Hamburg. St. Pauli geht als Favorit ins Finale. Das Team gewann alle Spiele ohne Gegentor. Endspiel am Sonnabend gegen Stuttgart.

Das traditionelle Picknick fällt aus in diesem Jahr: Corona. Da ist nichts mit dem sonst üblichen gemeinsamen Einstimmen auf das große Finale mit Spielern, Freunden, Trainern und sonstigen Anhängern, so wie es die Blindenfußballer des FC St. Pauli immer gemacht haben in den vergangenen drei Jahren. Zum vierten Mal in Folge steht das Team an diesem Sonnabend im Endspiel um die deutsche Meisterschaft. Der zweite Titel nach 2017 soll ans Millerntor geholt werden. Anpfiff unter dem Dom von Magdeburg ist um 15 Uhr gegen die Dauerrivalen vom MTV Stuttgart.

„Das ist eine seit Jahren eingespielte Truppe mit vielen erfahrenen Spielern, die alle schon mehrmals Meister waren und es noch einmal wissen wollen“, sagt St. Paulis Trainer Wolf Schmidt (55). Dass seine Jungs die Stuttgarter in der wegen Corona verkürzten Bundesliga-Vorrunde 2:0 geschlagen haben, bedeutet gar nichts: „Es ist ein Finale. Da sind die Jungs auch ein wenig nervös.“ Nach dem Titelgewinn 2017 musste sein Team diese Erfahrung auch in den verlorenen Endspielen in den beiden Jahren darauf machen. 2019 gab es eine Niederlage gegen Marburg im Sechsmeterschießen – die einzige der gesamten Saison.

St. Pauli geht wieder als Favorit ins Finale

Auch dieses Mal geht St. Pauli als Favorit ins Finale. Jedes Saisonspiel wurde gewonnen, ohne Gegentor. Die junge Truppe um die Nationalspieler Rasmus Narjes (20) und Jonathan Tönsing (21) sowie den erfahrenen „Torschützen des Monats August 2018“, Serdar Celebi (36), ist eben perfekt eingespielt, kennt die Abläufe. Sie verstehen sich blind – das darf man so sagen. „Wir sind variabel und versuchen, unsere Ideen durchzusetzen“, sagt Schmidt. Der Journalist und Fußballtrainer ist der Vater des Erfolges, Antreiber, Entwickler, Organisator der Mannschaft, der gesamten Sparte. Seit 2009 trainiert er das Team und auch die Jugendlichen ehrenamtlich. Er hat die Spieler zu Topathleten entwickelt und arbeitet bereits an der nächsten Generation. „Es ist heute schwerer für junge Spieler, in die Bundesliga einzusteigen“, sagt er, „die Sportart hat sich sehr entwickelt. Technik, Dynamik, das ist alles sehr viel besser geworden.“

Seit 2004 kommentiert er auch die Zweitligaspiele der Profikicker für Sehbehinderte im AFM-Radio. „1997 stand neben mir im Stadion ein blinder Fan, der wie ich Fan von Matthias Scherz war. Dem habe ich geschildert, was so los war auf dem Platz“, erinnert sich Schmidt. Daraus entwickelte sich die Idee mit der Radioreportage. Irgendwann hat die Abteilung den damaligen Trainer einer Mädchenmannschaft des SC Sternschanze gefragt, ob er für ein Turnier in Köln als Coach aushelfen könnte. Tat er – und ist dabeigeblieben. „Blinde Menschen, die Fußball spielen, genießen es, sich mit dem Ball am Fuß frei auf dem Platz bewegen zu können“, sagt Schmidt, „und ich freue mich, ihnen helfen zu können, diese Freiheit zu erleben.“