Hamburg. Beim Beachvolleyball-Turnier am Alten Teichweg in Dulsberg feierte die Olympiasiegerin mit Anna-Lena Grüne ihr Comeback.

Während der Schiedsrichter noch kleinlaut gestand, „ich habe es nicht genau gesehen“, von seinem Hochsitz zur Grundlinie eilte, um den Abdruck des Balles im Sand zu überprüfen, standen Laura Ludwig und Margareta Kozuch bereits am Netz, gratulierten Kira Walkenhorst und Anna-Lena Grüne per Handschlag zu deren Coup.

Walkenhorst besiegt Ludwig beim Turnier am Alten Teichweg

Mit 2:1 (21:18, 21:23, 18:16) Sätzen hatte Olympiasiegerin Walkenhorst Olympiasiegerin Ludwig zum Auftakt des Top-Turniers am Beachvolleyball-Bundesstützpunkt am Alten Teichweg besiegt, drei Matchbälle im dritten Durchgang abgewehrt, dann den ersten eigenen genutzt, weil Ludwig den letzten Ball, was inzwischen auch der Schiedsrichter bestätigte, knapp ins Aus geschlagen hatte.

Das Duell der beiden einst weltbesten Beachvolleyballerinnen, die gemeinsam alles, was es an Titeln zu gewinnen gab, gewannen, endete am Freitagmorgen exemplarisch für die vorangegangenen 61 Minuten: mit einem Fehler.

Vielleicht hätten wir öfter mal den Kopf ausschalten sollen“

„Von denen haben wir im Lauf des Matches einfach zu viele gemacht“, meinte Kozuch (33), was Ludwig (34) so nicht stehen lassen wollte: „Es waren viel zu viele.“ Anders war wohl auch nicht zu erklären, warum ein gestandenes Weltklasseduo wie Kozuch/Ludwig gegen eine Zufallspaarung wie Grüne/Walkenhorst, die gerade erst ihr viertes gemeinsames Spiel bestritt, überhaupt drei Sätze lang in größte Schwierigkeiten geraten und am Ende sogar verlieren konnte.

„Vielleicht hätten wir öfter mal den Kopf ausschalten sollen“, meinten die Geschlagenen später und sprachen damit ein Grundproblem an. Die nötigen Automatismen, die in kritischen Situationen greifen und Entscheidungsfindungen abnehmen sollen, hat vor allem die ehemalige Weltklasse-Hallenvolleyballerin Kozuch noch nicht derart verinnerlicht, dass sie im Spiel aufkommende Zweifel besiegen könnte.

Margareta Kozuch (r.) blickt zu ihrer Partnerin Laura Ludwig, die sich nach einem gewonnnen Punkt auf den nächsten Ballwechsel konzentriert.
Margareta Kozuch (r.) blickt zu ihrer Partnerin Laura Ludwig, die sich nach einem gewonnnen Punkt auf den nächsten Ballwechsel konzentriert. © WITTERS | FrankPeters

Kozuch/Ludwig setzen sich langfristige Ziele

Imornefe Bowes (44) ist der Chef-Bundestrainer Frauen, Lebensgefährte Ludwigs und Trainer des Teams seit gut einem Jahr. Er ordnete die Niederlage zwar als unnötig, aber auch als nicht allzu tragisch ein. „Wir befinden uns in einem Entwicklungsprozess, der ausgerichtet auf die Olympischen Spiele 2021 in Tokio ist.

Die Corona-Pandemie gibt uns jetzt die Zeit, die wir vorher nicht hatten, Techniken und Taktiken von Grund auf zu erarbeiten“, sagte der Schotte in bestem Deutsch. „Wir stellen deshalb im Augenblick die langfristigen über die kurzfristigen Ziele. Das heißt: Wir arbeiten an verschiedenen Baustellen und bereiten uns nicht explizit auf ein Match vor, wie wir das normalerweise tun würden.“ Gerade in einer Phase des Lernens falle es oft schwer, neue Inhalte in Stresssituationen, und das sei ein Match nun mal, schon perfekt umzusetzen. Ludwig pflichtete ihm bei: „Wir bleiben entspannt, denn wir entwickeln uns in die richtige Richtung.“

Walkenhorst genoss ihren Triumph

Walkenhorst (29) genoss derweil mit einem tiefenentspannten Lächeln ihren ganz persönlichen Triumph, den sie zwei Wochen nach ihrem Comeback nicht erwarten durfte und nicht erwartet hatte. „Dass wir auf diesem Niveau drei Sätze lang mithalten konnten, war nicht vorherzusehen“, sagte sie. Für Ludwig schon: „Kira ist Kira, die weiß, wie man spielt. Sie hat es nicht verlernt. Und eine große Kämpferin war sie schon immer.“

Hatte in früheren Jahren an der Weltspitze Kinesiotape fast ihren gesamten Körper bedeckt, so war diesmal ein kleines Pflaster auf Walkenhorsts rechtem Oberschenkel das einzige sichtbare Zeichen körperlicher Versehrtheit. Weil im Haushalt ein Glas zu Bruch gegangen war, sie ihre Drillinge dann von der Unfallstelle weghalten wollte, hatte sie sich an einer der Scherben leicht verletzt. „Ansonsten geht es mir wirklich sehr gut. Ich habe auch heute schmerzfrei spielen können, die Beschwerden vergangener Jahre sind alle weg“, sagte Walkenhorst.

Partie gegen Goldpartnerin "ein Spiel wie jedes andere"

Die Partie gegen ihre Goldpartnerin sei „ein Spiel wie jedes andere“ für sie gewesen. „Ich habe Lauras Weg mit Maggie in den vergangenen Monaten verfolgt und akzeptiert, dass sie gerade zusammengehören“, sagte sie. Der Ausgang des Spiels habe auch sie überrascht.

„Natürlich war unsere Zielsetzung, die beiden zu ärgern. Aber dass wir hier als Sieger vom Feld gehen würden, damit hatten wir nicht gerechnet“, gab sie zu. Eine wichtige Rolle habe gespielt, dass der Druck des Gewinnenmüssens komplett auf der anderen Seite des Netzes gelegen habe. „Mir tut es total gut, dass ich befreit aufspielen kann. Ich habe meine eigenen Erwartungen heruntergeschraubt und freue mich, dass ich überhaupt spielen kann“, sagte sie.

Erst zwei Wochen kontinuierliches Training

Die Konstellation mit ihrer am Stuttgarter Stützpunkt angedockten neuen Partnerin Anna-Lena Grüne (18), eines der größten deutschen Beach-Talente, mit der sie in den vergangenen zwei Wochen in Hamburg erstmals kontinuierlich hatte trainieren können, sei für sie eine neue Herausforderung. „Sie ist Linkshänderin, dadurch hat sich im Zuspiel etwas verändert. Wir müssen als Team noch zusammenfinden und haben sicherlich viel Steigerungspotenzial. Aber man hat heute gesehen, dass Anna ein immens hohes Level hat.“

Ihr eigenes Leistungsvermögen wolle sie nun weiter steigern. „Ich nutze die Voraussetzungen, die ich habe. Im Vordergrund steht, dass mein Körper schmerzfrei mitmachen muss. Ich habe mich heute körperlich schon deutlich besser gefühlt als vor zwei Wochen in Düsseldorf, bin aber noch weit von dem Niveau entfernt, das ich mal hatte.

Und auch bei der DM in Timmendorf werde ich längst nicht bei 100 Prozent sein.“ Technisch aber habe sie in ihrer langen Wettkampfpause nichts verlernt, sagte ihr ehemaliger Trainer Jürgen Wagner, vom 1. September an „Head of Beachvolleyball“ des deutschen Verbandes, über die einst beste Blockspielerin der Welt.

Ludwig und Walkenhorst erreichten beide Achtelfinale

Grüne/Walkenhorst verloren am Freitagnachmittag ihr zweites Match gegen die Schweizerinnen Esmée Böbner/Zoé Vergé-Dépré nach 58 Minuten mit 1:2 (21:19, 17:21, 13:15), haben aber ebenso das Achtelfinale am heutigen Sonnabend erreicht wie Kozuch/Ludwig, die kampflos weiterkamen.

Beide Spiele sind für zwölf Uhr angesetzt, die Courts sind durch einen Zaun getrennt. Zuschauer sind nicht zugelassen. Am Sonntag folgen Halbfinale und Finale. Preisgelder gibt es nicht, erst wieder bei den deutschen Meisterschaften am Timmendorfer Strand (3. bis 6. September).