Hamburg. Hamburgs Kickbox-Vizeweltmeisterin, die auch Udo Lindenberg trainiert, will innerhalb von zwei Jahren Boxweltmeisterin werden.

Sie dachte, dass sie fit sei. Immerhin war sie im November 2019 im türkischen Antalya Vizeweltmeisterin im Kickboxen geworden. Aber als Natalie Zimmermann nach ihrem ersten Kraftzirkel als Profiboxerin die Trainingshalle des Hamburger Boxverbands am Braamkamp verließ, da fühlte sie sich klein und verloren. „Eine solch tiefe Erschöpfung kannte ich bislang nicht. Ich habe jeden Funken meiner Energie im Training gelassen und fühlte mich wie eine leere Hülle. Ich dachte, ich könnte gar nichts“, sagt die Hamburgerin.

Was sie wirklich kann, das will Natalie Zimmermann an diesem Sonnabend zeigen. Bei der neuen Hamburger Veranstaltungsreihe, mit der die Cousins Raiko und Christian Morales Berufsanfängern oder Wiedereinsteigern die nötige Wettkampfpraxis verschaffen wollen, steigt die dreifache deutsche Kickboxmeisterin zu ihrem Debüt in den Ring. Das Besondere: Sie ist bereits 37 Jahre alt, was für einen Neuanfang im Profiboxen ein durchaus ungewöhnlicher Zeitpunkt ist.

Zimmermann fand über Klitschko-Manager zum Profiboxen

Aber Ungewöhnliches passt in die Vita der gebürtigen Ostholsteinerin, die als Tochter eines Tierzüchters aufwuchs und erst als 20-Jährige, inspiriert vom Hollywoodfilm „Die Akte Jane“, den Weg in den Kampfsport fand. Seit Dezember 2018 trainiert die 168 Zentimeter große Leichtgewichtlerin (Klasse bis 61,235 kg) beim früheren Leichtgewichtsweltmeister Artur Grigorian (52) im Universum-Profistall ihre Schlagtechnik.

Seitdem reifte in ihr die Idee, es mal mit dem Boxen zu versuchen. Aber Profi zu werden? Ein Gedanke, der angesichts ihrer beruflichen Belastung absurd erschien. Immerhin führt sie als selbstständige Physiotherapeutin und Personal Trainerin das Studio Body & Mind an der Rothenbaumchaussee.

Doch nachdem sie privat Kontakt zum früheren Klitschko-Manager Bernd Bönte bekommen und von diesem den Rat erhalten hatte, sich beim Hamburger Landestrainer Christian Morales vorzustellen, wurde aus einem absurden Gedanken ein festes Ziel. Anfang Januar begannen Morales und sie mit dem gemeinsamen Training. „Er hat mir gesagt, dass wir es innerhalb von zwei Jahren zu einem WM-Kampf schaffen können. Ich brauche hohe Ziele, um mich zu motivieren. Und dieses Ziel steht jetzt über allem“, sagt Natalie Zimmermann, die ihr berufliches Pensum von sechs bis acht auf vier Stunden täglich reduziert hat, um ausreichend Zeit für Training und Regeneration zu haben.

Zimmermann: Altersgrenze gibt es im Profiboxen nicht

Morales ist überzeugt davon, dass sein neuer Schützling die notwendigen Anlagen mitbringt, um es auch im Boxen nach ganz oben schaffen zu können. „Sie hat einen starken Willen, ist sehr diszipliniert und ehrgeizig“, sagt er. Anfangs hätten, wie es bei Umsteigern aus dem Kickboxen üblich ist, das Distanzgefühl und die Stabilität in der Beinarbeit gefehlt.

„Ich bin anfangs gehoppelt wie ein Hase. Jetzt fühle ich mich sicherer und bin so fit wie noch nie“, sagt Natalie Zimmermann. Mittlerweile steht sie stabil, wechselt nicht mehr die Auslage, sondern baut ihren Kampf mit der starken rechten Führhand aus der Distanz auf. „Wenn wir das erste Training aufgenommen hätten, würde man nicht glauben, dass das, was man jetzt sieht, dieselbe Person ist“, sagt Morales.

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Sorgen um ihre Gesundheit macht sich Natalie Zimmermann trotz ihres fortgeschrittenen Alters nicht. Reflexe und Kondition sind einwandfrei, eine Altersgrenze gibt es im Profiboxen nicht. Dank ihrer Ausbildung als Physiotherapeutin kann sie ihren Körper perfekt einschätzen, weiß um die Notwendigkeit guter Ernährung und ausreichender Regeneration.

Sie achtet auf genügend Schlaf und übt sich exzessiv in Faszientraining. „Hätte ich dieses Wissen nicht, dann hätte ich die ersten zwei Wochen im Profiboxen niemals durchgestanden“, sagt sie. Den Plan, nebenbei auch noch weiter Kickboxkämpfe zu bestreiten, hat sie schnell ad acta gelegt. „Es zählt jetzt nur das Ziel WM-Chance“, sagt sie.

Udo Lindenberg wird beim Boxkampf dabei sein

Dafür trainiert sie weiterhin zweimal pro Woche mit Grigorian und an manchen Abenden mit ihrem langjährigen Kickboxcoach Robert Wegener. Alle drei werden am Sonnabend in der Halle sein, Wegener und Morales in der Ecke, Grigorian im Publikum. „Von allen lerne ich unterschiedliche Dinge. Artur achtet vor allem auf die Schlaghärte, Christian auf die technische Ausführung, Robert bringt die neue Lehre mit US-Einflüssen ein und kennt mich am längsten“, sagt sie. Wenn es ihr gelänge, all diese Komponenten zusammenzubringen, „dann wäre ich wohl unbesiegbar“.

Zunächst jedoch soll am Sonnabend (erster Kampf 18 Uhr, insgesamt fünf Kämpfe) das Debüt glücken. Ihre Gegnerin ist noch unklar, da der Vertrag noch nicht unterschrieben ist. Besonders aufgeregt sei sie nicht, sagt Natalie Zimmermann, „ich habe schon so viel erlebt und erreicht. Was jetzt kommt, kann ich als Zugabe betrachten.“ Ihre Eltern, die sich um die Tochter sorgen, und ihr Partner werden nicht am Ring dabei sein, dafür aber vielleicht ihr berühmtester Klient Udo Lindenberg, den sie ein- bis zweimal wöchentlich im Personal Training betreut.

Und ganz bestimmt eine Reihe an Promotern, die an der noch vertragsfreien Sportlerin Interesse finden sollen. Wenigstens hofft Natalie Zimmermann das. „Ich habe bisher viel Glück gehabt im Leben“, sagt sie, „deshalb glaube ich, dass sich alles fügen wird.“