Hamburg. Der Dritte der deutschen Leichtathletik-Meisterschaften nimmt ein Stipendium der University of Nebraska wahr.

Mit einem mulmigen Gefühl fuhr Bennet Vinken am Dienstagabend zum Training in die Leichtathletikhalle in Winterhude. Wohlgemerkt: Der Weitspringer aus dem Hamburger Vorort Börnsen hatte am Sonntag unerwartet die Bronzemedaille bei den deutschen Leichtathletik-Meisterschaften in Braunschweig gewonnen. Dennoch musste der 20-Jährige, der für den HSV startet, seinem Trainer Sebastian Bayer (34) bei ihrem ersten Wiedersehen nach den Titelkämpfen eine unangenehme Nachricht überbringen.

Am Montag wird Vinken im Flieger in Richtung USA sitzen, um an der University of Nebraska in Lincoln (280.000 Einwohner), der Hauptstadt des Bundesstaates, ein Vollstipendium anzutreten. Dies stand wegen der weltweiten Corona-Lage lange Zeit zur Disposition. „Das sind Gespräche, die man ungern führt. Und ich bin mir sicher, dass er es nicht so gut auffassen wird. Mein Trainer ist kein Fan eines USA-Studium, und auch beim Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) stehen die USA nicht hoch im Kurs, weil dort zu viel und zu hart trainiert werde“, sagte Vinken.

Die Reaktion fiel dann wie erwartet aus. „Das ist die falsche Entscheidung“, sagte Bayer. Laut einer DLV-Statistik hätten in den vergangen 30 Jahren bei 90 Prozent der Athleten nach einem Jahr US-Aufenthalt die Leistungen stagniert oder wären sogar rückläufig gewesen. „Ich wünsche ihm aber alles Gute“, fügte Bayer noch an.

Schwierige Bedingungen in Braunschweig

Am vergangenen Donnerstag hatte der Abiturient des Gymnasiums Lohbrügge aus den Vereinigten Staaten das Okay für den Sprung über den Atlantik erhalten. Doch so unmittelbar vor der „Deutschen“ wollte Vinken damit dann nicht rausrücken. Stattdessen wollte er es dem ehemaligen Weltklassespringer Bayer (Bestweite in der Halle: 8,71 Meter) in ihrem vorerst letzten gemeinsamen Wettkampf zeigen, dass er das Springen trotz einer verkorksten Wintersaison und zuletzt schlechten Trainingsbedingungen nicht verlernt hat.

In Braunschweig lag Vinken bei schwierigen Bedingungen mit drehendem Winden und tropischen Temperaturen vor seinem sechsten und letzten Versuch mit 7,39 Metern auf dem siebten Platz. „Dann war es so eine Ego-Geschichte. Ich habe mir gesagt: Komm jetzt“, erzählt Vinken. Und trotz 1,7 Metern Gegenwinds pro Sekunde landete er erst nach 7,57 Metern – Saisonbestweite, der drittweiteste Satz seiner Laufbahn überhaupt. Das reichte zu Platz drei.

„Technisch war der Sprung zwar nichts, aber es war mein schnellster Anlauf“, resümierte Vinken seinen Auftritt. „Auch wenn es wegen Corona keine Siegerehrung gab und ich mir meine Medaille selbst abholen musste, war es trotzdem ein Megagefühl. Diese Bronzemedaille ist mehr wert als das Gold 2019 bei der U20, weil es diesmal bei den Erwachsenen war“, sagte Vinken, der bei den deutschen Jugendmeisterschaften 2019 mit persönlichem Rekord von 7,74 Metern souverän gewonnen hatte. Für seinen großen Traum, die Olympischen Spiele, wird er sich jedoch nochmals steigern müssen. Die Norm für Tokio liegt bei 8,22 Meter. „Mein Ziel ist aber erst Paris 2024“, sagt Vinken.

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Zunächst wird mit dem USA-Stipendium in Nebraska ein anderer großer Wunsch wahr. „Ich hätte mich bei allen Bedenken von Sebastian geärgert, wenn ich diese Chance nicht ergriffen hätte. Außerdem sind die Corona-Zahlen in Nebraska verhältnismäßig gering“, sagt Vinken, der nun hofft, dass es ihm Bayer nicht allzu krumm nehmen wird, dass er den Abflug macht. „Er wusste, dass ich es vorhatte. Und es ist ja auch nichts Persönliches“, sagt Vinken.

Und vielleicht stimmt es Bayer ja milde, dass sein Schützling in der kommenden Sommersaison, wenn in den USA Semesterferien sind, weiter für den HSV starten will. Was er an Vinken hat, weiß der Coach. „Im letzten Versuch und bei so viel Gegenwind eine solche Weite hinzulegen, das zeigt, dass Bennet ein hervorragender Wettkämpfer ist“, hatte Bayer am Sonntag gesagt.