Hamburg. Jockey Andrasch Starke könnte am Sonntag mit seinem achten Sieg beim Deutschen Derby die Bestmarke von Gerhard Streit einstellen.

Nieselregen, 14 Grad, die sich mehr nach März denn als Juli anfühlen. Kaum eine Menschenseele auf der Galopprennbahn. Tristesse pur am Freitagmittag in Horn. „Das ist doch gutes Wetter. Es ist nicht zu warm für das Pferd und für mich. Und jetzt hört es auch auf zu regnen. Das Geläuf ist hervorragend. Alles top. Vor allem für mich als Norddeutschen“, sagt Andrasch Starke, der sich vom Hamburger Schmuddelwetter nicht die Laune vermiesen lässt und gut gelaunt zum Gespräch mit dem Abendblatt erscheint.

Der 46 Jahre alte Weltklassejockey versucht gar nicht erst zu verstecken, wie sehr er sich auf das mit 650.000 Euro dotierte 151. Deutsche Derby, das am Sonntag auf der Horner Rennbahn steigen wird, freut. „Wir sind alle froh, dass das Derbymeeting in verkürzter Form an drei Tagen überhaupt stattfindet“, sagt der in Stade geborene Reiter, der am Freitag den „Active City Cup“ auf Sir Polski gewinnen konnte.

Deby in Horn findet ohne Zuschauer statt

Das Derbyfeeling, wie es Starke kennt, wird es wegen der Corona-Pandemie so nicht geben. In Horn sind keine Zuschauer zugelassen. Lediglich Mitglieder des Hamburger Rennclubs (HRC), Pferdebesitzer, Trainer und für das Event relevante Menschen sind auf der Rennbahn zutrittsberechtigt.

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An die Hygieneregeln rund um die Rennen hat sich Starke mittlerweile gewöhnt. In den Umkleidekabinen im Waage-Gebäude achten die Jockeys auf die Einhaltung der Abstandsregeln. Während des Rennens tragen die Reiter einen Mund-Nasen-Schutz. „Solange das gewünscht ist, machen wir das. Im Rennen hält man eh Abstand. Das ist wirklich das kleinste Problem und behindert mich überhaupt nicht“, sagt Starke, der sich auch mit der überschaubaren Geräuschkulisse auf der Rennbahn arrangiert hat.

Starke: "Wir haben genug Adrenalin"

Im Januar hat Starke in Japan an Rennen teilgenommen, bei denen auch keine Zuschauer auf den Rängen waren. „Ich finde es viel skurriler, wie es im Fußballstadion ist. Am Fernseher kommen Emotionen da gar nicht rüber, aber wir haben die Geschwindigkeit im Rennen. Da haben wir genug Adrenalin“, sagt Starke und ergänzt: „Im Rennen bekommt man als Jockey von den Zuschauern gar nichts mit. Man ist so fokussiert, und im Rennen gibt es ja einen Geräuschpegel, wenn die Pferde galoppieren“, erklärt der Norddeutsche.

Auch für die Pferde mache es keinen Unterschied, ob die Ränge voll besetzt oder wie in Corona-Zeiten verwaist sind. „Fußballer müssen vielleicht angefeuert werden, aber bei uns ist es nicht leistungsfördernd, wenn Zuschauer da sind. Die Tiere sind absolute Profis“, sagt Starke.

"Der erste Sieg war etwas ganz Besonderes"

Auch ohne den berühmt-berüchtigten „Hamburg Roar“ ist das Deutsche Derby für den Ausnahmejockey in diesem Jahr ein ganz besonderes. Mit einem Sieg am Sonntag (Rennbeginn 16.07 Uhr) könnte Starke mit dem bisherigen Rekordhalter Gerhard Streit, der zwischen 1938 und 1961 acht Derbys gewann, gleichziehen.

Starke steht bis dato bei sieben Erfolgen. Das Blaue Band konnte der Topjockey bislang mit Robertico (1998), Samum (2000), Next Desert (2002), Schiaparelli (2006), Kamsin (2008), Lucky Speed (2013) und zuletzt Nutan (2015) gewinnen. „Der erste Sieg war natürlich etwas ganz Besonderes. Wenn es in diesem Jahr wieder klappt, würde sich der Sieg aber keinesfalls schlechter anfühlen“, sagt der Reiter.

Topjockey Starke denkt an sein Karriereende

Sein Hunger auf Sieg Nummer acht ist genauso groß wie vor dem ersten Triumph in Horn. „Ich brauche das Geld“, scherzt Starke, den natürlich nicht nur das Preisgeld reizt. „Mir macht das nach wie vor Spaß. Es ist ein großes Privileg, dass ich überall auf der Welt die Möglichkeit habe zu reiten. Ich reite wieder einen Derbyfavoriten. Da wäre man schlecht beraten, nicht motiviert zu sein“, sagt Starke vor seinem Heimspiel in Hamburg.

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Doch auch der 46-Jährige weiß, das seine Karriere endlich ist. Die ewige Disziplin, das Gewicht zu halten und dem Erfolg auf der Rennbahn alles unterzuordnen, zehrt an den Kräften. Körperlich und auch mental. „Wenn man bald 47 Jahre alt wird, macht man das alles schon sehr lange. Man verzichtet in sehr vielen Lebenslagen auf sehr viel Lebensqualität, auch wenn mir der Sport viel zurückgibt“, sagt Starke.

Gerüchte, dass er im Falle eines achten Derbysieges sofort die aktive Laufbahn beendet, dementiert er zumindest halb. „Ich hätte nichts dagegen, wenn es Sonntag mit dem achten Sieg klappt, aber ich denke noch nicht an die nächste Saison“, sagt Starke. Das nächste Derby ist eben immer das schwerste. Vor allem, weil das Feld in diesem Jahr besonders hochklassig ist.

Freunde und Familie verfolgen das Derby im Fernsehen

Neben Wonderful Moon und Starke werden Grocer Jack mit Reiter Marco Casamento und den Nachmeldungen Kellahen mit Jockey Andre Best und Soul Train, geritten von Bauyrzhan Murzabayev, gute Siegchancen eingeräumt. „Ich spüre keinen Druck als Favorit. Man will sich immer mit den Besten messen. Dafür ist das Derby doch da. Es sind fünf, sechs gute Pferde dabei. Die Besitzer sind sehr nervös, der Trainer ein kleines bisschen“, sagt Starke und fügt an: „Das Pferd muss gut drauf sein, ich muss gut drauf sein. Und mit Routine und ohne Nervosität in den zweieinhalb Minuten agieren und funktionieren.“

Auf Unterstützung von der Tribüne muss Starke in diesem Jahr verzichten. Freunde und Familie werden das Derby in Hanstedt in der Nordheide im Fernsehen verfolgen und vom Sofa die Daumen drücken. „Ich hoffe, dass sie alle zu Hause eine Wonderful-Moon-Party feiern können.“

Hier finden Sie weitere Informationen und Starter-Listen des Galopp-Derbys in Hamburg-Horn.