich nach dem Training am Olympiastützpunkt in Dulsberg allein in der Umkleide aus den nassen Klamotten zu schälen. „Jeden Tag gibt es ein Wettrennen, wer das Umziehen am schnellsten schafft“, sagt Veith Sieber und grinst über sein ganzes freundliches Teddygesicht.

Sieber ist seit rund dreieinhalb Jahren Bundesstützpunkttrainer, und er freut sich über die Fantasie seiner Sportlerinnen und Sportler. Schließlich besteht, seit vor gut zwei Wochen endlich alle 80 Kaderathleten in den Trainingsbetrieb zurückgekehrt waren, die Hauptaufgabe des Trainerteams darin, die Motivation aufrechtzuerhalten, obwohl es – von den auf Ende Juli 2021 verschobenen Olympischen Sommerspielen in Tokio als Fernziel abgesehen – derzeit nichts gibt, auf das hintrainiert werden könnte. „Für die allermeisten Sportlerinnen und Sportler ist diese Situation, ohne Ziel hart zu trainieren, die größte Belastung in der Corona-Zeit“, sagt er.

Wettkämpfe aktuell nicht durchführbar

Obwohl die Abstandsregel beim Schwimmen angesichts der räumlichen Trennung der Bahnen problemlos eingehalten werden kann, die in geschlossenen Räumen als gefährlich eingeschätzten Aerosole ins Wasser ausgeatmet werden und das Chlor sein Übriges tut, um die Verbreitung von Viren zu behindern, sind Wettkämpfe am Alten Teichweg aktuell nicht durchführbar. Grund dafür sind die räumliche Enge der Halle und die restriktive Nutzung der sanitären Anlagen. „In Hamburg bliebe nur die Alsterschwimmhalle, aber die ist zu teuer. Deshalb wird es in der Stadt auf absehbare Zeit keine Wettkämpfe geben“, fürchtet Veith Sieber.

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Bundesweit und international sieht es nicht viel besser aus. In manchen Bundesländern ist sogar der Trainingsbetrieb in den Vereinen, den Hamburg am vergangenen Dienstag freigegeben hatte, noch immer untersagt. Zwar habe es Angebote gegeben, mit seinem Olympiakader, zu dem der aus den USA zurückgekehrte Jacob Heidtmann (25), Rafael Miroslaw (19), Björn Kammann (19), Max Nowosad (24), Silas Beth (16), Julia Mrozinski (20), Hannah Küchler (18) und Yusra Mardini (22) zählen, in diesem Monat zu Turnieren in die Niederlande und nach Italien zu reisen. „Aber die Kosten und der zeitliche Aufwand dafür stehen in keinem Verhältnis zum Nutzen, deshalb verzichten wir darauf.“

Deutschen Meisterschaft im November?

Stattdessen hat Sieber für Ende des Monats einen internen Leistungsvergleich mit dem Bundesstützpunkt Essen vorgesehen, der allerdings nur virtuell erfolgen soll. Physische Treffen, voraussichtlich in Form einer deutschen Meisterschaft, plant der Deutsche Schwimm-Verband (DSV) für November. Nach der virtuellen Challenge werde man den Olympiakadern noch eine Woche Urlaub gewähren. „Die hatten trotz Corona nur drei Wochen Pause und können nicht bis Tokio durchtrainieren“, sagt er. Mit den Nachwuchskadern, die 14 Wochen nicht trainieren durften, werde man dagegen die gesamten Sommerferien durcharbeiten. „Wir müssen die bei der Stange halten“, sagt der 40-Jährige. Die große Sorge, wegen Corona insbesondere im Nachwuchs Talente zu verlieren, habe sich noch nicht bewahrheitet. „Aber die brauchen alle eine Perspektive, für die es sich lohnt zu arbeiten.“

Den Hamburger Olympiakandidaten soll sich diese voraussichtlich im Dezember bieten. Dann ist der erste internationale Wettkampf auf der Langbahn in den Niederlanden vorgesehen. Bis dahin gelte es, das Training so abwechslungsreich wie möglich zu gestalten und immer wieder Gelegenheiten zu bieten, sich intern zu messen – und sei es nur beim Umziehen.