Hamburg. Die Neuseeländer Blair Tarrant und Kane Russell sind mit dem Polo Club aktuell das stärkste Hockeyteam der Stadt.

Zuschauer dürfen es nicht erleben, aber das Topspiel der Feldhockey-Bundesliga der Herren wird an diesem Sonnabend zum Abschluss der Hinrunde stattfinden. Nachdem der Deutsche Hockey-Bund (DHB) den jeweils zwölf Mannschaften der Eliteligen der Damen und Herren am Donnerstagmittag angesichts der von Montag an geltenden Beschränkungen freigestellt hatte, schon an diesem Wochenende nicht mehr anzutreten, entschieden der gastgebende Uhlenhorster HC und der Hamburger Polo Club, das für 17 Uhr am Wesselblek geplante Stadtderby unter Ausschluss von Zuschauern auszutragen.

Blair Tarrant und Kane Russell hat diese Entscheidung gefreut, schließlich möchten sie alles dafür tun, um mit ihrem Team die Vormachtstellung in Hamburg – als Vierter einen Punkt vor dem UHC – in die Winterpause zu retten und mit einem Erfolgserlebnis im Gepäck die Heimreise anzutreten. Am Tag nach dem UHC-Duell fliegen die beiden neuseeländischen Nationalspieler in Diensten des Polo Clubs nach Auckland, wo sie den Winter – der am anderen Ende der Welt Sommer ist – nutzen müssen, um sich mit ihrem Auswahlteam, den „Black Sticks“, auf die Olympischen Spiele 2021 in Tokio vorzubereiten.

So ist es vertraglich geregelt, damit das Europa-Abenteuer der beiden Abwehrrecken nicht zu viel gemeinsame Trainingszeit kostet. Und da die beiden „Kiwis“ mit Hallenhockey – das wegen der strengen Pandemieregeln in diesem Winter wahrscheinlich sowieso nicht stattfinden kann – wenig anzufangen wissen, freuen sie sich auf zu Hause.

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Tarrant und Russell studieren an neuseeländischen Fernuniversitäten

Blair Tarrant (30) und Kane Russell (28) stehen sinnbildlich dafür, warum sich der 2018 aufgestiegene Emporkömmling aus dem Hamburger Westen zum aktuell stärksten Club einer an starken Hockeyvereinen nicht armen Stadt gemausert hat. Dass Spieler ihrer Güteklasse für Polo auflaufen, hat einerseits damit zu tun, dass dank eines finanzkräftigen Sponsorenpools Aufwandsentschädigungen und Nebengeräusche wie die vom Club gestellte gemeinsame Wohnung in Ottensen ermöglichen, sich voll auf den Sport zu konzentrieren. Zwar studieren beide an neuseeländischen Fernuniversitäten – Tarrant Immobilienverwaltung, Russell Baumanagement. Doch um sie vom HC Rotterdam, einem Topverein aus der als beste Liga der Welt geltenden niederländischen Hoofdklasse, abzuwerben, war mehr notwendig als eine warme Mahlzeit.

Andererseits, sagen die Freunde, die sich schon seit Grundschulzeiten in ihrer Geburtsstadt Dunedin kennen, habe auch das Kennlerngespräch mit Polo-Cheftrainer Matthias Witthaus (38) eine wichtige Rolle gespielt. Der immer noch amtierende deutsche Rekordnationalspieler (364 Einsätze) habe ihnen das Konzept des Clubs, auf eine Mischung aus nationalen und internationalen Topspielern sowie Eigengewächsen zu bauen, anschaulich erläutert. „Er hat uns viel Lust auf den Wechsel gemacht, und es ist alles genauso aufgegangen, wie er es gesagt hat“, sagt Russell, der als Eckenspezialist herausragt, während Tarrant seine Stärken vor allem im spielerischen Bereich zur Geltung zu bringen weiß.

Tarrant hatte schon in der Saison 2013/14 Bundesligaluft geschnuppert

Der Ältere ist seit mittlerweile neun Jahren in Europa aktiv, davon die letzten vier in Rotterdam. Der Jüngere wechselte nach den Sommerspielen 2016 in Rio de Janeiro, wo beide ihr Olympiadebüt gaben, zunächst nach Belgien, ehe er im Sommer 2019 nach Rotterdam weiterzog. In Deutschland zu spielen, sagen sie, sei für sie eine besondere Erfahrung. Schließlich werde im Land der Defensivkünstler deutlich mehr Wert auf harte Abwehrarbeit gelegt als im offensivverliebten Benelux-Hockey.

„Ich spiele hier zum ersten Mal in meinem Leben Mann- statt Raumdeckung. Das ist für meine sportliche Entwicklung ein enorm wichtiger Schritt“, sagt Russell. Tarrant hatte schon in der Saison 2013/14 mit Absteiger Blau-Weiß Berlin Bundesligaluft geschnuppert. „Aber da haben wir fast jedes Spiel verloren, es war ein ganz anderes Niveau als jetzt bei Polo“, sagt er.

Beide hoffen auf eine Revanche in Tokio

Sich mit dem deutschen Stil vertraut zu machen, das ist für Blair Tarrant und Kane Russell zudem ein Stück Traumabewältigung. Beide standen 2016 in Rio auf dem Platz, als Neuseeland das schon gewonnen geglaubte Viertelfinale gegen die deutsche Auswahl nach zwei Gegentreffern in der Schlussminute noch 2:3 verlor. „Als das 2:3 fiel, schaute ich auf die Stadionuhr, die gerade auf null umsprang. Ich konnte es nicht fassen“, sagt Russell. „55 Minuten lang war es das beste Länderspiel unserer Karriere. Es hat lange gedauert, bis wir darüber hinweggekommen sind. Eigentlich dauert es bis heute an“, sagt Tarrant. Auch deshalb hoffen sie auf eine Revanche in Tokio – am liebsten gegen ein paar Polo-Kollegen auf der anderen Seite.

Zunächst jedoch wollen sie gemeinsam hohe Ziele erreichen. Die Ergebnisse gegen die Spitzenteams der Bundesliga haben gezeigt, dass Polo mithalten kann mit den ganz Großen. „Ich glaube, dass es für uns keine Limits gibt, wenn wir uns in jedem Spiel weiterentwickeln“, sagt Tarrant. „Das Fundament ist super, wir müssen aber noch kreativer werden und an unsere Stärke glauben, dann haben wir eine große Chance, ganz nach vorn zu kommen“, sagt Russell. Dabei mithelfen wollen beide, sofern die Pandemie es zulässt, mindestens bis 2022. Der Derbysieg am Sonnabend soll auf diesem Weg der nächste Schritt werden.