Hamburg. Hamburger Hockey-Nationalspielerin steht vor vermeintlich letzter Saison ihrer Karriere. Die Vorbereitung darauf war eine besondere.

Das Aufstehen am nächsten Morgen könne mühsam werden, sagt Janne Müller-Wieland, als sie am Donnerstagvormittag zum Gespräch mit dem Abendblatt eintrifft und sich in einen Liegestuhl vor dem Café am Goldbekplatz fallen lässt. Sprint- und Athletiktraining mit Stützpunktcoach Rainer Sonnenburg hat sie gerade hinter sich gebracht, zum ersten Mal seit fünf Monaten. „Ich werde morgen bestimmt Muskelkater haben!“, sagt die 33-Jährige.

Es war weder eine Verletzung noch eine Schwangerschaft, die die Spielführerin der deutschen Hockeydamen vom Training in ihrer Heimatstadt fernhielt. Sondern ein Virus, das über die Welt kam und Janne Müller-Wieland dazu zwang, den Lockdown und die anschließenden Monate der Ungewissheit in ihrer Wahlheimat zu verbringen. Mit ihrer walisischen Partnerin Sarah Thomas (39), die 2012 mit Großbritannien Olympiabronze im Hockey gewann, lebt die Defensivspezialistin zwischen London und Oxford auf dem Land. Und weil sie von dort ihre berufliche Karriere als Gründerin und Beraterin verschiedener internetbasierter Start-up-Unternehmen problemlos vorantreiben konnte und der Hockeyspielbetrieb wegen Corona sowieso unterbrochen war, entschied sie sich, in England zu bleiben.

Yogaeinheiten via Zoom

„Die Regeln dort waren strenger, man durfte in der harten Phase des Lockdowns nur eine Stunde am Tag aus dem Haus. Aber da wir im Grünen wohnen und ein Haus mit Garten haben, war das kein großes Problem“, sagt sie. Herausfordernd war eher die Phase, in der ihre Teamkolleginnen vom Bundesligisten Uhlenhorster HC und der Nationalmannschaft in Deutschland wieder ins gemeinsame Training einsteigen konnten, sie aber in England keine Erlaubnis dazu hatte. Mit ihrer Partnerin übte Janne Müller-Wieland stattdessen auf einem kleinen Parcours, den sie in der extra mit Kunstrasen ausgelegten Garage aufgebaut hatten. „Außerdem habe ich jede Yogaeinheit, die über Zoom angeboten wurde, mitgemacht“, sagt sie.

Als auch im Vereinigten Königreich wieder in Gruppen trainiert werden durfte, fand sie Anschluss beim Zweitligisten Oxford Hawks, wo ihre Lebensgefährtin als Co-Trainerin arbeitet. Im Herrenteam, wohlgemerkt. „Die Damenligen sind zu schwach, weil die Nationalspielerinnen alle zentralisiert trainieren und deshalb kaum Liga spielen“, sagt sie. Die höhere Spielgeschwindigkeit und die physische und technische Überlegenheit der Männer habe sie mit Auge und Spielwitz wettzumachen versucht. „Ich glaube, dass mir dieses Training eine Menge neuer Impulse gegeben hat und bin überzeugt, dass man das öfter machen sollte“, sagt sie. Ihre körperlichen Leistungsparameter deuteten alle darauf hin, dass die Entscheidung die richtige war.

Halbjähriger Auftritt in Japans Eliteliga

Nun jedoch ist Janne Müller-Wieland zurück in Hamburg, schließlich soll am ersten Septemberwochenende die Feldhockeysaison wieder aufgenommen werden. Sie lebt zunächst bis Ende Oktober, wenn die Winterpause beginnt, abwechselnd bei ihren Eltern in Sasel oder bei ihrer Schwester Roda (29) im Karoviertel, die auch zum UHC-Aufgebot zählt, aber nicht spielen wird, weil sie Ende Dezember ihr erstes Kind erwartet. Am Mittwochabend absolvierte Janne Müller-Wieland das erste Teamtraining mit dem UHC, „das war erstaunlich gut dafür, dass es aufgrund der Corona-Res­triktionen in Hamburg auch für alle anderen Mädels das erste Mannschaftstraining ohne Einschränkungen war.“

Lesen SIe auch:

Nun hofft sie, dass sie ihre Form konservieren und wieder voll in den Spielbetrieb einsteigen kann. Schließlich könnte die Saison 2020/21 die letzte ihrer Karriere werden, mit den Olympischen Spielen in Tokio als krönendem Abschluss. Es wären ihre vierten. Nach einem halbjährigen Auftritt in Japans Eliteliga 2014 hat das Gastgeberland einen besonderen Platz in ihrem Herzen. „Ich werde es auf mich zukommen lassen und abwarten, wie es sich anfühlt“, sagt sie, „die vergangenen Monate haben uns gelehrt, dass man nicht zu viel planen sollte.“ Andererseits wolle sie den Zeitpunkt des Abschieds selbst bestimmen, und Berufs- und Privatleben fordern ebenfalls ihren Tribut. „Ich glaube, ich werde spüren, wenn es so weit ist“, sagt sie, ehe sie so locker aus ihrem Liegestuhl aufsteht, als habe ein Athletiktraining niemals stattgefunden.